Kawasaki 900 Z1
"Frankensteins
Tochter"
Hässlich war das Bike bestimmt
nicht, eher sogar eine Wucht.
Der 900er Vierzylinder-Motor war eine echte Granate, aber das
Fahrwerk
– oh weh! Der Feuerstuhl wackelte so furchtbar, dass selbst
den
abgebrühtesten Heizern Angst und Bange werden konnte. So sehr,
dass
MOTORRAD Chef-Tester Franz Josef "FJS" Schermer den
Wetzhobel
später sogar einmal als "Frankensteins Tochter"
bezeichnete.
Gemeint ist die legendäre Kawasaki 900 Z1
die
1972 auf der IFMA in Köln vorgestellt wurde. Ein neues Kapitel
in der
Motorradgeschichte hatte begonnen!
Text: Winni Scheibe
Fotos: Scheibe, Kawasaki
Nürburgring-Gedenkfahrt: "FJS"
auf der "Z1" |
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Auf der IFMA in Köln stellten die Japaner im Herbst 1972 die Kawasaki 900 Z1 Super 4 vor. Die Fachwelt war
geplättet, die Motorradfans rieben sich die Augen und den Mitbewerbern
verschlug es die Sprache. Auch kein Wunder. Entgegen einer internen
Absprache unter den japanischen Herstellern, keine Motorräder über 750
ccm auf den Markt zu bringen, langte Kawasaki mächtig zu. Mit dem 900
ccm Vierzylinder-Big-Bike schlug Kawasaki ein neues Kapitel in der
Motorradgeschichte auf.
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Legende: Kawasaki 900 Z1
von 1973 |
(Foto: Kawasaki)
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Japans viertgrößter Motorradhersteller galt bis 1972, abgesehen von
den 650er W1 und W2 Modellen (einem BSA Nachbau von 1966), als
Zweitaktspezialist. Besonders die Dreizylindermodelle Mach III und die
750er H2 sorgten für Aufsehen. Mut und Draufgängertum mussten ihre
Piloten damals besitzen, um die Fahrleistungen der quicklebendigen
Zweitakt-Motorräder auszukosten.
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Kawasaki H2 750 Mach IV
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Kawasaki W1
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Die 900 Z1 übertraf
jedoch alles bisher Dagewesene. Laut Werksangaben sollte das für
damalige Verhältnisse technisch anspruchsvolle Vierzylinder-Aggregat
mit zwei obenliegenden Nockenwellen und vier Vergasern 82 PS bei 8500
/min leisten. Bei der Höchstgeschwindigkeit sprach man sogar
selbstsicher von weit über 200 Stundenkilometern. Diese
Leistungsangaben hätten fast von einer Rennmaschine stammen können.
Schnell erinnerte man sich an die legendäre MV Agusta, besonders beim
Anblick der wunderschön verlegten Vier-in-Vier Auspuffanlage. Gemäß
dem Stand der Technik besaß die 246 kg schwere Kawa am Vorderrad eine
Scheibenbremse, hinten verrichtete konservativ eine Trommelbremse ihren
Dienst.
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Maß der Dinge 1972: DOHC-Kawa-Motor
(Foto:
Kawasaki) |
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Nach über fünfjähriger Entwicklungszeit war den Ingenieuren bei
Kawasaki ein technisches Meisterstück gelungen. Doch die Meinungen der
"Fachleute" in der restlichen Welt gingen weit auseinander.
Die einen lehnten generell diese "verspielte Technik" ab. Sie
fragten, wie man unterwegs die Ventile oder Vergaser einstellen solle,
und überhaupt sei alles viel zu kompliziert. Die selbsternannten
Experten wollten nicht glauben, dass so ein hochgezüchteter "Rennmotor"
länger als 10.000 Kilometer problemlos funktioniert. Dagegen konnten
die Motorradfans das Frühjahr 1973 kaum abwarten. So oder ähnlich war
die Stimmung bei der IFMA im Herbst 1972. Die Sensation war jedenfalls
perfekt.
