Ich bin in die Jahre gekommen und lebe jeden
Tag meines Lebens sehr bewusst.
Denn ich bin einer von den
Motorradfahrern, der fährt, weil er will, selbst dann,
wenn er
irgendwohin muss. Dann will ich eben dahin wollen, wo andere sagen
"ich
muss dahin" und sich mit dem Auto von A nach B quälen. 1973 als Testassi
bei DAS MOTORRAD musste
ich nicht
mit Klacks zum Nürburgring, ich wollte.
Die Magie der Grünen
Hölle
hatte mich längst vor 1972, also dem Jahr,
als ich dem Ruf nach
Stuttgart gefolgt war, gefangen genommen.
Fotos: Winni Scheibe, Kawasaki |
Was hatte ich da oben
in der Eifel nicht schon alles
erlebt: 1965 mein erstes Rennen auf der Südschleife, ich fuhr eine
selbstgebaute 50er Hercules; Agostinis grandiose Siege mit der MV;
unvergessene Namen wie Bill Ivy, Phil Read, Jim Redman, Mike „The Bike“
Hailwood, Fath/Kalauch, Jarno Saarinnen und wie sie alle heißen, die
Helden meiner Motorrad-Jugend.
Und damals durfte ich am Ring testen, durfte
mit zum Test der Kawasaki Z900 Z1, der schnellsten Serienmaschine der
Welt. Mit allem Respekt vor den Geistern der Burg, die hoch droben über
Start und Ziel über den Nürburgring wachen, machte ich mich über die
Testarbeit her. Ich wollte testen, ich wollte arbeiten, ich wollte mit
der Kawasaki Z900 "Z1" die Nürburgring-Nordschleife bezwingen.
|
Und nun, Mitte 1995 beschlich mich ein ähnliches Gefühl, als mein Freund
und Mitarbeiter Winni Scheibe eine Sache anleierte, die ziemlich viel
Vorarbeit erforderte und letztlich dann doch so klappte, weil Winni das
Ding so und nicht anders machen wollte: Eine Kawasaki Z900 von 1973 und
eine neue Kawasaki Zephyr 1100 von heute sollten zum Nürburgringtest
antreten, ich sollte sie fahren. Und danach bei Mutter Rieder ein, zwei
Bier trinken, eine Roulade essen, ein, zwei weitere Bier trinken,
einen Eifelgeist dazu und viel schwätzen dabei. Über Motorräder und den
Nürburgring.
Dann also kam der 4. Oktober 1995. Der Nürburgring lag im schönsten
Herbstlicht, die Kawas waren da und Winni auch. Ich grüßte die Geister
und machte mich an die Arbeit. Sieben Runden bin ich gefahren mit der Kawasaki Z900, also fast 150 Kilometer. Es waren sehr, sehr schöne Runden,
sehr zügig und doch mit einer gehörigen Portion Gemütlichkeit verbunden,
denn es ging ja um nix: keine Lichtschranke, keine Stoppuhr, nur ein
Mikro im Helm. Zwei Runden bin ich mit dem Vollhelm gefahren (wegen dem
Mikro), die anderen fünf Test- und Fotorunden zuvor mit meinem alten Cromwell aus
den 1970ern und der fast ebenso alten Baruffaldi-Brille.
|
Abends gab mir Winni mit glänzenden Augen
einen großen Umschlag: "Für dich", sagte er knapp und hatte dabei einen
Kloß im Hals. Es war ein Buch drin, Winnis erstes Buch, das er
geschrieben hat: MÜNCH - Die Lengende Friedel Münch und seine
Motorräder. Noch vor dem ersten Bier bei Mutter Rieder war ich so
vertieft darin, dass ich beinahe die Bestellung der Roulade bei
Rieders vergessen hätte.
Mir wurde auf einen Schlag klar, was eine
Legende ist: Menschen wie Friedel Münch, die keine Angst vor der Technik
haben, sondern sich diese zunutze machen, um ihre Träume von
Unabhängigkeit und Freiheit zu leben. Um etwas zu schaffen für sich
alleine. Wenn das dann auch noch kommerziell erfolgreich wird, auch
unabhängiger zu werden von den ganz banalen Zwängen des Lebens, vom
Essen und Trinken und Wohnen müssen, dann ist das die Krönung des Lebens.
Friedel Münch ist eine Legende. Finanziell
unabhängig wurde er zwar nicht, aber er lebt und hat etwas Bleibendes
geschaffen, mit seinem Geist und seinen Händen. Ich glaube, dass Friedel
Münch im Grunde seines Herzens glücklicher ist mit dem, was er
geschaffen hat, als einer, der Kohle hat ohne Ende, vielleicht sogar
noch geerbt, und der es zum Beispiel mit einem Ferrari F40 der ganzen
Welt zeigen muss.
Auch die Kawasaki Z900 "Z1" ist eine Legende.
Sicherlich war sie für die Firma, die sie auf den Markt gebracht hat,
ein finanzieller Erfolg. Aber sie ist ehrlich, der Fahrer spürt auf ihr,
wo er ist und wie die Straße beschaffen ist. Und sie sagt, wann Ende ist
mit der Kurvengeschwindigkeit, sie beginnt rechtzeitig zu wackeln und
warnt ihren Fahrer somit, lässt ihn nicht durch ein scheinbar sicheres
Fahrwerk ins Verderben rennen.
Man muss im Leben lernen, Menschen und
Maschinen zu verstehen. Helfen kann der Wind dabei, der einem um die
Nase weht, wenn man es der Nase gestattet, vom Wind umweht zu werden.
Wenn man einen offenen Helm auf hat, einen Cromwell zum Beispiel, und
eine Kawasaki Z1 fährt, auf dem Nürburgring zum Beispiel, denn auch der
Ring ist eine Legende, eine, wie sie die Grand Prix-Schleife nebenan
niemals werden kann, weil sie so ist, wie sie ist, zeitgemäß eben, den
heutigen Ansprüchen angepasst: In Sachen Sicherheit, Streckenverlauf,
Boxenanlagen und damit auch der Größe des Fahrerlagers - nur den
Zuschauer hat man vergessen, sein Feeling, sein Bedürfnis nach dem
Erleben von Kraft, Mut und Geschwindigkeit. Aber das ist eine andere
Geschichte.
Mir ist aber auch klar geworden, wie sich
der Mythos Kawasaki Z900 "Z1" begründet und bis heute gehalten hat: Etwas,
das man einmal erlebt und als richtig gut in Erinnerung behält, das wird
für immer und ewig gut bleiben: auch dann, wenn sich die Zeit und damit
die Anforderungen des Menschen an die Technik geändert haben. Das einmal
als gut Erlebte wird sich niemals ins Schlechte verändern, sondern für
immer gut bleiben.
|