Motorrad-Marken


BSA A75R Rocket3
Modelljahr 1969


"Kraftmeier"

1968 stellte BSA die 750er Dreizylinder Rocket3 vor. Die A75R
war damals das Spitzenmodell und zugleich die letzte Entwicklungsstufe
in der Fahrzeuggeschichte der englischen Traditions-Marke.

Text: Winni Scheibe
Fotos: Scheibe, Werk



Ab 1969 rollte diese BSA A75R Rocket3 Mk I vom Fließband in Birmingham. Es war genau die Zeit, als die englische Motorradindustrie kurz vor dem Ruin stand. Von ihrer ehemaligen Weltmachtstellung war nicht mehr übriggeblieben. Viele klangvolle Namen wie Vincent, Matchless, AJS, Scott, Sunbeam, Velocette, Ariel und RoyalEnfield gab es schon längst nicht mehr. Lediglich Norton, Triumph und BSA versuchten, Ende der sechziger Jahre mit letzter Kraftanstrengung zu retten, was noch zu retten war. Doch vergeblich, wie wir heute wissen.



BSA A75R Rocket3 von 1969 Werkszeichnung


Das Ende der "good old British bikes" war schon Jahre zuvor absehbar. Ein gemeinsames Management bestimmte bei BSA und Triumph die Modellpolitik. Man pflegte und hegte die bekannten und bewährten Ein- und Zweizylinder-Maschinen und war fest der Meinung, dass es nirgendswo auf der Welt bessere Motorräder gebe als in England. Edward Turner, graue Eminenz und geistiger Vater des legendären Triumph 500er Speed-Twin-Motors, wollte von Neukonstruktionen nichts wissen. Die Ingenieure Doug Hele, Bert Hopwood und Jack Wicks in der Triumph Entwicklungsabteilung waren dagegen anderer Meinung. Insgeheim tüftelten sie bereits seit Anfang der sechziger Jahre an einem 750ccm Dreizylinder-Triebwerk. Eine vollkommen neue Situation ergab sich 1964, als Edward Turner in Pension ging. Trotz der großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in der sich das Werk befand, gab das BSA-Triumph-Management den Konstrukteuren grünes Licht. Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln und mit Hochdruck trieb man nun das Projekt voran. 

Wer nun aber hoffte, dass es sich um eine moderne Konstruktion mit horizontal teilbarem Motorgehäuse, obenliegender Nockenwelle und einem Elektrostarter handelte, lag gewaltig daneben. Vorbild für die Techniker in Meriden war weiterhin das Bauprinzip des Speed-Twin-Motor von Turner. Hatte der Twin ein zweiteiliges Motorgehäuse, benötigte man für den Dreizylinder logischerweise drei vertikal teilbare Motorgehäuse. Womit das Desaster vorprogrammiert war. Der Dreizylinder-Motor entwickelte sich nämlich zu einer äußerst komplizierten und sehr aufwändigen Konstruktion.



(Foto: Werk)


Da Tradition auch bei den jungen Ingenieuren Vorrang hatte, war es daher kaum verwunderlich, dass "altbewährte" Technik angewandt wurde. Im mittleren Motorgehäuse wurde die um 120 Grad gekröpfte Kurbelwelle in zwei Gleitlager gelagert und im hinteren Teil das Vierganggetriebe platziert. Im jeweiligen rechten und linken Motorgehäuse dreht sich die Kurbelwelle in Wälzlagern. Die Ventilsteuerung erfolgt über zwei untenliegende, stirnrädergetriebene Nockenwellen. Die Einlassnockenwelle liegt hinter dem Zylinderfuß und die Auslasswelle vor dem Block. Via kurzen Stößeln, Stoßstangen und Kipphebeln wird pro Zylinder je ein Einlass- und ein Auslassventil aktiviert. Hinter dem rechten Gehäusedeckel verbirgt sich der Steuertrieb für die beiden Nockenwellen, der 12Volt-Wechselstromgenerator sowie die drei Unterbrecherkontakte für die Batterie-Spulen-Zündanlage. Der Primärantrieb liegt auf der linken Seite. Für diese Arbeit ist eine stabile Triplex-Rollenkette, die die Motorleistung über eine Einscheiben-Trockenkupplung an das klauengeschaltete Viergangetriebe weitergibt, verantwortlich. Den Endantrieb zum Hinterrad erledigt eine Einfach-Rollenkette. Der Ölkreislauf erfolgt über eine Trockensumpfschmierung, und für zusätzliche Kühlung sorgt unter dem Tank ein großer Ölkühler.

Pfiffig haben die Konstrukteure die Betätigung der drei Amal-Concentric-Vergaser mit 27 mm Durchlass bewerkstelligt. Eine Hebelmechanik sorgt für die 100prozentig synchrone Bewegung der drei Gasschieber. Etwas eigenwillig ist dagegen die Ausführung der Auspuffanlage. Vor dem Zylinderkopf gabelt sich das mittlere Entsorgungsrohr und mündet rechts und links in die seitlichen Krümmer. Diese thermisch umstrittene Rohrführung erhielt von den Triumph-Leuten die Bezeichnung "3-in-4-in-2-system". Um dem Betrachter dennoch sofort zu zeigen, dass es sich um ein Dreizylinder-Bike handelt, ließ man sich was ganz Besonderes einfallen. Am Ende der beiden rechts und links verlegten großvolumigen Schalldämpfer schauten jeweils drei pfeifenähnliche, zierliche Röhrchen heraus. Diese "RayGun"-Auspuffanlage gehört zum Erkennungsmerkmal der BSA A75R Rocket MKI.


