Motorrad-Marken


Münch-Bazillus

Es gibt Krafträder, die hinterlassen einen unvergesslichen
Eindruck. Die Münch "Mammut" ist so eine Maschine.
Seit 1966 beschäftigt sie die Gemüter.

Von Winni Scheibe
Fotos: Winni Scheibe, Archiv-Dohmen, Archiv-Münch, Archiv-Scheibe


Interviewtermin im Frühjahr 1990
Winni Scheibe und Friedel Münch
(Foto: Archiv-Scheibe)


Mitte der Sechziger drehte sich die Welt plötzlich anders. Nichts schien mehr so, wie es einmal war. Jugendliche ließen sich die Haare lang wachsen, trugen verwaschene US-Parkas und Blue Jeans, hörten Beat-Musik, tapezierten die Zimmerwände mit Postern ihrer Pop-Idole und Motorradprospekten. Die wilde Generation gab Widerworte, ließ sich nichts gefallen. Schuld waren die Beatles. Ihre Hits verdrehten die Köpfe der Teenager: "All you need is Love!". Nichts half dagegen, weder Schimpfe noch Strafe, noch Zureden oder gute Worte, "Hopfen und Malz" war verloren. So jedenfalls die Eltern...



"Halbstarke um 1967"
Karlheinz, Winni, Helmut, Peter
(Foto: Archiv-Dohmen)


V
on Krädern, bei uns gerade noch Fortbewegungsmittel Nummer eins, wollte keiner mehr etwas wissen. Der erste Kleinwagen stand vor der Tür, es folgte ein VW Käfer, später ein Opel Rekord. Das Fernsehen eroberte das Wohnzimmer, den Urlaub verbrachte man in Italien. Dabei war Deutschland vor kurzem weltgrößter Zweiradhersteller, die Neckarsulmer, eben noch Marktführer, brachten es auf den Punkt: "...NSU wird nie wieder Motorräder bauen, die Zukunft gehört dem Auto...".
Und genau in dieser Zeit begann Friedel Münch seine Mammut mit dem NSU-Vierzylinder-Automotor zu bauen.



Traumbike der 1960er und 1970er Jahre:
Münch-4 TTS 1200

Wer sich damals für Motorräder interessierte, gehörte zu einer Minderheit. Dafür war die Gemeinschaft draußen auf der Straße umso größer, man hielt zusammen wie Pech und Schwefel. Kamen sich Motorradfahrer entgegen, hob man zum Gruß die Hand. Aber meist blieb man stehen, um ausgiebig "Benzin" zu reden. Die Zeit der Beatles und die damalige Motorradfahrerei hatten viel gemeinsam. Beatfans mussten ihre langmähnige Weltanschauung erklären, die Jugend motzte auf, jeden Tag wurden neue Erfahrungen gemacht, ständig etwas Neues durchgeboxt und immer und überall diskutiert, über Gott und die Welt, schließlich gab es ja so viel zu verbessern.


Anfang 1967 auf der BSA A65 Rocket
von Motorradfreund Karlheinz.
16jährig und schon vom Motorradbazillus befallen...
(Foto: Dohmen)

Wer Motorrad fuhr, wurde von der Gesellschaft als "armes Schwein" oder Verrückter abgestempelt. Den Motorradfahrern war das aber egal. Sie wussten genau, was sie machten und was sie wollten, ihr Geld steckten sie ins Hobby. Mit Autos hatten sie nichts am Hut, von der verspießten Vierradmasse wollten sie sich abheben. Es gab eine gewaltige Auseinandersetzung zwischen Alt und Jung. Die Jugend hatte plötzlich neue Ideale: Die Beatles machten Revolution und das völlig gewaltfrei! Motorradfahrer hörten Rock ’n’ Roll, schwärmten für schwere Maschinen, fuhren zum Elefantentreffen, besuchten Rennveranstaltungen, verehrten die GP-Stars Mike Hailwood, Jim Redman, Phil Read und Giacomo Agostini.

Genau das war meine Welt. Der "Motorradbazillus" saß tief. Kaum 18 Jahre alt, stand im Herbst 1969 eine BSA A65SS Spitfire Mk IV Special in der Garage. Danach eine BMW R50S, wenig später die neue BMW R75/5. 1972 folgte meine Traummaschine, die Münch-4 TTS 1200. Mit der Mammut war ich viel unterwegs. Wartungs- und Pflegearbeiten wurden selbst erledigt, zum Ersatzteilnachschub ging’s einige Male nach Altenstadt ins Werk. Bei dieser Gelegenheit lernte ich Friedel Münch kennen und schätzen.


