Sport


Asphalt-Cowboy Kenny "King Kenny" Roberts

"America-Starparade"

In der GP-Geschichte hat Kenny Roberts seinen festen Platz.
Als erster US-Amerikaner ergatterte "King Kenny" 1978
den 500er WM-Titel. In den beiden nächsten Jahren wiederholte
der kalifornische Asphalt-Cowboy dieses Kunststück. Den
Sturzhelm hängte der Driftkünstler Ende 1984 an den Nagel.
Dem GP-Zirkus ist Kenny Roberts als Rennmaschinenhersteller, 
Teamchef und Rennstallbesitzer weiterhin treu geblieben.

Text: Winni Scheibe
Fotos: Scheibe, Werk



Yamaha-Werksfahrer Kenny Roberts

Kommt das Gespräch auf Kalifornien, denkt man automatisch an "L.A." oder San Francisco. Städte, in denen die Post abgeht. Kaum eine andere Weltmetropole strahlt soviel Flair aus wie "Frisco". Ob Fisherman`s Wharf, China-Town oder die Golden Gate, wohl kein Besucher kann sich dieser Faszination entziehen.



Blick auf die Golden Gate und San Francisco


Es gibt aber noch ganz andere Ecken im "Golden State" Kaliforien. Gut 90 Meilen östlich von San Francisco, Richtung Sierra Nevada, in Modesto "sagen sich allerdings die Füchse gute Nacht". Im Vergleich zu europäischen Städten in dieser Größenordnung ist Modesto ein echtes Provinznest.



Roberts-Ranch

Trotzdem, Modesto war mal "weltbekannt". Wer Ende der 70er Anfang der 80er Jahre in den Rennprogrammen der Straßenweltmeisterschaft blätterte, stieß auf den Namen Kenny Roberts, Modesto/USA. Wer nach Modesto kam, um den dreifachen 500er Weltmeister von 1978, 1979 und 1980 zu besuchen, suchte jedoch vergeblich. "King Kenny" wohnt in Hickman, einem Vorort von Modesto. Aber auch diese Angabe ist äußerst unpräzise. Genau müsste es nämlich heißen,
 "Kenny-Roberts-Ranch, Cowboy District".

 

Das Fleckchen Erde, wo der Ex-Champion wohnt, oder besser gesagt residiert, liegt mitten im "Wilden Westen". Soweit das Auge reicht lebt keine Menschenseele. Und so stört es auch niemanden, was der Motorradstar auf seiner weitläufigen Ranch macht. Sollte sich aber doch mal jemand beschweren und ohne zu fragen aufs Grundstück kommen, wird er notfalls mit der Winchester in die Flucht gejagt. Wyatt Earp hat schließlich auch nicht lange gefackelt.


Roberts-Ranch


Roberts-Ranch

Die Ranch von King Kenny gilt für GP-Piloten aus aller Welt als Geheimtipp. In der Winterpause wird hier Dirt-Track gefahren. Eine Sportart, die bei uns nur wenige kennen. In den Staaten aber gehört Dirt-Track zu den beliebtesten Motorradsportarten überhaupt. Und genau aus diesem Metier kommt der Großmeister. Bevor er relativ spät erst als 27jähriger 1978 in den GP-Rennsport einstieg, war er zweifacher amerikanischer AMA-Grand-National-Champion im Dirt-Track. Die höchste Auszeichnung, die ein Driftakrobat in den Staaten erreichen kann.


M
it schweren Harleys, aber auch mit japanischen und europäischen Ein- und Zweizylinder-Maschinen wird mit atemberaubender Geschwindigkeit über ein mit Öl und Sand durchtränkten Asphalt-Oval gedüst. Nach der Geraden wird das Gas kurz zugedreht, zum Verzögern die Maschine quer gestellt, und mit gewaltigem Drift sowie mächtiger Schräglage durch die Kurve gedriftet.



Dirt-Track mit Harley-Davidson


Mit "back wheel steering" zum Champion

Als Kenny Roberts 1978 die im Dirt-Track übliche Slide-Technik im Straßenrennsport einführte, prophezeite verächtlich der damalige zweifache englische 500er-Weltmeister Barry Sheene: "Wenn der Ami mit diesem Fahrstil so weiterfährt, bleibt er nicht lange auf seiner Yamaha sitzen." Doch Suzuki-Werksfahrer, Publikumsliebling und Sonnyboy Barry Sheene sollte sich gewaltig irren. Am Ende der Rennsaison war nicht er, sondern King Kenny neuer 500er Champion! Als erster Nicht-Europäer hatte Roberts mit einer 500 ccm Vierzylinder-Zweitakt-Rennmaschine von Yamaha den begehrten Titel in der Königs-Klasse gewonnen. In den nächsten beiden Jahren wiederholte der "back wheel steering" Champion aus Kalifornien das Kunststück.



