Einmalige BSA-Métisse 750 Rocket3
Video-Story
BSA-Métisse
For
Sale -Angebot
"Mein Traumbike"
Im Sommer 1968 testete Motorradpapst
Ernst "Klacks" Leverkus
in der Schweiz eine
englische
Spezialmaschine.
Kompromisslos war
die Triumph-Métisse als reinrassiges Sportmotorrad
konzipiert. Beim besten Willen, heute könnte ich
nicht mehr sagen, wie oft ich damals, gerademal
16jährig, diesen Fahrbericht gelesen
habe. Genau die wars: mein
"Traummotorrad".
Einige Jahre später konnte ich zufällig
einen Métisse-Rahmen-Kit kaufen und
bald schon röhrte ein BSA Rocket3 Motor
im exklusiven, vernickelten Café-Racer
Chassis.
Text: Winni Scheibe
Fotos: Wolfgang Fromm, Peter Frohnmeyer,
Tina Bastian, Archiv-Scheibe,
Zeichnungen Werk, Zeitungsausriss DAS MOTORRAD Heft13/1968.
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Café-Racer Kult: BSA-Métisse 750 Rocket3
vom Autor Winni Scheibe
Junge englische Kerle der 1960er und 1970er Jahre, die sportliche Bikes
fahren wollten, bauten
ihre Serienmotorräder nach Vorbild erfolgreicher Rennmaschinen um.
Stummellenker, Sporttank, Rennhöcker, hintenliegende Fußrasten und ein
Rennauspuff machten aus dem Biedermann einen scharfen Street-Racer. In
der Königsdisziplin wurden reinrassige Racer mit Lichtanlage und
Schalldämpfer für den öffentlichen Straßenverkehr
"legalisiert". In der
Café-Racer Szene blieb kein Auge trocken, es wurde geheizt, bis der
Asphalt glühte.
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Traumbike 1968:
Triumph-Métisse mit 47
PS starkem
650er Bonneville-Triebwerk.
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(Zeitungsausriss DAS MOTORRAD
Heft13/1968)
Für uns junge Burschen war
damals in den 1960er Jahren DAS MOTORRAD die Bibel und Testchef Ernst
"Klacks" Leverkus unser Motorradpapst. Was im damals einzigen
Fachblatt am Markt zu lesen und auf Bildern zu bewundern war, wurde von
uns verschlungen und heiß diskutiert. Wir Motorradnovizen wollten alles
wissen und wollten mitreden. |
Und dann brachte "Klacks" im Sommer 1968 den Fahrbericht von der
Métisse-Bonneville von Otto von Arx aus der Schweiz. Euphorisch
beschrieb "Klacks" in seiner einzigartigen Schreibweise das
rassige Aussehen des direkt von der Rickman-Rennmaschine abstammenden
Straßenflitzers. Er charakterisierte bildlich, so dass wir Leser das
Gefühl hatten selbst mit dem Motorrad zu fahren, die rennsportliche Sitzposition,
lobte die guten Fahreigenschaften und die tadellose Straßenlage und
schrieb ehrfurchtsvoll von einer Höchstgeschwindigkeit von 180 Stundenkilometern.
Sein Bericht ging mir damals wie Öl runter. "Klacks" dämpfte aber
auch gleich alle Erwartungen. Die Rickman-Manufaktur hätte in
Deutschland weder einen Importeur noch Vertragshändler, bei dem es die
exklusive britische Sportmaschine zu kaufen gäbe. Auch bezweifelte der
gewiefte Motorradtester, dass der Roadracer bei uns TÜV bekommen würde
und dann war da noch der stattliche Preis für das Traumbike von 8000
Mark. In meiner Phantasie stand die Métisse aber bereits vor der
Haustür - Träumerei kostet ja schließlich nix... |
Wer
kann sie nicht gleich reihenweise aufzählen, die ach so unerreichbaren
Traummotorräder. Die seltenen, exklusiven und teuren Edelmaschinen vom
Schlage einer MV Agusta 750S, Vincent 1000 Black Shadow, Brough Superior
SS100, Münch-4 TTS 1200, Ducati 750SS Königswelle, Egli-Kawasaki oder
Triumph-Métisse. Als ich mit 16 Jahren begann, mich für Motorräder zu
interessieren, war neben den klassischen englischen Twins die
Triumph-Métisse 650 Bonneville meine Traummaschine. Dieser Träumerei
blieb ich irgendwie treu. Immer, wenn in Benzingesprächen die Frage
nach meinem Favoriten gestellt wurde, lautete die Antwort:
Triumph-Métisse.