"RayGun"-Auspuffrohre


Paarallel zur BSA Rocket entstand zur gleichen Zeit die Triumph T150 Trident. Nun hätte man sich ja damit begnügen können beide Bikes mit demselben Dreizylinder-Triebwerk auszustatten. Doch das wollte man nicht. Aus diesem Grund wurde das Motorgehäuse von der BSA so gefertigt, dass der Zylinderblock nicht wie bei der Triumph senkrecht steht, sondern sich um zehn Grad nach vorne neigt. Auch im Fahrwerk unterschieden sich die Maschinen. Die Trident hat ein Einrohrrahmen und die BSA ein Doppelschleifenchassis.


 


Triumph T150 Trident von 1968
(Foto Werk)


BSA A75R Rocket3 von 1969


Mitte 1968 kam die BSA Rocket3 für 6300 Mark auf den Markt. Zweifellos war sie in dieser Zeit das Überbike schlechthin. Der Triple leistet gesunde 58 PS bei 7250/min, und die Höchstgeschwindigkeit des 220 Kilogramm schweren Bikes liegt bei 200 km/h. Will man die First-Lady in Schwung bringen, ist männlicher Tatendrang und eine genau einzuhaltende Startzeremonie gefordert: Benzinhähne öffnen, Choke schließen, mittels der Tupfer jede Schwimmerkammer bis zum Überlauf fluten, zwei-, dreimal kräftig auf den Kickstarter treten und erst dann die Zündung einschalten. Ist bis hier alles nach Vorschrift erfolgt, springt der Drilling anstandslos an. Zum Auskuppeln ist wieder Muskelkraft nötig, und gemäß dem englischen Standard sitzt der Schalthebel an der rechten Getriebeseite.



Erfolgreich: BSA-Werksrennmaschine von Dick Mann


Rollt man heute mit der Rocket durch die Gegend, kommen Erinnerungen an längst vergangene Zeiten auf. Im "aufrecht englischen Fahrstil" nimmt der Biker die Welt einfach anders wahr. Die Kraftentfaltung des Triples überträgt sich automatisch auf den Fahrer. Mit mächtig "Dampf aus dem Keller" schiebt er die Fuhre nachhaltig vorwärts. Drehzahlorgien sind der Rocket fremd. Im Vergleich zu den englischen Twins halten sich die Vibrationen in Grenzen. Wenigstens bis etwa 6000/min. Wer den Gashahn aber voll aufreißt und "flachliegend" über die Autobahn brettert bekommt über 6000/min ein kerniges Kribbeln in den Lenkerenden, auf der Sitzbank und den Fußrasten deutlich zu spüren. Doch das ist nicht ihre Welt. Abseits von vielbefahrenen Hauptstraßen bei Tempo 90 bis 130km/h ist sie in ihrem Element. Munter bollert das Triebwerk vor sich hin, die Bremsanlage ist nicht überfordert, und dem Piloten bleibt genügend Zeit, das Fahrerlebnis mit seiner Lady in vollen Zügen zu genießen. 

Im Kreise der Sammler genießt die Rocket3 eine Sonderstellung. Klassikerfans, die sich heute mit der Dreizylindermaschine auseinandersetzen, brauchen eine fachkundige Hand. Ohne handwerkliches Geschick, Ausdauer, Spezialwerkzeug, einem Grundstock an Ersatzteilen und viel Geduld kann man die Freude am Triple schnell verlieren. Für die Sammlerleidenschaft spricht allerdings die geringe Produktionszahl. Von 1968 bis zum Ende der Bauzeit 1972 verließen lediglich nur 5897 Maschinen das Werk.


 

BSA A75R Rocket3 Modell 1968 - 1969 -1970
/Foto: Werk)

 

BSA A75R Rocket3 US-Modell 1971
(Foto: Werk)




Technische Daten

BSA A75R Rocket3 MK I
Baujahr 1969 (100% Original)

 


Motor
Fahrtwindgekühlter Dreiylinder-Viertakt- Reihenmotor, zwei untenliegende, über Stirnräder getriebene Nockenwellen, zwei Ventile pro Zylinder über Stößel, Stoßstangen und Kipphebel betätigt. BohrungxHub 67x70mm, Hubraum740ccm, Verdichtung 9,5:1, Leistung 58PS bei 7250/min. Trockensupfschmierung 3,5Liter Castrol GTX Motoröl. Drei Amal-Concentric-Vergaser,O27mm, Trockenluftfilter. Kontaktlose Lucas-Rita-Zündanlage (nachträgliche Modifikation), 12Volt Wechselstromgenerator

Getriebe
Primärantrieb über Triplex-Kette, Einscheiben-Trockenkupplung, Vierganggetriebe, Endantrieb über Einfach-Rollenkette

Fahrwerk
Doppelschleifenrahmen, hydraulisch gedämpfte Telegabel, 35mm Standrohrdurchmesser, Stahlrohr-Hinterradschwinge mit zwei hydraulisch gedämpften Federbeinen. Vorne Duplex-Vollnaben-Trommelbremse, O200mm, hinten Simplex-Halbnaben-Trommelbremse, O180mm. Vorne und hinten Speichen-Räder mit Stahl-Felgen. Dunlop Bereifung, vorne 3.50H19 und hinten 4.10H19

Abmessungen und Werte
Radstand 1450mm, Gewicht 220kg, Tankinhalt 19 Liter
Höchstgeschwindigkeit 200 km/h


Text-Archiv: BSA


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