Portrait


Portrait: Nobby Clark

"Champion-Schrauber"

Nobby Clarks Tätigkeit als Rennmechaniker brachte ihn rund um die Welt.
Zwischen 1960 und 1985 war er überall, wo ein Grand Prix stattfand, zu Haus.
Die Werksrenner von MV Agusta, Honda, Yamaha und Cagiva kennt er in- und
auswendig. Er hat für Gary Hocking, Jim Redman, Mike Hailwood, Bill Ivy,
Kel Carruthers, Hideo Kanaya, Barry Sheene, Giacomo Agostini, Kenny Roberts,
Marco Lucchinelli und Randy Mamola gearbeitet. Alle diese Piloten haben reihenweise GP-Siege errungen und, außer Kanaya und Mamola, es bis zum mehrfachen Weltmeister gebracht. Sie sind berühmte Motorradstars geworden
 und haben mit ihrem Sport sehr viel Geld verdient. Von diesen Lorbeeren hat
Nobby Clark jedoch nichts abbekommen. Er ist weder zum gefragten Tuningstar aufgestiegen, noch hat er aus seinem Wissen und Können Kapital geschlagen.


Text&Fotos: Winni Scheibe



In den sechziger und siebziger Jahren waren die Rennmechaniker eben die "Schrauber", die Rennfahrer wurden wie Helden verehrt. Clarks Arbeit spielte sich hinter den Kulissen ab. Egal, ob in den Rennabteilungen der großen Werks-Teams, am GP-Wochenende in der Box oder beim letzten Handgriff vor dem Start. Erst wenn das Motorrad optimal vorbereitet war, gab er sich zufrieden. Rummel hatte der Perfektionist nie gemocht, und daran hat sich bis heute nichts geändert. 
Clark wurde 1936 in Bulawayo/Rhodesien geboren. Während seiner Schulzeit lernte er Gary Hocking kennen, beide wurden dicke Freunde. Sie hatten das gleiche Hobby: Motorräder und Rennsport, und beide träumten von Europa. Hocking verwirklichte zuerst diesen Traum. Er wurde südafrikanischer Meister, packte 1959 seine Siebensachen und machte sich mit 20 Dollar in der Tasche auf den Weg nach Europa. Nahtlos setzte er seine Rennfahrerkarriere fort. Nach guten Resultaten bekam er für 1960 von MV Agusta einen Werksvertrag. Ende der Saison 1960 flog er kurz nach Rhodesien und engagierte Nobby Clark als seinen persönlichen Mechaniker. "Es war aber alles ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte", erinnert sich Nobby Clark. "Die Leute im MV-Team waren eine eingeschworene Familie, und ich war in der Mechaniker-Crew der einzige Nicht-Italiener. Es dauerte sehr lange, bis sie mich akzeptierten. Gary hielt in dieser Zeit allerdings fest zu mir."



Robert Iannucci und Nobby Clark


1961 schafften es die beiden. Gary Hocking wurde mit den MV-Werksmaschinen in der 350er- und der 500er-Klasse Weltmeister! Nach dem tödlichen Unfall von Hockings Rennfreund Tom Phillis verließ der zweifache Champion MV Augusta, kehrte in seine Heimat zurück – und Nobby Clark war seinen Job los. 
Die wirtschaftliche Situation in Rhodesien war jedoch schlecht, und Clark musste eine üble Arbeit in einer Kupfermine annehmen. Neben Gary Hocking gab es in Rhodesien einen weiteren berühmten Rennfahrer: Jim Redman. Er war bei Honda für die 250er- und 350er-Klasse unter Vertrag. Der Werksfahrer kannte Nobby Clark und ermöglichte ihm den Sprung ins Honda-Team. In diesem Jahr war das Trio Honda-Redman-Clark unschlagbar: Ende der Saison 1962 war Jim Redman 250er und 350er Weltmeister! "Honda war mit meiner Arbeit sehr zufrieden. Mein Vertrag wurde verlängert, und bis zur nächsten Saison bekam ich die Gelegenheit, in der Honda-Entwicklungsabteilung zu arbeiten", erzählt der gut japanisch sprechende Clark nicht ohne Stolz. 