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(Zeitungsausriss DAS MOTORRAD
Heft13/1968)
"Klacks" fuhr im Sommer 1968
exklusiv für DAS MOTORRAD
die Métisse vom Schweizer Triumph-Importeur
Otto von Arx.
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Den Fahrbericht von "Klacks" hatte ich so oft
gelesen, dass ich ihn auswendig kannte. Aber noch öfter hatte ich das Fahrbild
angeschaut. In den 1960er Jahren waren Moped- und Motorradfahrer meist
ohne Helm und nur im Parka unterwegs. Wer bereits
Sturzhelm und Lederbekleidung trug, wurde von den "echten
Fahrersleuten" geringschätzig als "verrückter Rennfahrer"
verspottet. Zwar war ich mit 16 noch grün hinter den Ohren, aber genau
das wollte ich mal werden, wie auf dem Bild, ein richtiger Motorradfahrer auf einer
schnellen Métisse...
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Tja, und dann begegnete ich
Mitte der 1970er Jahre Helmut Stadler aus Passau. Ein
Métisse-Rahmen stände bei ihm im Keller, ließ er mich wissen. Schnell
wurden wir uns handelseinig und der allerdings nicht vollständige
Chassis-Bausatz kam in meinen Besitz.
Ehrlich gesagt, viel wusste ich damals, außer dem von mir hoch
geschätzten Métisse-Bericht von "Klacks" über die englischen Rickman-Maschinen nicht. Aber auch kein
Wunder. Mitte der 1970er Jahre war die eben noch weltberühmte britische
Motorradindustrie pleite und mausetot. Keiner wollte noch etwas von BSA,
Triumph und Norton wissen. Im Fokus der damals motorradbegeisterten
blutjungen Kerle standen starke, schnelle und zuverlässige, neumoderne,
japanische Feuerstühle von Honda, Yamaha, Suzuki und Kawasaki und bei
Individualisten italienische Maschinen von Benelli, MV Agusta, Ducati, Moto Guzzi
und Moto Morini.
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The Brothers
Nach und nach kniete ich mich in die Rickman-Historie,
hatte bald ein fundiertes Grundwissen. Berühmt wurden
"The
Brothers",
Don und Derek Rickman, in den 1950er Jahren
mit ihrer Offroad-Métisse und Mitte
der 1960er Jahre mit der
Street-Métisse. Weltweit war dieser
bestechende Café-Racer
1966 das erstes Straßenbike mit Scheibenbremsen.
"The Brothers":
Derek und Don Rickman
(Foto: Werk)
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In den 1950er Jahren zählte Donald "Don"
Rickman zu den erfolgreichsten englischen Moto Cross Rennfahrern.
Gemeinsam mit seinem Bruder Derek baute er seine eigene
Wettbewerbsmaschine zusammen. Das Schema war pfiffig ausgedacht, die
besten Bauteile von verfügbaren Maschinen waren in einem Motorrad
vereint. Eine Mixtur aus BSA Goldstar-Rahmen, frisiertem 500er Triumph
Viertakt-Twin und Norton Roadholder-Telegabel. Was die beiden
Konstrukteure sonst noch so brauchten, hatten sie selbst gemacht. Tank,
Radabdeckungen, und Sitzbankunterbau entstanden aus damals hochmodernen
superleichtem, glasfaserverstärktem Kunststoff, kurz: Gfk. Auch der
Name für ihren Moto Cross Mischling war schnell gefunden. Bastard
hätte zwar gut gepasst, doch diese Bezeichnung klang ihnen viel zu
negativ. Im französischen Wörterbuch fanden sie für Mischling oder
Bastard den Ausdruck métisse. Das war´s, ein neuer Markenname war
gefunden!
