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50 Jahre Kultfilm Easy Rider
(1969-2019)

"Born to be wild"
(1968 by Steppenwolf)

Erinnerungen von Winni Scheibe an den Kultfilm Easy Rider 
und seine Begegnung mit Hollywood-Legende Peter Fonda
bei der Indian-Rally 2001 in Daytona Beach.

Text: Winni Scheibe
Fotos: Neue Visionen, Coleman, Scheibe, Archiv




(Peter Fonda 23. Februar 1940 - 16. August 2019)

Indian-Rally 2001 bei der Bike Week in Daytona Beach USA:
Hollywood-Superstar und Indian-Markenbotschafter 
"Captain America himself, Mr. Easy Rider" Peter Fonda.

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In den 1960er Jahren verdrehte uns Teenager die Musik von den Beatles und Co. sowie die damals aufkeimende Jugend-Revolte die Köpfe. Später kam in meiner Clique und besonders bei mir die Begeisterung und Leidenschaft für Motorräder hinzu. Motorrad fahren bedeutete für uns junge Burschen Unabhängigkeit, Freiheit, wegfahren und Abenteuer. Aber auch Ausbruch aus dem Mief der damaligen verspießten, gutbürgerlichen Gesellschaft. Wir träumten von Fahrten zu Motorradrennen und Motorradtreffen, einer Reise zur TT auf der Isle of Man und einem Trip quer durch die USA. Bis es jedoch so weit war, feierten wir Parties. Diesen Lebensstil haben wir in vollen Zügen genossen, wir platzten fast vor Selbstbewusstsein.



"Halbstarke Motorradfans" 1967:
Karlheinz (BSA A65R, schon ein echtes Bike), Winni (Kreidler, frisiert),
Helmut (Zündapp, frisiert) Peter (Honda SS50, Standard) v.l.n.r
(Foto: Dohmen)

Informationen übers Hobby waren dürftig, in den 1960er Jahren war der westdeutsche Motorradmarkt fast ausgestorben. Unsere Quellen waren Erzählungen von "Alten Hasen", DAS MOTORRAD, Fachbücher und Kinofilme. Wir hatten "Die wilden Engel" (The Wild Angels, USA, 1966) mit Peter Fonda gesehen. Es war ein Motorradfilm über Rocker auf skurril umgebauten Harleys, wilden Parties und ansonsten ganz schön schräg. Mit unseren Vorstellungen übers Motorrad fahren hatte es allerdings wenig zu tun. Mit Rockern und Choppern konnten wir damals nichts anfangen. Für uns gabs nur schnelle Sportmaschinen. Wir verehrten die Rennfahrer Mike Hailwood, Phil Read, Bill Ivy und Giacomo Agostini. Sie waren unsere Helden und Vorbilder.



Autor Winni Scheibe als 18-jähriger 1970 auf seiner sportlichen BMW R50S.

Easy Rider kam 1969 ins Kino

Damals war ich erst 17, alle meine Kumpels hatten den Film gesehen. Wau! Hat uns Easy Rider umgehauen! Er traf uns mitten ins Mark, passte in den Zeitgeist der aufmüpfigen Jugend. Genau so hatten wir uns echte Freiheit, Unabhängigkeit und Motorrad fahren, auf endlosen Highways quer durch atemberaubende Landschaften in Amerika, vorgestellt. Dazu Soundtracks von Steppenwolf, Byrds, Jimi Hendrix & Co. Wir übernahmen im Sprachgebrauch: "Morgens ein Joint und der Tag ist dein Freund", gönnten wir uns zwischendurch mal einen kleinen Schnaps, wippten wir lässig mit dem rechten Ellbogen und äfften Wyatts drogensüchtigen Beifahrer George mit (frei interpretiert) "Nick! Nick! - Nick! Nick!" nach.

Wir konnten uns mit Easy Rider voll identifizieren. Besonders auch deswegen, weil wir, ähnlich wie die beiden Filmbiker Wyatt, alias Captain America, und Billy, als junge Moped- und Motorradfahrer von Erwachsenen oftmals verspottet und beschimpft wurden. Superschlaue Neunmalkluge prophezeiten uns wilden Rasern: "Ihr fahrt euch bald den Hals ab". Für die etablierte Gesellschaft waren wir langhaarige Hippies und Gammler, ungezogene Halbstarke und Rowdies und Rocker sowieso. So einen zum Schwiegersohn hätte für viele Eltern den Weltuntergang bedeutet. Altnazis sagten uns frech ins Gesicht: "Beim Hitler hatte man euch vergast oder an die Wand gestellt". So etwas ließen wir uns natürlich nicht gefallen und prompt bekamen wir zu hören: "Wenns euch hier nicht passt, geht doch rüber, geht doch in die DDR".