"King Kenny"
Yamaha-Werksfahrer Kenny Roberts Modesto/USA
(Foto: Werk)



"Herr im Ring - Kenny Roberts"
1978, 1979 und 1980 Weltmeister in der Königs-Klasse


Doch dann wurde es hart für den Ausnahmekönner. Suzuki hatte die Vierzylinder-Werksmaschine kräftig aufgerüstet und gewann 1981 mit Marco Lucchinelli und im folgenden Jahr mit Franco Uncini die 500er Weltmeisterschaft. 1983 kam das große Jahr für Honda und für den "außerirdischen" Freddie Spencer. Als jüngster 500er Champion aller Zeiten gewann "Fast Freddie" mit 21 Jahren in dieser Saison die Königsklasse und für Honda war es der erste 500er-Titel überhaupt. Mit nur zwei Punkten Vorsprung hatte der Lausbub aus Shreveport/Louisiana den 24fachen GP-Sieger und dreifachen Weltmeister Kenny Roberts auf den zweiten Rang verwiesen. Roberts hatte nach dieser Niederlage "die Faxsen so dicke", dass er frustriert seinen Rücktritt erklärte.



GP-Hockenheim 1981:
Randy Mamola, Kenny Roberts, Marco Lucchinelli



500er Weltmeister 1981: Marco Lucchinelli



500er Weltmeister 1983 und 1985: Freddie Spencer

Immerhin war der Star mittlerweile 32 Jahre alt und seit Jahren ununterbrochen weltweit im Grand Prix Circus unterwegs. Nun wolle er sich um seine Familie, die Ranch und sein Motorradgeschäft in Modesto kümmern, verkündete der zurückgetretene Speedprofi jedenfalls. Doch ganz so einfach gelang es dem Kalifornier nicht. Um die Kontakte zur GP-Szene nicht ganz zu verlieren, gründete er 1984 sein eigenes Racing-Team. Er engagierte den frisch gebackenen AMA-Superbike-Champion und gleich nach der Heldentat gefeuerten Kawasaki-Werksfahrer Wayne Rainey sowie den talentierten englischen Nachwuchspiloten Alan Carter. Beide Fahrer schickte Roberts in die 250er Weltmeisterschaft. WM-Neuling Wayne Rainey kam in der Endabrechnung auf den achten Platz und Alan Carter wurde neunter.



AMA-Superbike-Champion 1983:
# 68 Kawasaki-Werksfahrer Wayne Rainey



Daytona 200 Sieger 1984:
Yamaha-Werkspilot "King Kenny" Roberts

Um nicht selbst ganz aus der Übung zu kommen, beteiligte sich Roberts an einigen internationalen Rennen ohne WM-Status. Der Sieger beim 200-Meilen-Rennen von Daytona und Imola 1984, sowie bei einigen Inter-Rennen in England, hieß jedes Mal Kenny Roberts.


Team-Chef:
Kenny Roberts

Pläne, 1985 selbst wieder in die 500er WM einzusteigen, scheiterten an Sponsor-Verträgen. In diesem Jahr verabschiedete sich der Kalifornier nun endgültig von seiner aktiven Laufbahn und dachte erst einmal über seine weitere Zukunft nach. Endlich hatte er Zeit, sich noch ausgiebiger um seine Familie zu kümmern, verschiedene Dirt-Track Rennstrecken auf seiner Ranch anzulegen und ein professionelles Racing-Team aufzubauen. Mit Randy Mamola und Mike Baldwin zog der Kalifornier 1986 als Rennstallbesitzer in die 500er WM. 1988 konnte der umtriebige Teamchef Wayne Rainey und Kevin Magee als Top-Fahrer für die Königs-Klasse verpflichten.


Mit seinem Landsmann Wayne Rainey und dem Australier Kevin Magee hatte King Kenny gleich zwei viel versprechende GP-Fahrertalente im Team. Wayne Rainey schaffte einen Laufsieg in Donington und den dritten WM-Schlussrang, Kevin Magee siegte in Jarama und kam auf den vierten WM-Platz. Im nächsten Jahr konnte der sympathische Rainey Vizeweltmeister werden und Magee kam auf den fünften Platz.