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Moto Cross Champion Don Rickman
(Foto: Werk)
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Die Kombination Don Rickman und seine
Eigenbau-Métisse waren schier unschlagbar. Fünfzig erste Plätze in
Serie, einschließlich der GP-Siege 1959 in Belgien und 1960 in
Frankreich bewiesen auf internationalem Parkett die hohe Qualität der
britischen Offroad-Métisse. Schon bald wollte das halbe Fahrerfeld eine Métisse
Cross-Replika haben. Da sich aber kaum so viele einzelne BSA-Rahmen,
Triumph-Motoren und Norton-Gabeln für eine Kleinserie auftreiben
ließen, kamen die cleveren Brothers auf eine geniale Idee. Sie
beschlossen ein komplettes Fahrwerks-Kit zu bauen. Welcher Motor vom
Käufer eingebaut wurde, konnte jeder für sich selbst entscheiden.
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Moto Cross Rennmaschione: 500er BSA-Métisse
(Foto: Archiv Rickman-Club)
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Der Métisse-Kit fand reißenden Absatz. Neben
englischen Einzylinder- und Zweizylinder-Motoren ließen sich in das
hochwertige Chassis auch Zweitakt-Triebwerke von Bultaco, Montesa und
Zündapp installieren. Die Geländehüpfer gab es als reine Moto Cross
Rennmaschinen oder als straßentaugliche Scrambler-Modelle.
Was sich im knüppelharten Cross-Geschäft so gut
bewährte, war sich das Erfolgs-Duo sicher, müsste auch für den
Straßenrennsport was taugen. Für die Straßenrennsaison 1966 entstand
die 500er Matchless-Métisse für John Hartle und
Bill Ivy. Der talentierte junge englische
Rennfahrer Bill Ivy wechselte aber bald die Marke und wurde 1967 auf Yamaha 125er
Weltmeister. Die straßenzulassungsfähige Street-Métisse mit 650er
Triumph T120 Bonneville Motor schrieb 1966 Motorradgeschichte. Weltweit
war die Street-Métisse erstes Straßenbike mit vorne und hinten
Scheibenbremsen.
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Street-Métisse für 180 km/h.
Café-Racer mit 47 PS starken 650er
Triumph T120 Bonneville Motor.
Métisse-Rahmen-Kit
(Foto: Archiv Rickman-Club
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Nach dem gleichen Konzept wie für die
Offroad-Métisse Kits, hatte die Rickman-Company die
Roadracing-Métisse und Street-Métisse konstruiert. Gegenüber dem
Gelände-Chassis war der Straßenrahmen jedoch deutlich länger. Das
hatte man deswegen gemacht, um möglichst viele unterschiedliche
Motortypen von beliebten Straßenmaschinen einbauen zu können. Das
Fahrwerks-Kit war somit ein perfektes Baukastensystem. Es beinhaltete
das hochglanzvernickelte Chassis mit Hinterradschwinge und
Girling-Federbeinen, die Rickman-Telegabel mit 41,3 mm
Standrohrdurchmesser, Stummellenker, Fußrastenanlage samt Schalt- und
Bremsgestänge, 18-Zoll-Speichenräder mit Aluminium- oder
Magnesium-Radnaben, Borrani-Hochschulterfelgen sowie für vorne und
hinten je eine AP-Lockheed-Scheibenbremse. Des Weiteren befanden sich im
Kit die aus Gfk
gefertigten vordere Radabdeckung, Tank, Batteriekasten, Sitzbank und
Verkleidung. Nicht fehlen durfte ein dickes Handbuch mit detaillierter
Bauanleitung. Für die vorgesehenen Viertakt-Twins, entweder von BSA,
Triumph oder Norton, lagen die entsprechenden Motorbefestigungen bei.
Auch eine Sport-Auspuffanlage für den jeweiligen Motortyp wurde
mitgeliefert.
Im Laufe der Jahre mauserte sich des
Rickman-Familienunternehmen in New Milton zu einer stattlichen
Motorradfabrik. Anfang der 1970er Jahre war Rickman, noch vor den
weltbekannten Marken BSA und Triumph, Englands größter
Motorradhersteller. Zwischen 1970 und 1974 fertigte die Edelschmiede
über 12.000 Gelände-Métisse. Viele dieser exklusiven Offroad-Bikes
gingen in die USA. Die damals berühmtesten Métisse-Fahrer waren die
Hollywood-Megastars Clint Eastwood und Steve McQueen.