Und so wirkte damals das schockierend-tragische Ende von Easy Rider überhaupt nicht abschreckend auf uns. Ganz im Gegenteil. Trotzig schworen wir, dass wir uns niemals einschüchtern und unterkriegen lassen.

Die Geschichte gab uns Recht. Motorräder, Motorrad fahren, Biker und Chopper waren schon bald salonfähig. "Born to be wild" von Steppenwolf wurde ein Welthit und zur Bikerhymne schlechthin. Einfache Biker, Geschäftsleute, Rechtsanwälte, Zahnärzte und Promis fuhren Harley-Davidson und jeder träumte ein bisschen von der US-Route 66 und Easy Rider.

Bike Week 2001, Indian-Rally und Peter Fonda


Main Street bei der Bike Week in Daytona Beach.


Zum weltgrößten Motorradtreffen zählt die Bike Week in Daytona Beach. Als Journalist, Fotograf und bekennender Motorradfahrer war ich 2001 zum xten-Mal beim Spektakel in Florida. Rund eine halbe Million Fans ziehts jedes Frühjahr zu dieser Megaparty, gut die Hälfte kommt mit Harleys angedonnert. 2001 wars etwas anders. Indian, einst Amerikas erfolgreichster Motorradhersteller und früher größter Harley-Konkurrent, feierte seinen 100. Firmengeburtstag. Das Jubiläum wurde mit einer standesgemässen Indian-Rally, brandneuen Indian-Modellen und einer Indian-Oldtimer-Parade zelebriert. Ehrengast und Indian-Markenbotschafter war kein geringerer als Hollywood-Superstar "Captain America himself Mr. Easy Rider" Peter Fonda. Etwas abseits vom Harley-Rummel in einer Parkanlage hatten die Indian-Manager die Veranstaltung organisiert. Die Atmosphäre war relaxt, kein Stress, keine Hektik. Mittendrin, gut gelaunt und charismatisch als Biker unter Bikern, Peter Fonda. Wer wollte, schüttelte ihm die Hand, ließ sich ein Autogramm geben und konnte sich mit dem VIP-Gast fotografieren lassen.



Indian feierte 2001 den 100, Geburtstag.


Für meine Berichte über den Kultfilm Easy Rider und den damaligen Zeitgeist hatte ich bereits umfangreiche Recherchen angestellt. Was allerdings in der Sammlung noch fehlte, war ein persönliches Gespräch mit Peter Fonda, Jahrgang 1940. Bereitwillig nahm er sich Zeit. Zunächst unterhielten wir uns über Gott und die Welt. Mit einem Augenzwinkern verriet mir der überzeugte Motorradfahrer dann, dass weder Indian noch Harley-Davidson seine Favoriten wären, sondern dass er ein leidenschaftlicher BMW Tourenfahrer sei. Fügte dann aber gleich mit einem verschmitzten Lachen hinzu, dass die neuen Indian-Modelle auch sehr gute Bikes wären.

Wer wollte, schüttelte Peter Fonda die Hand, ließ sich ein Autogramm geben
und konnte sich mit dem VIP-Gast fotografieren lassen.


Zum Thema Easy Rider hatte mein Filmheld von 1969 sicherlich schon 1000-mal alle Fragen beantwortet. Trotzdem, mit funkelnden Augen und emotional, genau so wie ich mir Captain America vorgestellt hatte, plauderte der bodenständige Superstar aus dem Nähkästchen. Viele meiner Informationen über Easy Rider haben sich in diesem Interview bestätigt, einiges Neue kam hinzu. Das aber wirklich Wesentliche dabei war, hier erzählte authentisch ein Zeitzeuge, der dabei war, der es selbst mitgemacht und miterlebt hatte. Peter Fonda ist Easy Rider und Easy Rider ist Peter Fonda. Kaum eine andere Begegnung hat mich so tief beeindruckt. Nun konnte ich sicher sein, dass alles, was ich über Easy Rider wusste, stimmte. Es war die Wahrheit, genau so wars!


