Nobby Clark
"Champion-Schrauber"
Nobby Clarks Tätigkeit
als Rennmechaniker brachte ihn rund um
die Welt. Zwischen 1960 und 1985
war er überall, wo ein Grand Prix
stattfand, zu Haus. Die Werksrenner
von MV Agusta, Honda, Yamaha
und Cagiva kennt er in- und
auswendig. Er
hat für Gary Hocking,
Jim Redman, Mike Hailwood, Bill Ivy, Kel
Carruthers, Hideo Kanaya,
Barry Sheene, Giacomo Agostini, Kenny Roberts, Marco Lucchinelli
und Randy Mamola gearbeitet. Alle diese Piloten haben
reihenweise
GP-Siege errungen und, außer Kanaya und Mamola, es bis zum
mehrfachen
Weltmeister gebracht. Sie sind berühmte Motorradstars
geworden und haben mit ihrem Sport sehr viel Geld verdient.
Von diesen
Lorbeeren hat Nobby Clark jedoch nichts abbekommen.
Er ist weder zum
gefragten Tuningstar aufgestiegen, noch hat er
aus seinem Wissen und Können Kapital geschlagen.
Text und Fotos: Winni Scheibe

Nobby Clark
29.09.1936 -
17.12..2017
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In den
sechziger und siebziger Jahren waren die Rennmechaniker eben die
"Schrauber", die Rennfahrer wurden wie Helden verehrt. Clarks
Arbeit spielte sich hinter den Kulissen ab. Egal, ob in den
Rennabteilungen der großen Werks-Teams, am GP-Wochenende in der Box oder
beim letzten Handgriff vor dem Start. Erst wenn das Motorrad optimal
vorbereitet war, gab er sich zufrieden. Rummel hatte der Perfektionist nie
gemocht, und daran hat sich bis heute nichts geändert.
Nobby Clark wurde 1936 in
Bulawayo/Rhodesien geboren. Während seiner Schulzeit lernte er Gary
Hocking kennen, beide wurden dicke Freunde. Sie hatten das gleiche Hobby:
Motorräder und Rennsport, und beide träumten von Europa. Hocking
verwirklichte zuerst diesen Traum. Er wurde südafrikanischer Meister,
packte 1959 seine Siebensachen und machte sich mit 20 Dollar in der Tasche
auf den Weg nach Europa. Nahtlos setzte er seine Rennfahrerkarriere fort.
Nach guten Resultaten bekam er für 1960 von MV Agusta einen
Werksvertrag. Ende der Saison 1960 flog er kurz nach Rhodesien und
engagierte Nobby Clark als seinen persönlichen Mechaniker. "Es war aber
alles ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte", erinnert sich
Nobby Clark. "Die Leute im MV-Team waren eine eingeschworene Familie,
und ich war in der Mechaniker-Crew der einzige Nicht-Italiener. Es dauerte
sehr lange, bis sie mich akzeptierten. Gary hielt in dieser Zeit
allerdings fest zu mir."
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Robert Iannucci und Nobby Clark
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1961 schafften es die
beiden. Gary Hocking wurde mit den MV-Werksmaschinen in der 350er- und der
500er-Klasse Weltmeister! Nach dem tödlichen Unfall von Hockings
Rennfreund Tom Phillis verließ der zweifache Champion MV Augusta, kehrte
in seine Heimat zurück – und Nobby Clark war seinen Job los.
Die wirtschaftliche
Situation in Rhodesien war jedoch schlecht, und Clark musste eine üble
Arbeit in einer Kupfermine annehmen. Neben Gary Hocking gab es in
Rhodesien einen weiteren berühmten Rennfahrer: Jim Redman. Er war bei Honda
für die 250er- und 350er-Klasse unter Vertrag. Der Werksfahrer kannte
Nobby Clark und ermöglichte ihm den Sprung ins Honda-Team. In diesem Jahr
war das Trio Honda-Redman-Clark unschlagbar: Ende der Saison 1962 war Jim
Redman 250er und 350er Weltmeister! "Honda war mit meiner Arbeit sehr
zufrieden. Mein Vertrag wurde verlängert, und bis zur nächsten Saison
bekam ich die Gelegenheit, in der Honda-Entwicklungsabteilung zu
arbeiten", erzählt der gut japanisch sprechende Clark nicht ohne
Stolz.