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Roadracer für die englische Formel-750 Meisterschaft.
Rickman hat nur 30 Métisse-Rahmen-Kits für den 750er Dreizylinder-Triumph
T150-Motor gebaut.
(Foto: Werk)
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Für die
Saison 1971 trudelte vom Motorradhändler
R.G.M. ein Spezialauftrag für eine Kleinserie Métisse-Racing-Kits ein.
Tuningexperte R.G.M. in Luton wollte für die damals in England populäre
Formel-750 Straßenmeisterschaft eine konkurrenzfähige Rennmaschine
anbieten. Als Antriebseinheit war das damals brandneue 750er
Dreizylinder-Triebwerk von der Triumph T150 Trident vorgesehen. Nur 30
Formel-750 Chassis-Kits wurden bei Rickman gebaut und an R.G.M.
geliefert. Mit getuntem Triumph-Motor und nur 175 kg Gewicht kam der
Formel-750 Racer auf über 230 km/h. Als Mitte der 1970er Jahre Triumph, inzwischen letzte
große englische Motorradfabrik, vor der Pleite stand, wurde bei Rickman
die Produktion der Street-Métisse-Kits eingestellt.
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Baukasten-Technik für bekennende Café-Racer-Fans
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"Metallbaukasten"
Erster Versuch: BSA 750 Rocket3 Motor
passt ins Formel-750 Racing-Chassis
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Zu
meiner Überraschung stellte sich nach ausgiebigem Rickman-Studium heraus,
dass mein Chassis-Kit aus der seltenen, nur 30-Mal gefertigten, Triumph- Métisse
Formel-750 Kleinserie stammte. Mit dem Aufbau meines Traumbikes konnte es
jetzt los gehen. Noch gut war mir meine Träumerei als 16jähriger in
Erinnerung, wie ich Stück für
Stück meine Métisse ganz individuell zusammenschrauben wollte. Im
Wohnzimmer wollte ich damals, im Geiste versteht sich, den
Café-Racer auf die
Dunlop TT100 Reifen stellen. Wollte jedes Aluteil auf Hochglanz polieren,
wollte alle wichtigen Schraubenköpfe mit einem 1,5 mm Bohrer durchbohren
und mit Draht sichern, und, und...
Wieder waren es Benzingespräche, in denen die Métisse bereits mit
Karacho über die Chaussee fuhr und mich zur TT auf die Isle of Man
brachte. Zwar war noch kein Handschlag getan, auch von einem brauchbaren
Motor gab es weit und breit noch keine Spur zu sehen.
Nach einschlägigen Schrauber-Erfahrungen mit britischen Triebwerken von
BSA, Matchless und AJS stand für mich eigentlich fest, dass nur ein
standfestes Antriebsaggregat aus japanischer Fertigung in Frage kam. Nach
ersten Überlegungen entschied ich mich für den kernigen Yamaha XS650
OHC-Viertaktmotor. Optisch war der Nippon-Twin mit dem berühmten
englischen Triumph 650 Bonneville Triebwerk zu vergleichen. Allerdings mit
dem Unterschied, die XS650 Motorentechnik bot japanische Zuverlässigkeit.
Mit diesem englisch/japanischen
Bastard wollte ich bis ans Ende der Welt düsen. Doch mein Freund
"Kümmel", ich bin ihm bis heute dankbar, überzeügte mich, dass
in das exklusive englische Fahrwerk ausschließlich nur ein "good old
British engine" röhren dürfte.
Wieder war es ein Freund, der mir auf die Sprünge half. Diesmal Marc aus
Belgien. Er hatte zufällig ein BSA Rocket3 Triebwerk in seiner Werkstatt liegen. In welchem
technischen Zustand der 750er Dreizylinder-Motor war, konnte er mir
telefonisch allerdings nicht sagen.
Trotzdem, nichts wie hin nach Gent und schnell mit dem Fundus nach Haus.