Reportage: Kultfilm Easy Rider

"Der Weg ist das Ziel"

Amerika, das Land der unbegrenzten Freiheit, ist für viele
der Traum schlechthin. Auch Wyatt und Billy hatten so einen
Traum - er wurde allerdings zum Alptraum. Dafür wurden ihre Harleys
bald Vorbilder einer neuen Choppergeneration, "Easy Rider" brachte
es zum Kultfilm. Der Schock von damals ist längst überwunden,
Chopper-Bikes sind inzwischen salonfähig.



"Der Weg ist das Ziel"
(
Foto: Neue Visionen)


Easy Rider ist Amerika, so wie McDonalds, Hamburger, Levis, Coca Cola und Harley-Davidson. Und wer schon von Easy Rider spricht, denkt automatisch an Chopper. An exakt die beinharten Chopper, mit denen die beiden Filmhelden Wyatt und Billy Ende der 1960er Jahre ihre Freiheit erfahren wollten. Wyatt, der sich vorzugsweise Captain America nannte, hatte einen ganz besonderen Chopper. Nicht nur, dass im "Stars and Stripes" lackierten Tank röllchenweise Dollarscheine versteckt waren, das Bike war bereits damals ein Kunstwerk. Ein Unikat, eine Sonderanfertigung - keine Stangenware, nichts vom Fließband. Ursprünglich waren die beiden Film-Panheads nur als Mittel zum Zweck gedacht. Zwei Harleys in einem Reisefilm, bei dem es nicht um Start und Ziel ging, sondern der Weg war das Ziel. Die beiden kleinen Drogendealer Wyatt, alias Peter Fonda, und Billy, alias Dennis Hopper wollten bei einer Motorradtour von Los Angeles zum "Mardi Gras" in New Orleans eigentlich nur ihre Heimat, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten mit seiner grenzenlosen Freiheit, erkunden. 



Die beiden Harleys von Wyatt (Peter Fonda) und Billy (Dennis Hopper) 
wurden Vorreiter der Choppergeneration.
(
Foto: Neue Visionen)


Die Namen der legendären Westernhelden Wyatt Earp und Billy the Kid hatte man hierfür absichtlich gewählt. Schließlich sollte es ein Dokumentarfilm über Land, Leute, Natur, Freiheit, Kultur, Geschichte, Gastfreundschaft, ein bisschen von den Hippies und wer weiß was sonst noch werden. Doch daraus wurde nichts, der Trip wurde zum Alptraum und endete für die Boys im Film mit dem Tod. Der gesellschaftskritische Streifen schlug 1969 wie eine Bombe ein und wurde zum Kultfilm schlechthin. Aber nicht nur das. Die beiden Harleys von Billy und Wyatt waren plötzlich Vorbilder für eine vollkommen neue Choppergeneration. Denn kaum hatte sich herumgesprochen, mit was die Helden unterwegs gewesen waren, wurde gesägt, gebogen und geschweißt, bis man einen eigenen "Easy Rider" hatte. Denn zu kaufen gab es Chopper und solche wie im Film schon lange nicht, daran dachte Ende der 1960er Jahre keiner. Weder Honda, Yamaha, Suzuki, Kawasaki und am allerwenigsten Harley-Davidson. Warum auch? Kerle, die einen Chopper fuhren, waren keine "Zielgruppe". Sie waren eine absolute Minderheit, sie waren Individualisten, Außenseiter, Underdogs, Outlaws, und weil sie nicht so sein wollten, wie die anderen Motorradfahrer, "choppten" (frei übersetzt: abhacken) sie ihre Maschinen in Eigenregie. Hätte es aber damals bereits Fließband-Chopper gegeben, sie hätten sich bei den Händlern mit Sicherheit Plattfüße geholt.


American Way of Life

Vom Bopper zum Chopper


Bevor es Chopper gab, nannten die US-Biker ihre Feuerstühle "Bobber".

So etwa in den 1940er, 1950er Jahren waren es einige amerikanische Motorradfahrer auf ihren dicken 1340er Harleys endgültig leid, sich ständig von spritzigen 500er englischen Maschinen abhängen zu lassen. Im Vergleich mit ihren zwar ausgesprochen bequemen aber dafür viel zu schweren und auch trägen Harley-Davidson Big-Twins waren die britischen Bikes von BSA, Triumph und Norton nämlich bedeutend leichter, handlicher und schneller. Vorzugsweise in Kalifornien kamen dann pfiffige Kerle auf eine geniale Idee. Alles, was nicht unbedingt am Bike erforderlich war, wurde im Rundumschlag abmontiert. Mit diesen auf´s Wesentliche abgespeckten und teils frisierten Bobber (Der Ausdruck stammt vom "entsorgten" serienmäßigen wuchtigen Harley-Vorderradkotflügel) ließen sich nun auf freier Strecke, beim Ampelstart oder den damals populären aber auch illegalen Beschleunigungsrennen über die viertel oder halbe Meile britische Twins in sportlicher Herausforderung abledern. In der Bopper-Szene wurden bewusst Wettfahrten mit anderen Bikern provoziert. Wer als erster durch´s Ziel brauste, war Sieger, wurde wie ein Held gefeiert.