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Auf dem "Prüfstand".
Die neue 900er Kawasaki wurde von der Testmannschaft von "Das MOTORRAD"
im Frühjahr 1974 in Hockenheim mächtig zur Sache genommen.
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Als die "Z1"
1973 endlich auf dem Markt war, verbreiteten sich schnell die tollsten
Geschichten über dieses Big Bike. In Fachgesprächen, aber auch
Testberichten, wurde sie als ein Motorrad mit "schierer
Gewalt...", oder "sie ist nur für die Gerade gut, doch in den
Kurven...", beschrieben. Andere attestierten ihr, "man müsse
sich erst an die gewaltige Leistung gewöhnen...". Und MOTORRAD
Chef-Tester "FJS" bezeichnete sie später sogar einmal als
"Frankensteins Tochter".
Doch bei aller Häme, von Anfang an galt dem agilem
Vierzylinder-Viertakt-Motor die größte Sympathie. Zwar blieben nach
der deutschen DIN-Messung nur noch 79 PS bei 8500/min übrig, doch genug,
um bei der ersten Lichtschrankenmessung 211 Stundenkilometer zu
erreichen. Eine zweite Messung auf dem Nürburgring mit flachem Lenker
und "klein gemacht" ergab sogar den sensationellen Wert von
227 km/h.
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Und genau das war
der Stoff, aus dem Anfang der 70er Jahre die Biker-Träume bestanden.
Gemäß dem Motto: "stärker, schneller und besser als die
anderen" hatte Kawa eindrucksvoll gezeigt, wo der Hammer hängt. In
nur 4,2 Sekunden beschleunigte das Bike von Null auf 100 km/h, und für
die 400 Meter Messstrecke genügten 12 Sekunden.
Aber auch gemütlich, ja sogar schaltfaul,
ließ sich die "Z1"
fahren. Bereits ab 2000/min, was etwa 50 km/h entsprach, beschleunigte
der Motor die Fuhre ruckfrei, ohne sich zu verschlucken, gleichmäßig
vorwärts. Dafür plagten recht üble Vibrationen den Piloten.
Eingeschlafene Hände und Beine waren keine Seltenheit. Stieg die
Tachonadel über 120 km/h, erübrigte sich der Blick in die
Rückspiegel, es war nichts mehr zu erkennen. Die Erschütterungen
zerstörten regelmäßig die Scheinwerferlampe. Selbst korrekt
eingestellter Zündzeitpunkt schaffte keine Abhilfe. Doch allen
Unkenrufen zum Trotz, der Motor war nicht kaputt zu kriegen.
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Gut
gemeint war die Schmierung für die Antriebskette. Von einem eigenen Öltank
versorgt, verspritzte die kleine Pumpe nicht nur den kostbaren Saft auf die
Kette, sondern ölte gleichmäßig das Hinterrad und alles Drumherum ein.
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Das Fahrwerk:
"Eine
einzige Katastrophe"
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War das Triebwerk
eine Wucht, konnte das Fahrverhalten dagegen selbst abgebrühten
Motorradfahrern Angst und Schrecken einjagen. Ob bei schneller
Kurvenfahrt oder im Topspeed-Bereich, das Fahrwerk entwickelte ein sehr
ausgeprägtes Eigenleben, das kaum zu bändigen war. In punkto
Fahrwerksabstimmung steckten die japanischen Motorradbauer damals eben
noch in den Kinderschuhen. Die Dämpfung der Gabel und der Federbeine
war viel zu lasch, und das Durchschlagen der hinteren Elemente gehörte
zur Tagesordnung. Abhilfe schaffte nur ein Satz Koni-Federbeine.