In den nächsten drei
Jahren war Clark in erster Linie für seinen Landsmann zuständig. 1963
wurde Redman in der 250er- und 350er-Klasse Weltmeister. In den beiden
nächsten Jahren reichte es bei den 250ern "nur" zum Vize, dafür
gab es den Titel in der 350er-Klasse! "Ende 1964 war Phil Read mit
seiner Zweitakt-Werks-Yamaha unser stärkster Gegner. Für Honda stand es
allerdings nie zur Diskussion, ein Rennmotorrad mit Zweitakt-Triebwerk zu
bauen", beschreibt Clark die damalige Situation. "Und so wurde fast
über Nacht die 250er RC164 mit Sechszylindermotor auf die Räder
gestellt. Als wir im Herbst 1964 den Werksrenner in Monza an den Start
brachten, fielen die Yamaha-Leute aus allen Wolken. Die Überraschung war
geglückt. Doch mit dieser Maschine hatten wir zunächst große technische
Probleme. Erst 1966 war sie standfest. Wieder im Team war ab diesem Jahr
Mike Hailwood. Ihn hatte Honda für die 250er- und die 350er-Klasse
engagiert.
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Jim Redman sollte sich
auf die 500er-Klasse konzentrieren. Alles weitere steht im
Geschichtsbuch. 1966 und 1967 gewann "Mike the bike" die 250er und
350er Weltmeisterschaft auf der legendären Sechszylinder-Honda. Ende 1967
zog sich das japanische Multiwerk aus dem GP-Rennsport zurück. Clark
musste sich wieder einen neuen Job suchen. Da Honda sich nicht mehr im
Rennsport engagierte, gab es beim Wechsel ins Yamaha-Lager für Clark
keine Probleme. Inzwischen hatte er gute Kontakte zu Kel Carruthers, und
ab 1970 war er für den 250er Yamaha-Werksfahrer zuständig. Die nächsten
13 Jahre blieb der Rhodesier im Yamaha-Rennstall. In dieser Zeit schraubte
der Pfiffikus für Hideo Kanaya, der als erster japanischer Rennfahrer
einen 250er-GP-Lauf auf dem Nürburgring gewann, für Barry Sheene,
Giacomo Agostini und ab 1978 für Kenny Roberts.
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In dieser Saison gewann
"King
Kenny" als erster Amerikaner die 500er Weltmeisterschaft. 1979 und
1980 wiederholte der US-Boy diesen Streich. "1981 und 1982 verloren wir
den Titel an Suzuki. 1983 wurde Kenny von dem erst 21jährigen GP-Neuling
Freddie Spencer geschlagen. Freddie gewann für Honda den ersehnten ersten
500er-Titel. Diese Niederlage hat Roberts jedoch nicht verkraftet und
hängte am Ende der Saison seinen Sturzhelm an den Nagel", erzählt
Clark weiter. Auch für den Rennmechaniker ging hiermit eine lange und
gute Zusammenarbeit zu Ende. Doch schon warteten neue Aufgaben. Cagiva
suchte für das 500er GP-Team einen qualifizierten Techniker. Als Pilot
hatte das Werk aus Varese den 500er Weltmeister von 1981 Marco Lucchinelli
unter Vertrag. "Lucchinelli hatte nur Faxen im Kopf, die Mechaniker
dachten nur ans Essen und Trinken, und die Entwicklung der Rennmaschine
hing immer um Wochen hinterher", erinnert sich Clark. Bis Ende 1984
hielt es der Perfektionist bei Cagiva aus. Längst hatte er seine alten
Beziehungen zu Honda aufgefrischt und wurde 1985 für den talentierten
amerikanischen Rennfahrer Randy Mamola tätig.
"Abgesehen von dem
riesigen High-Tech-Aufgebot, vermisste ich die mir so gut bekannte
japanische Mentalität. Früher war man jeder Neuerung aufgeschlossen; was
technisch machbar war, wurde ausprobiert. Inzwischen hatten sie aber viele
westliche Eigenschaften angenommen. Anstatt vor die Tür zu treten, um
selbst zu erleben, was in der Welt los ist, wurde sich einfach bequem vor
den TV-Apparat gesetzt." Aber nicht nur mit dieser Situation hatte
Clark Probleme. Von Jahr zu Jahr wurde es für den Süd-Afrikaner immer
schwieriger, die entsprechenden Auslands-Visa zu bekommen.
1986 ging gar nichts mehr.
Die Behörden hatten die Wartezeit für die Erteilung der erforderlichen
Papiere auf 18 Monate festgesetzt. Nach 25 Jahren "Vagabundenleben"
im GP-Zirkus beschloss Clark, in seiner Heimat zu bleiben und fand Arbeit
in einer Autowerkstatt – bis Ende 1993 das Telefon klingelte. Der
Anrufer aus New York brauchte Informationen über eine 30 Jahre alte
kaputte Honda RC164...
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Story: Honda
RC164
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