Neben diesen furchtlosen Draufgängern bildeten sich etwa zeitgleich quer durch´s Land Motorradclubs, kurz MCs. In diesen Gemeinschaften ging´s um die Leidenschaft für´s Motorrad fahren, um Kameradschaft und Freundschaft. Bei Ausfahrten im Konvoi herrschte Ordnung und Disziplin. Ganz vorne fuhr meist der Clubpräsident oder einer, der den Weg kannte. Alle anderen folgten abwechselnd rechts-links versetzt. In der Gruppe galt untereinander striktes Überholverbot. Ähnlich wie in der Bopper-Gemeinde waren auch bei den Clubmitgliedern individuelle Bike-Umbauten schwer angesagt. Sie nannten ihre Handwerkskunst "to chop", was so viel wie abhacken bedeutete. Überflüssiges Blech, Verkleidungen, Hebel und Stangen landeten auf dem Schrott. Für gemütliches Chopper-fahren wanderte der Fahrersitz möglichst tief in die Maschine, die Stiefel standen auf vorverlegten Fußrasten und die Hände umfassten einen hochgezogenen Buckelhornlenker. Zum weiteren typischen Chopper-Merkmal gehörten ein spindeldünnes Vorderrad und eine breite Hinterradwalze. Aufrecht sitzend, die Nase im Wind, kam keine Hektik auf, beschaulich bummelten die Biker auf ihren skurrilen Chopper-Maschinen 
durch die Landschaft.


US-Biker auf einem "Ur-Chopper".


"The Wild One" war Mitte der 1950er Jahre
der erste echte Motorradfilm


Die Ursprünge der Chopper- und Bikerszene basieren allerdings nicht auf "Easy Rider", sondern begannen kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Los ging es in Kalifornien. Salonfähig waren die Biker auf ihren skurrilen Feuerstühlen jedoch nicht. Ganz im Gegenteil. Am 4. Juli 1947 feierten die US-Bürger ihren Nationalfeiertag. Besonders toll trieb es eine "wilde Horde" Motorradfahrer in Hollister, ein kleines Kaff südlich von San Francisco. Es wurde gesoffen und derbe Sprüche rausgelassen. Angeblich soll es auch eine Keilerei gegeben haben. Eigentlich nichts Außergewöhnliches, schließlich kam so etwas bei fast jedem größeren Fest vor.

Doch zwei Wochen nach der Randale in Hollister erschien ein Bericht im Life-Magazin. Die Krönung des Sensationsartikels war ein Foto, das einen offensichtlich betrunkenen Biker zeigte. Für die verspießte amerikanische Gesellschaft war die Geschichte ein riesiger Skandal und jeder, der Motorrad fuhr, bekam sofort sein Fett weg. Und so darf es nicht wundern, dass fortan bei jedem kleinen Vorfall Motorradclubs, kurz MCs, in die Schlagzeilen gerieten. Ganz gleich ob "Boozefighters", "Bandidos", "Dragons", "Vargos", "Mongols" oder "Hells Angels", die Bevölkerung warf alle MCs in einen Pott. Für sie waren es böse Buben, denen man nicht von hier bis über die Straßen trauen durfte, und so einen als Schwiegersohn hätte den Weltuntergang bedeutet.


Titelstory im Life-Magazin
(Foto: Archiv)

Die MC-Mitglieder sahen es dagegen ganz anders. Für sie bedeutete der Club eine feste Gemeinschaft, für viele war der Club wie eine zweite Familie. Man hielt zusammen wie Pech und Schwefel, und bei der Maschinenwahl gab man sich großzügig. Neben Harleys wurden genauso gern Indians, Triumphs, BSAs, Nortons und sogar BMWs gefahren.