Der Métisse Formel-750 Kit war von Rickman für den Triumph T150 Motor
konzipiert. Im Prinzip war das BSA Rocket3 Aggregat mit dem Triumph-Triple
baugleich. Es gab jedoch einige wesentliche Unterschiede. Bei der Triumph
Ausführung stand der Zylinderblock genau senkrecht, beim BSA Kollegen neigte die
Zylinderreihe leicht nach vorne. Im gemeinsamen Triumph-BSA Werk hatte man
sich zu dieser fertigungstechnisch kostspieligen „optisch-konstruktiven
Bauweise" nur deswegen entschieden, um die beiden, 1968
präsentierten Flaggschiffe Triumph Trident und BSA Rocket3, voneinander
unterscheiden zu können.
Provisorisch, ohne die Motorverschraubungen, hängte ich das Rocket3-Bauwerk in meine
Métisse und stellte mit Genugtuung fest: "passt schon". Auch
die Kettenflucht stimmte haargenau vom Getrieberitzel zum Zahnrad am Hinterrad überein.
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In
den, nur 30-Mal gefertigten,
Métisse Formel-750 Racing-Rahmen wurde auf
meine Initiative anstelle
des
vorgesehenen Triumph T150
Aggregats nun ein 750er BSA A75R Rocket3 Motor eingebaut.
Das kernige
englische Dreizylinder-Bike BSA Rocket3 wurde von 1968 bis
1972 nur 5897-Mal im Triumph-BSA-Werk in Birmingham produziert. |
Motor-Spender: BSA A75R
750 Rocket3 |
Jetzt
hatte mich endgültig das Schrauberfieber gepackt. Der englische
Drilling wurde bis auf die letzte Zoll-Schraube zerlegt, alle Bauteile
gewissenhaft gecheckt. Schnell wurde mir aber bewusst, eine
Generalüberholung wird unumgängig. Bei den damaligen
Engländerspezialisten für Klassiker und Triumph-Importeuren Bernd Lohrig
und Udo Kölle in Syke bei Bremen ließ ich die Kurbelwelle überholen
und neue Laufbuchsen für frische Kolben in den Zylinderblock einsetzen.
Weder Kosten noch Mühen scheute ich beim Restaurieren des
Zylinderkopfes. In der picobello eingerichteten mechanischen Werkstatt
von meinem Freund Wolfgang Köhn ersetzten wir alle Ventilführungen und
frästen die Ventilsitze penibel nach. Die neuen Ventile wurden
gewissenhaft eingeschliffen und mit neuen Ventilfedern eingebaut. Für
den Zusammenbau des Motors gings zu Bernd Lohrig und Udo Kölle nach Syke.
Das hatte gleich mehrere Vorteile. Die Werkstatt war mit allen
Spezialwerkzeugen ausgestattet, ich konnte voll auf das Fachwissen der
beiden Engländer-Experten vertrauen, und beim Ersatzteilnachschub
brauchte man nur ins gut sortierte Lager greifen. Genau genommen wurden
alle beweglichen Maschinenteile perfekt überholt oder durch neue
ersetzt. Ohne den Zeitaufwand für die Schrauberei gerechnet, kostete
mich die Restaurierung des Triebwerks ein kleines Vermögen.
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Das
750er Dreizylinder BSA Rocket3 Triebwerk verkörperte beispielhaft
die
altehrwürdige britische Motorenbaukunst und entsprach den technischen
Standards der 1960er Jahre. |
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War
das Aggregat nun schön in Schuss, setzte ich es auf Holzklötze
gestützt in den Rahmen. Nachdem die genaue Einbauposition ausgelotet
war, fertigte ich Holzschablonen als Muster für die benötigten
Motorhalteplatten an. Bei Wolfgang Köhn wurden nach diesen Vorlagen die
erforderlichen Alu-Halteplatten gefertigt. Der Einbau und das Verschrauben vom Kraftwerk war dann nur noch eine Routinearbeit.
Fehlende Teile wie AP-Lockheed-Bremsanlage, Tacho und Drehzahlmesser von
Smiths, dazu die passenden Wellen, Bowdenzüge, ein neuer 20-Liter
Alu-Tank, Rickman-Gfk-Halbverkleidung, vordere Radabdeckung, Norman
Hayde 3-in-1 Sportauspuff sowie die Sitzbank hatte mir Bernd Lohrig
mittlerweile aus England beschafft. Auf dem Zubehörmarkt besorgte ich
eine Batterie, Koni-Federbeine, Dunlop TT100 Pneus und einen zierlichen
Ölkühler von der Honda CB900F, da der große Originalkühler von der
BSA Rocket3 aus Platzgründen nicht verwendet werden konnte. In kurzer
Zeit war das Gewirr von Ölschläuchen verlegt und alle Klemmverbindungen
vom Kabelbaum angeschlossen.