Mit dem BMW R50S-Gespann
1971 zum Elefantentreffen



Winni Scheibe und Meister Friedel Münch im Sommer 1972
(Foto: Archiv-Münch)


Für mich war die Mammut eine gewaltige Herausforderung


Münch-4 TTS 1200 von Winni Scheibe im Sommer 1972
Ein von 478 gebauten Mammuts, Rahmennummer 132, Baujahr 1971


Für mich war die Mammut damals eine gewaltige Herausforderung: fahrerisch und technisch. Motorräder, die mit zwei Personen besetzt und dazu mit Gepäck voll bepackt über 200 Sachen rannten, gab es bis dahin schließlich noch nicht. Die Fahrleistungen der Mammut waren einzigartig, mit nichts vergleichbar, die Straßenlage tadellos und die Bremsanlage eine Wucht. Wer mit ihr volles Rohr fuhr, bewegte sich in Geschwindigkeitsbereichen zwischen 180 und 210 km/h, in die Motorradfahrer auf öffentlichen Straßen noch kaum vorgedrungen waren. Und dieser Spaß war sogar legal, das "100-km/h-Speedlimit" auf deutschen Land- und Bundesstraßen war nämlich erst ab Herbst 1972 gültig.

Knapp ein Jahr fuhr ich die Mammut, spulte rund 20.000 km ab, dabei hat sie mich nie im Stich gelassen. Nur manchmal gab’s Probleme. Immer dann, wenn es nach einem Stopp weitergehen sollte. Mal waren es Schaulustige, ein anderes Mal interessierte Fans. Nur die Fragen waren immer wieder dieselben: wie schwer, wie schnell, wie viel PS und wie teuer. Mit der Münch machte man keine Schau, sie war die Schau! Später habe ich Vergleichbares nur noch mit Harleys erlebt.


Münch-4 TTS 1200
Sommer 1972, Cromwell-Helm, M-Lenker, Harro-Kombi, Elefantenboy und unterwegs
eigentlich immer Vollgas


Wenn Gestern heute wird

Später kann auch heute heißen. Mein Münch-Abenteuer liegt inzwischen viele Jahre  zurück, trotzdem werde ich in meiner Heimat immer wieder angesprochen und gefragt: "Hast du die Münch noch?". So gewaltig die Mammut damals wirkte, so fest hat sie sich ins Gedächtnis eingebrannt. 1979 kam ich in die MO-Redaktion, aus dem Hobby wurde Beruf. Mein erster Testbericht in MO erschien Ende 1979 über die Henke-Münch, kurz bevor die Produktion der sagenumwobenen Mammut eingestellt wurde. Der Titel: "Ich habe Respekt vor diesem Ungetüm".



Ausgabe MO 12/1979

Gut zehn Jahre später feierte Friedel Münch mit vielen Mammutfans das 25jährige "Münch-Jubiläum". Dieses Ereignis weckte 1990 viele Erinnerungen und spornte mich an, eine Reihe von Artikeln in Fachmagazinen über diesen außergewöhnlichen Konstrukteur und seine Maschinen zu schreiben, die "Münch Buch-Idee" war bald geboren.


"Das Münch-Buch"



Winni Scheibe mit Wilhelm Groh bei seinem "Friedel Münch Museum"


Münch-Revival

Im Laufe der nächsten Zeit knüpfte ich Kontakte zum Münch-4-Club, lernte Wilhelm Groh kennen, und mit Herausgeber Helmut Krings fand sich für mein Münch-Buch-Projekt ein kompetenter Partner.



Wilhelm Groh 1996 mit seiner "Mammut Herde"


Bereits seit Herbst 1994 ließ sich eine beachtliche Mammut-Sammlung in Wilhelm Grohs "Friedel Münch Museum" bestaunen, die mittlerweile in einer beachtlichen Ausstellungshalle untergebracht ist. Das Interesse an den legendären Münchs wurde von Jahr zu Jahr größer, ein richtiges Mammut-Revival war ausgebrochen. Der Münch-4-Club organisierte fantastische Jahrestreffen, Ehrengast bei der Mammutfete war jedes Mal Friedel Münch. Aber es sollte noch viel besser kommen. Der Würzburger Unternehmer Thomas Petsch startete eine Neuauflage des Superbikes unter der Modellbezeichnung "Münch Mammut 2000", und plötzlich sprach alle Welt wieder von der Münch. Auch das Fernsehen war aufmerksam geworden. Marcus Fischötter drehte für die ARD den Dokumentarfilm "Der Mammut-Mann". Ein Bericht, der zur besten Sendezeit ausgestrahlt wurde und seither immer mal wieder in den regionalen Sendern zu sehen ist. 



Münch-Mammut-2000
Thomas Petsch, Friedel Münch, Wilhelm Groh

Die Geschichte von Friedel Münch und Thomas Petsch in einen Unterhaltungsfilm zu verpacken, 
gelang Tobias Heilmann. 
Sein Streifen 
"Das Mammut kehrt zurück"
 
verdient das Prädikat "besonders wertvoll".


DVD



Friedel Münch
(Foto: Werk)

Alle Aktivitäten, ganz gleich ob Sammlerleidenschaft, Club-Szene, Berichte
und Filme, beschreiben und würdigen das Schaffen des genialen Tüftlers, Konstrukteurs und Motorradherstellers Friedel Münch. Es sind Geschichten
über einen Mann, bei dem Motorräder zeitlebens im Mittelpunkt standen und bis
heute stehen. Mit der Münch-4 begann die moderne "Big-Bike" Ära. Die "Mammut" wurde zum Meilenstein in der Motorradgeschichte, und sie ist ein technisches Kulturgut in der deutschen Zweiradhistorie.


Text-Archiv: Münch


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