Triumphfahrer Brando in "The Wild One"
(Foto: Archiv)


Nun wäre Hollywood aber nicht Hollywood, hätte man nicht gleich aus dem Hollister-Skandal einen Film gemacht. Mitte der 1950er Jahre kam das Spektakel mit dem Titel "The Wild One" (Der Wilde) ins Kino. Die Hauptrolle spielte Marlon Brando - er fuhr allerdings keine Harley-Davidson, sondern eine Triumph. The Wild One war der erste echte Motorradfilm, oder besser gesagt Biker-Film. In den nächsten Jahren folgten andere Biker- beziehungsweise Rockerfilme. Zum Beispiel "Die wilden Engel" mit Peter Fonda.  Inzwischen saß ein Großteil der Biker auf
Harley-Choppern.


Soicchiro Honda: 
"You meet the nicest people on a Honda"

Der Motorradindustrie war dieses Biker-Image allerdings überhaupt nicht recht. Anfang der 1960er Jahre war in Amerika ein gewaltiger Motorradboom in Gang gekommen. Englische, aber auch japanische Firmen verzeichneten gewaltige Umsätze. Bereits 1959 hatte Soichiro Honda eine Werksniederlassung in Los Angeles gegründet. Mit einem rund zwei Millionen Dollar teuren Reklamefeldzug eroberte Honda die USA. Der Werbeslogan "You meet the nicest people on a Honda" ging in die Geschichte ein. 


Zwar verkaufte Honda in jener Zeit nur Mopeds und Motorräder bis maximal 305 ccm, aber auch die anderen Marken profitierten vom Imagewechsel. Die Amis schienen regelrecht motorradverrückt zu sein. Man hatte es als Freizeit-, Spaß- und Hobbyfahrzeug entdeckt. Mit dem harten Kern, den rohen, langhaarigen und schmuddeligen Bikern auf ihren Choppern, wollten die Feierabend- und Sonntagsfahrer allerdings nichts zu tun haben. Aus San Francisco schwappte die Flower-Power-Bewegung übers Land, und wer gut draufsein wollte, rauchte einen Joint.


Flitzer: Honda Cub 50
(Foto: Archiv)


Easy Rider hat im Ursprung nichts mit Motorräder zu tun



(Foto: Neue Visionen)


Vielleicht beginnt Easy Rider auch deswegen mit einem Drogengeschäft, und die beiden Hauptdarsteller sahen wie waschechte Hippies aus. Entgegen sonst üblicher Hollywood-Werke waren die rund 300.000 Dollar Film-Produktionskosten Peanuts. Um den Film überhaupt finanzieren zu können, kratzten Fonda und Hopper ihre Ersparnisse zusammen. Die Story für den Film lieferte eine wahre Begebenheit, die Dennis Hopper zufällig in einem Zeitungsartikel gelesen hatte. Irgendwo in den Südstaaten waren zwei Motorradfahrer vollkommen grundlos erschossen worden. Schnell wurde die Idee auf Papier gekritzelt, ein richtiges Drehbuch gab es nie! Der Titel hatte zunächst keinerlei Verbindung zu Motorradfahrern. Als "easy ride" bezeichnete man nämlich eine Hure, mit der alle ihr leichtes Spiel trieben, und in den Südstaaten nannte man den Geliebten einer Hure "easy rider", weil er "Es" umsonst bekam. Und genau in dieser Situation befänden sich die USA, waren sich Peter Fonda und Dennis Hopper sicher. Die Freiheit wäre zur Hure geworden, und jeder genehmige sich einen "easy ride".



(Foto: Neue Visionen)


Peter Fonda und Dennis Hopper wurden tatsächlich angepöbelt
(
Foto: Neue Visionen)


Die Menschen, denen Billy und Wyatt auf ihrem Weg nach New Orleans begegneten, wussten natürlich nichts von dem Dollarsegen aus dem Drogengeschäft im Tank. Für sie waren es zwei verlumpte und runtergekommene Biker. Typen, denen man das Hotelzimmer verweigerte und die man am besten gleich zum Teufel jagte. Wie dicht sie mit ihrem Filmstoff tatsächlich an der Realität des Lebens waren, erfuhren die beiden freundlichen und friedfertigen Harleyfahrer während der Dreharbeiten. Mehrere Male wurden Peter Fonda und Dennis Hopper tatsächlich angepöbelt und sogar bedroht. Authentisch erlebten sie das Gefühl des Störungsfaktors in einer heilen Welt.
Einen Einblick in die verlogene amerikanische Gesellschaft spiegelte die Film-Rolle von Jack Nicholson wieder. Als gut gekleideter Provinz-Anwalt George Hanson entpuppte er sich zum Alkoholiker und Marihuana-Raucher: "Morgens ein Joint und der Tag ist dein Freund...". Er brach aus seinem Alltag aus und begleitete die beiden langhaarigen Biker. Doch nicht lange. Ungeachtet seiner Person wurde er von ordnungsliebenden Bürgern hinterrücks ermordet.