In den nächsten drei Jahren war Clark in erster Linie für seinen Landsmann zuständig. 1963 wurde Redman in der 250er- und 350er-Klasse Weltmeister. In den beiden nächsten Jahren reichte es bei den 250ern "nur" zum Vize, dafür gab es den Titel in der 350er-Klasse! „Ende 1964 war Phil Read mit seiner Zweitakt-Werks-Yamaha unser stärkster Gegner. Für Honda stand es allerdings nie zur Diskussion, ein Rennmotorrad mit Zweitakt-Triebwerk zu bauen", beschreibt Clark die damalige Situation. "Und so wurde fast über Nacht die 250er RC 164 mit Sechszylindermotor auf die Räder gestellt. Als wir im Herbst 1964 den Werksrenner in Monza an den Start brachten, fielen die Yamaha-Leute aus allen Wolken. Die Überraschung war geglückt. Doch mit dieser Maschine hatten wir zunächst große technische Probleme. Erst 1966 war sie standfest. Wieder im Team war ab diesem Jahr Mike Hailwood. Ihn hatte Honda für die 250er- und die 350er-Klasse engagiert.

Jim Redman sollte sich auf die 500er-Klasse konzentrieren. Alles weitere steht im Geschichtsbuch. 1966 und 1967 gewann "Mike the bike" die 250er und 350er Weltmeisterschaft auf der legendären Sechszylinder-Honda. Ende 1967 zog sich das japanische Multiwerk aus dem GP-Rennsport zurück. Clark musste sich wieder einen neuen Job suchen. Da Honda sich nicht mehr im Rennsport engagierte, gab es beim Wechsel ins Yamaha-Lager für Clark keine Probleme. Inzwischen hatte er gute Kontakte zu Kel Carruthers, und ab 1970 war er für den 250er Yamaha-Werksfahrer zuständig. Die nächsten 13 Jahre blieb der Rhodesier im Yamaha-Rennstall. In dieser Zeit schraubte der Pfiffikus für Hideo Kanaya, der als erster japanischer Rennfahrer einen 250er-GP-Lauf auf dem Nürburgring gewann, für Barry Sheene, Giacomo Agostini und ab 1978 für Kenny Roberts.

 



In dieser Saison gewann "King Kenny" als erster Amerikaner die 500er Weltmeisterschaft. 1979 und 1980 wiederholte der US-Boy diesen Streich. "1981 und 1982 verloren wir den Titel an Suzuki. 1983 wurde Kenny von dem erst 21jährigen GP-Neuling Freddie Spencer geschlagen. Freddie gewann für Honda den ersehnten ersten 500er-Titel. Diese Niederlage hat Roberts jedoch nicht verkraftet und hängte am Ende der Saison seinen Sturzhelm an den Nagel", erzählt Clark weiter. Auch für den Rennmechaniker ging hiermit eine lange und gute Zusammenarbeit zu Ende. Doch schon warteten neue Aufgaben. Cagiva suchte für das 500er GP-Team einen qualifizierten Techniker. Als Pilot hatte das Werk aus Varese den 500er Weltmeister von 1981 Marco Lucchinelli unter Vertrag. "Lucchinelli hatte nur Faxen im Kopf, die Mechaniker dachten nur ans Essen und Trinken, und die Entwicklung der Rennmaschine hing immer um Wochen hinterher", erinnert sich Clark. Bis Ende 1984 hielt es der Perfektionist bei Cagiva aus. Längst hatte er seine alten Beziehungen zu Honda aufgefrischt und wurde 1985 für den talentierten amerikanischen Rennfahrer Randy Mamola tätig. 
"Abgesehen von dem riesigen High-Tech-Aufgebot, vermisste ich die mir so gut bekannte japanische Mentalität. Früher war man jeder Neuerung aufgeschlossen; was technisch machbar war, wurde ausprobiert. Inzwischen hatten sie aber viele westliche Eigenschaften angenommen. Anstatt vor die Tür zu treten, um selbst zu erleben, was in der Welt los ist, wurde sich einfach bequem vor den TV-Apparat gesetzt." Aber nicht nur mit dieser Situation hatte Clark Probleme. Von Jahr zu Jahr wurde es für den Süd-Afrikaner immer schwieriger, die entsprechenden Auslands-Visa zu bekommen. 

1986 ging gar nichts mehr. Die Behörden hatten die Wartezeit für die Erteilung der erforderlichen Papiere auf 18 Monate festgesetzt. Nach 25 Jahren "Vagabundenleben" im GP-Zirkus beschloss Clark, in seiner Heimat zu bleiben und fand Arbeit in einer Autowerkstatt – bis Ende 1993 das Telefon klingelte. Der Anrufer aus New York brauchte Informationen über eine 30 Jahre alte kaputte Honda RC164...



Story: Honda RC164

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