Yamaha-Werksfahrer: Wayne Rainey


500er Weltmeister 1990:
Wayne Rainey
(2 Fotos: Werk)


Richtig spannend wurde es 1990. King Kenny gelang ein großer Schachzug. Nach geschickten Verhandlungen gewann er Marlboro mit 12 Millionen Dollar als Hauptsponsor. Mit diesem potenten Geldgeber im Rücken und edlem Werksmaterial von Yamaha für die 250er und 500er WM-Klasse eroberte 1990 der Egozentriker John Kocinski die 250er Weltmeisterschaft und der Kalifornische Gentleman Wayne Rainey den 500er WM-Titel. Das auf Erfolg programmierte Yamaha-Marlboro-Team vom Ex-Weltmeister bestätigte 1991 die Beständigkeit. Zum zweiten Mal hieß der 500er Champion Wayne Rainey und Kocinski landete mit der Werks-Yamaha in seiner ersten 500er Saison auf dem fünften Platz. Ein Jahr weiter sah das Bild kaum anders aus. Rainey schaffte den dritten Titel in Folge, und Kocinski verbesserte sich in der 500er WM auf den 3. Rang.



Kenny-Roberts-Ranch:
Dirt-Track-Training


Kenny Roberts hat das Siegen also nicht verlernt. Genauso professionell wie er seine drei Weltmeistertitel nacheinander unter Dach und Fach gebracht hatte, managt er als cleverer Teamchef sein Grand-Prix-Team. Nichts überließ er dem Zufall. Und wenn alle anderen Teams "Winterschlaf" hielten, flogen auf der Roberts-Ranch die Fetzen. Ob Randy Mamola, John Kocinski, Wayne Rainey, Little Kenny (Kenny Roberts ältester Sohn), oder europäische GP-Stars wie Stefan Prein, Ralph Waldmann oder Superbiker Udo Mark verbessern und trainieren ihr Fahrkönnen mit Dirt-Track auf dem Gelände von Roberts.

King Kenny verrät: "Für dieses Training benutzen wir ausschließlich nur 100 ccm Honda-Mini-Bikes, die gerademal 10 PS haben. Diese Baby-Bikes eignen sich ideal, um die Reflexe zu trainieren. Wer querstehend, driftend und schleudernd um den Kurs düst, darf sich keinen Fehler erlauben. Nimmt einer nur für einen kurzen Moment das Gas weg, verliert er den Anschluss, und die anderen sind auf und davon. Die Kunst im Dirt-Track Rennsport ist es nämlich, mit dem quer wegrutschenden Hinterrad das Bike ohne zu bremsen auf die exakt richtige Kurvengeschwindigkeit zu bringen. Mit dem linken Fuß wird hierbei die Schräglage ausbalanciert. Zum Dirt-Track Fahren gehört aber nicht nur ordentlich Mut und blitzschnelle Reaktionsfähigkeit, sondern auch perfekte Maschinenbeherrschung."

 



Dirt-Track Experte:
Kenny Roberts


Im Prinzip hätte es für Team-Chef Kenny Roberts und den dreifachen Weltmeister Wayne Rainey auch 1994 nahtlos so weiter gehen können. Alles sah danach aus. Jedenfalls bis zum 5. September 1993 beim Misano-GP in Italien. Der WM-Leader stürzte schwer, war nach dem Crash querschnittsgelähmt und für den Rest seines Lebens auf einen Rollstuhl angewiesen. Von einer Sekunde auf die Andere war eine der herausragendsten GP-Fahrerlaufbahnen beendet.

Kenny Roberts konnte trotz größten Engagement weder mit eigenen Rennmaschinen, noch als professioneller Team-Besitzer leider nie wieder an diese herausragenden Erfolge anknüpfen.
Ein großer Triumph wurde dem Speed-King aus dem kalifornischen "Cowboy District" trotzdem geschenkt. Sein Sohn Kenny Jr holte 2000 als Suzuki-Werksfahrer den 500er WM-Titel in die rennversessene  Roberts Familie zurück.


Kenny Roberts Jr



500er Weltmeister 2000:
Suzuki-Werksfahrer Kenny Roberts Jr
(Foto: Werk)



So wie wir "King Kenny" Kenny Roberts in Erinnerung haben:
Yamaha-Werksfahrer und dreifacher 500er Weltmeister


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