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"Längsten Meile im Leben"
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Auch die vordere
Scheibenbremse war dem Fahrzeuggewicht und der hohen Geschwindigkeit
nicht gewachsen. Eine Gewaltbremsung aus 200 km/h entpuppte sich "zur
längsten Meile im Leben". Aus diesem Grund gab es ab 1974 eine
zweite Scheibenbremsanlage zum Nachrüsten. Die Halterung hierfür war
am rechten Gabelholm bereits vorgesehen.
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Das schwarzes Triebwerk gab es nur im
ersten Modelljahr
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Nur wenig technisch
verändert, aber in anderen Farben lief die 900er Kawa 1974 und 1975 vom
japanischen Montageband. Ab 1974 war der Motor hell, auf die schwarze
Lackierung des Triebwerkes wurde verzichtet. Im Folgejahr erhielt sie
weltweit als erstes Motorrad eine O-Ring-Kette. Motor und Fahrwerk
blieben in diesen beiden Jahren unverändert. Ab 1976 lautete die
Bezeichnung Z 900. In diesem Jahr spendierte man ihr eine gründliche
Modellpflege. Die Wandstärke der Rahmenrohre wurde von 1,8 mm auf 2,3
mm erhöht, was eine spürbare Verbesserung der Straßenlage bewirkte.
Serienmäßig sorgten jetzt zwei Scheibenbremsen mit 296 Millimeter
Durchmesser am Vorderrad für ordentliche Verzögerung.
Besonderer Augenmerk galt der neuen Motorabstimmung. Die Motorleistung
stieg von 79 auf 81 PS bei 8000/min, und das maximale Drehmoment
erhöhte sich von 72 Nm auf 74 Nm bei 7500/min. Jetzt verfügte der
Motor im unteren und mittleren Drehzahlbereich über mehr Kraft, ließ
aber die Drehfreudigkeit im oberen Bereich vermissen, dafür behielt sie
aber den Ruf, das schnellste Serienmotorrad der Welt zu sein.
1977 machte Kawasaki das Maß voll. Den Hubraum vergrößerte man auf
1000 ccm. Das Big Bike hieß jetzt Z 1000 A1 und somit war das Ende der
schon damals als legendär bezeichneten "Z1" besiegelt.
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Kawasaki Z 900 Z1A von 1974
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Kawasaki Z900 Z1B von 1975
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US-Sondermodell Kawasaki KZ900LTD von
1976
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Maß-Voll: Kawasaki Z1000
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Auf den ersten Blick unterschied nur die neue Vier-in-Zwei Anlage und
eine mächtige Scheibenbremse mit 285 mm Durchmesser am Hinterrad die Z
1000 A1 von der Z 900. Wer mehr wissen wollte, musste ins Detail gehen,
die Leistung betrug jetzt 85 PS bei 8000/min, und das Drehmoment stieg
auf 83 Nm bei 6.500/min. Klaglos verkraftete das Triebwerk thermisch
und mechanisch den Leistungszuwachs.
Aber auch das Fahrwerk erfuhr Feinabstimmung: die Führung der Schwinge
übernahmen Nadellager. Dämpfung in Gabel und Federbein arbeiteten
jetzt bedeutend wirkungsvoller, dafür war die Hinterradfederung eine
Spur zu hart. Erstmals konnte von einem positiven Fahrverhalten
gesprochen werden. Mit den modifizierten Bremszangen verbesserte sich
das Ansprechverhalten der Vorderradbremse.
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Im Fahrbetrieb überzeugte neben der verbesserten Straßenlage besonders
die geänderte Motorcharakteristik. Selbst mit zwei Personen und Gepäck
zeigte das Aggregat keinen Leistungsnachlass. Kraftvoll zog es in jeder
Situation die Fuhre vorwärts. Egal, ob solo oder voll beladen, die
Tachonadel kletterte deutlich über die 200er Marke. Leider waren die
lästigen Vibrationen immer noch vorhanden. Wer dies allerdings
ignorierte und mit Vollgas über die Bahn wetzte, musste ordentlich
Schnellzugzuschlag zahlen: bis zu 12 Liter flossen bei hohem Tempo durch
die vier Mikuni-Vergaser. Die "Z1" Nachfolgemodelle Z1000
blieben bis Ende der 70er Jahre im Kawa Angebot.