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Jungfernfahrt mit Zeitreise in die frühen 1970er Jahre
Klassisch Motorrad fahren:
Stilecht, in meine alt-schwarze
Harro-Lederkombi von 1969 gekleidet
und mit dem fast schon historischen Cromwell-Helm auf der
"Birne",
startete ich zur großen Jungfernfahrt.
(2 Fotos: Archiv-Scheibe)
Erstes großes Ziel 1984 waren die Engländer-Experten Bernd Lohrig
und Udo Kölle in Syke. Rechts neben meiner BSA-Métisse
parkt die Triumph-Métisse von Udo Kölle. |
Ostern
1984 war es dann soweit. Mein Traumbike stand einsatzfertig auf den
frischen Dunlop TT100 Reifen. Eine unbeschreibliche Spannung lag für
mich in der Luft. Wird der Motor anspringen? In traditioneller
englischer Startzeremonie wurde das Triebwerk gestartet. Benzinhähne
öffnen, Choke schließen, Schwimmerkammern von den drei Amal-Vergasen
fluten, rechte Fußraste hochklappen. Nun mit genügend Schwung den
Kickstarter drei-vier-Mal herabtreten. Erst jetzt Zündung einschalten.
Nach drei weiteren kräftigen Tritten auf den Kickstarter lief der
Motor! Ich konnte es kaum glauben. Mit sattem Getöse brabbelte der
Dreizylinder vor sich hin.
Eine Testfahrt stand bald schon auf dem Plan. Stilecht, in die schwarze
Harro-Lederkombi gekleidet und mit dem klassischen Cromwell-Helm auf der
"Birne", startete ich zu der großen Jungfernfahrt. Mit festem
Vertrauen in die englische Technik - und natürlich auch in meine
Schrauberarbeit - wählte ich als Ausflugsziel einen Besuch bei meinen
Motorradfreunden Bernd
Lohrig und Udo Kölle in Syke. Wie lange hatte ich auf diesen Moment
gewartet, hatte mir in der Phantasie ausgemalt, wie das Fahrgefühl sein
wird. Jetzt saß ich endlich auf meiner BSA-Métisse und konnte sie
erleben - erfahren. Die Motorcharakteristik des Triple ließ sich mit
kaum einem anderen klassischen Briten-Bike vergleichen. Gehören nervige
Motorvibrationen bei den Singles und Twins zum "guten Ruf", líef das
Rocket3-Triebwerk fast vibrationsfrei. Der Auspuffsound
erinnerte mich an den Klang eines Porsche 911. Mit ordentlich Dampf aus
dem Keller und durchzugsstark drückte der 750er Drilling die Fuhre vorwärts.
Das Fahrwerk war zwar insgesamt rennmäßig straff abgestimmt, doch
zeigte es sich dafür ausgesprochen handlich und spurtreu. Auch die
Bremsanlage ließ sich einwandfrei dosieren und verzögerte den gut 180
kg leichten Café-Racer tadellos. Diese rund 500 km lange Testfahrt,
teils über Land- und Bundesstraßen und sogar über ein Stück Autobahn,
verlief ohne jegliche Probleme. Mein Traum, ein Traummotorrad zu
besitzen, war tatsächlich Wirklichkeit geworden. Meine BSA-Métisse
war im erlauchten Kreis der Café-Racer Gilde angekommen.
Die Ausflüge mit meiner Métisse waren für mich stets immer
etwas ganz Besonderes. Es war eine Zeitreise in die frühen 1970er
Jahre. In eine Epoche, als die Jugend aufmotzte, wild und widerspenstig
war, und Motorrad fahren Freiheit, Unabhängigkeit und Abenteuer
bedeutete.