Provinz-Anwalt George Hanson wurde für ein paar Meilen Biker


Anwalt Hanson: "Morgens ein Joint und der Tag ist dein Freund..." 
(2 Fotos: Neue Visionen)


Easy Rider haben Peter Fonda und Dennis Hopper aus dem Bauch heraus gedreht. Abends überlegte man sich, was am nächsten Tag in den Kasten sollte. Kulissen oder ein Bühnenbild wurden nicht gebraucht, die sagenhaft schöne Landschaft durch die Captain America und sein Kumpel Billy fuhren, gab mehr als genug her, und kleine Nebenrollen sowie Statisten engagierte man spontan und direkt vor Ort. Von Anfang bis Ende wurde improvisiert. Und trotzdem oder vielleicht deswegen wurde Easy Rider zum Erfolg, zum Supererfolg sogar, nämlich zum Kultfilm, Bikerfilm und Rockmusikfilm. Zehn Lieblingsstücke von Peter Fonda bildeten den Soundtrack. Seit Easy Rider gibt es wohl keine Bikerfete ohne Steppenwolfs "Born to be wild".


Der Bones MC war 1968 bei uns der erste echte Biker-Club

MC Bones
(Foto: Archiv Coleman)


Fast zeitgleich zu Easy Rider kamen bei uns die Chopper-Philosophie und Biker-Manie in Mode. Mode deswegen, weil alle, die meinten sie hätten Ahnung, den Choppern keine Zukunft gaben - ein gewaltiger Irrtum, heute sind gut ein Viertel aller neu verkauften Motorräder Chopper. Doch der Stein war längst ins Rollen gekommen. Seit 1968, fünf Jahre vor den "Hells Angels" in Hamburg, gab es in Frankfurt einen echt-amerikanischen Biker-Club, die "Bones". In diesem MC waren nur US-Soldaten organisiert, die fern der Heimat ihr Hobby pflegten. Genau wie bei den MC`s zu Hause trugen sie die "Colors" (Clubabzeichen) auf dem Rücken ihrer Jeansjacke. Eine übergroße Knochenhand, die auf schwarzen Stoff gestickt war. Nur einstimmig akzeptierte Bewerber wurden in den Club aufgenommen und durften dann diese Colors tragen. 

Damals war Larry Coleman "Präsident" der Frankfurter Bones. Als Larry mit einigen US-Boys die Bones gründete, ahnte sicherlich keiner von ihnen, dass der Club mal Ursprung für den Bikerkult in Deutschland werden sollte. Nicht nur, dass die Bones sich im Laufe der Jahre zu dem größten Biker-Club bei uns entwickelten, auch sind sie für viele deutsche MC`s das Vorbild. Heute ist der Club fest in deutscher Hand, die Amis sind in ihre Heimat zurückgekehrt. Geblieben ist die Erinnerung zum Ur-Chopper, die Vorbilder aus Easy Rider gingen den Jungs nicht mehr aus dem Kopf. 

Larry Coleman
Larry Coleman
(
Foto: Archiv Coleman)


Der Harley-Chopper von Wyatt im Kultfilm Easy Rider
 wurde zum Vorbild einer neuen Langgabel-Generation.

Ein Mythos, der bis heute lebt (bebt):
"Born to be wild" 



Easy Rider Nachbau von V-Triebwerk in Rietberg




Easy Rider Nachbau von Harley-Davidson Hannover


Schon bald tauchten ziemlich originalgetreue Nachbauten vom Captain Amerika Chopper auf. Meist waren es Privatleute oder kleine Werkstätten, die diesen Traum erfüllten. Das änderte sich Ende der 1990er Jahre. Peter Fonda tat sich mit CMC, California Motorcycle Company in Gilroy/Kalifornien, zusammen. Nach Vorbild des legendären Film-Choppers wurde eine für den öffentlichen Straßenverkehr zulassungsfähige Kleinserie auf Band gelegt. Wie viele CMC-Captain-America-Replikas Peter Fonda & Co. tatsächlich verkauft haben, ist nicht überliefert. Wenig später bezog dann Indian die CMC-Werkshallen in Gilroy und begann mit der Produktion brandneuer Indian-Modelle. Peter Fonda blieb mit an Bord und wurde zum Indian-Markenbotschafter ernannt.



Easy Rider US-Nachbau von CMC


Text-Archiv: Lifestyle


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