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Kawasaki Werbung Anno 1979
Softchopper Z1000LTD
(Foto: Kawasaki-Archiv)
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Kraftwerk: Z1000 A1 Triebwerk
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Was alles in
der
Viertakt-Kawa steckte, bewies der kanadische Haudegen DuHamel, als er
1973 im Speedway-Oval von Daytona Beach/USA gleich 45 Weltrekorde mit der
Z1 aufstellte. Besonders beliebt war der robuste Viertaktmotor unter den
Tunern. Der Schweizer Fritz Egli verpflanzte solch einen Motor in seinen
"Egli-Rahmen", und prompt gewannen 1974 die Franzosen Godier/Genoud
die berühmte Bold`Or in Südfrankreich. Auch Pop Yoshimura, japanischer
Tuning- Papst, widmete sich dem Triebwerk. Wer mehr Leistung aus dem
Motor holen wollte, kam um seine Tuningteile nicht herum. Alle
Rennerfolge aufgezählt füllten ein Buch.
Die Faszination der
"Z1" liegt heute darin verborgen, beschaulich mit genügend
Dampf auf einem klassisch schönen Motorrad zu fahren. Die Begeisterung
der Besitzer und Liebhaber spiegelt sich auch bei den jährlichen "Z"-Treffen
wieder. Ob restaurierte Original Z-Modelle oder Rennversionen mit
Lachgas-Einspritzanlage bis zum Langgabel-Chopper sind der Phantasie
keine Grenze gesetzt.
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Technische
Daten
Z900 "Z1" von 1973
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Motor:
Luftgekühlter Vierzylinder-Viertakt- Reihenmotor, zwei Ventile
pro Zylinder über zwei obenliegende, kettengetriebene
Nockenwellen und Tassenstößel gesteuert. Leistung 58 kW (79
PS) bei 8500/min, maximales Drehmoment 72 Nm bei 7000/min,
Bohrung x Hub 66 x 66 mm, Hubraum 903 ccm, Verdichtung 8,5 : 1,
vier Mikuni-Vergaser mit 28 mm Durchlass, Trockenluftfilter, Nasssumpf-Druckumlaufschmierung,
Elektro- und Kickstarter
Elektrische
Anlage:
Drehstrom-Lichtmaschine, Batterie 12 Volt / 14Ah,
kontaktgesteuerte Batterie-Spulenzündung
Kraftübertragung:
Primärantrieb mit geradeverzahnten Rädern, mechanisch betätigte
Mehrscheiben-Ölbadkupplung, klauengeschaltetes
Fünfganggetriebe, Hinterradantrieb über Einfachkette
Fahrwerk:
Doppelrohrrahmen mit Stahlschwinge in Stahlbuchsen geführt,
Kugellager im Lenkkopf, Telegabel ohne Verstellmöglichkeiten,
Standrohr-Durchmesser 36 mm, Federweg vorne 140 mm, hinten
Schwinge mit zwei Federbeinen und 80 mm Federweg. Radstand 1505
mm, Lenkkopfwinkel 64 Grad, Nachlauf 90 mm
Räder:
Drahtspeichenräder, Bereifung vorn 3,25V19, hinten 4,00V18,
vorn Scheibenbremse mit Zweikolben-Zange und 296 mm Durchmesser,
hinten Trommelbremse mit 200 mm Durchmesser
Abmessungen
und Gewichte:
Länge über alles 2.250 mm, Breite 820 mm, Bodenfreiheit 150
mm, Lenkerbreite 820 mm, Lenkerhöhe 1290 mm, Sitzhöhe 820 mm,
Sitzbanklänge 660 mm, Gewicht (fahrfertig) 246 kg, zulässiges
Gesamtgewicht 385 kg, Höchstgeschwindigkeit über 200 km/h |