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Die nächste große Herausforderung war der
Termin
beim TÜV. Ohne Beanstandungen schaffte meine BSA-Métisse die deutsche
Zulassungsbürokratie. Nun war die
Métisse mit Brief und Siegel
ganz legal "eingebürgert".
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Ex-GP-Pilot Peter Frohnmeyer
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Die
BSA-Métisse Rocket3 ist nach meinen Recherchen ein welteinmaliger
Café-Racer. Ein englisches technisches Kulturgut, mit dem bei
zahlreichen Motorrad-Ausstellungen Auszeichnungen errungen wurden.
Ausflüge waren immer etwas Besonderes. Ob zu einem Klassiker-Treffen
oder zu einer Spritztour durchs Sauerland oder an den Edersee. Die
Highlights waren allerdings der TT-Besuch 1987 auf der Isle of Man:
Zweiter Platz für das schönste Bike auf der Insel und erster Platz
für die beste Rickman. Und 1990 das internationale Sachsenringrennen:
Vor über 60.000 Zuschauern konnte ich auf dem legendären Straßenkurs
bei Hohenstein-Ernstthal mit meinem 750er britischen Racer den Lauf für
historische Rennmaschinen gewinnen.
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TT Isle of Man 1987:
Zweiter Platz für das schönste Bike bei der TT und erster Platz für
die beste Rickman.
(Foto: Peter Frohnmeyer)
Mad Sunday:
Winni Scheibe auf seiner BSA-Métisse über den TT-Kurs
(Foto: Peter Frohnmeyer)
Sachsenringrennen 1990
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60.000 Fans beim
historischen Rennen auf dem legendären Sachsenring 1990.
#141 Sieger Winni Scheibe auf der 750er BSA-Métisse Rocket3
(3 Fotos: Tina Bastian)
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Technische Daten
BSA-Métisse 750 Rocket3
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Motor:
BSA A75R Rocket3, Baujahr 1970,
feingetunter Fahrtwind-gekühlter
Dreizylinder-Viertakt-Reihenmotor, ca. 70PS bei 7600/min, Bohrung x Hub
67mm x 70mm, Hubraum 741ccm, Verdichtung 1:10. Zwei untenliegende, über
Stirnräder getriebene Nockenwellen, zwei Ventile pro Zylinder über
Stoßstangen und Kipphebel betätigt. Drei Amal Concentric-Vergaser,
26mm, offene Ansaugtrichter. Kontaktlose Lucas-Rita-Zündanlage, 12
Volt. Trockensumpfschmierung, 4 Liter Castrol GP 20W40 Motoröl.
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Motorschnittzeichnung:
BSA A75R Rocket3 |
Getriebe:
Primärantrieb über Triplexkette,
Einscheiben-Trockenkupplung, klauengeschaltetes Vierganggetriebe,
Sekundärantrieb über Renold-GP-Rollenkette.
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Fahrwerk:
Rickman-Métisse, Baujahr 1971, Doppelrohrrahmen aus 531 Reynolds-Rohr,
hartgelötet, Rahmen und Schwinge vernickelt. Rickman-Telegabel,
in Schrägrollen gelagert, Standrohre
41,3 mm.
Schwinge in Nadellager geführt, zwei
Koni-Federbeine,
Federbasis dreifach verstellbar. Magnesium-Naben mit Nirosta-Stahlspeichen
und Akront-LM- Hochschulterfelgen. Bereifung vorne und hinten
Dunlop TT100 4.10H18. Bremsen
vorne und hinten je eine Grauguss-Bremsscheibe,
250 mm, AP-Lockheed-Festsattel-Bremszangen,
vorne und hinten Stahlflex-Bremsleitungen.
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Lockheed-Scheibenbremse
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Abmessungen:
Radstand 1450 mm, Lenkerhöhe 780 mm,
Lenkerbreite 600 mm, Sitzhöhe 760 mm, Gewicht
180 kg
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Ausstattung:
Stummellenker, Rickman-Gfk-Halbverkleidung, H4-Licht, Blinklicht,
Stopplicht, Smiths-Tacho, Smiths-Drehzahlmesser, Amperemeter; 20-Liter
Alutank, Gfk-Sitzhöcker, flammgespritzter und schwarz lackierter 3-in-1
Norman Hayde Sportauspuff.
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