Denkwürdige Ereignisse


Erinnerungen von Winni Scheibe an seine Begegnung 1974
 mit dem Berliner Motorradrennfahrer und 
späteren dreifachen Rennboot-Weltmeister
Manfred "Manne" Loth.

"Berliner Speed-Experte" 

Text: Winni Scheibe
Fotos: Archiv-Loth, Bundesarchiv, Archiv-Scheibe



Erfolgreicher Berliner Motorad- und Rennboot-Sportler Manne Loth


Ende der 1960er Jahre lag der Motorradmarkt bei uns in Westdeutschland am Boden. Echte Kradler waren so selten wie eine Stecknadel im Heuhaufen. Dafür gab´s noch richtige Moped-Cliquen. Ich hatte eine Kreidler Florett, das 50 Kubik Kleinkraftrad war standesgemäß von mir frisiert. Meine erste große Ausfahrt mit meinen Kumpels ging im April 1968 zum Motorrad-GP auf dem Nürburgring. Alles war damals für mich 16-jährigen Mopedfahrer neu. Noch nie zuvor hatte ich so viele Motorräder auf einem Haufen erlebt. Auf den Zeltplätzen am Ring standen schwere Maschinen von allen Marken und dazu überall die Fahrer in ihren schwarzen Lederkombis. Durch Zufall bekam ich von einem Rennmechaniker dessen Helfer-Ausweis. Mit dieser "Eintrittskarte" kam ich ganz legal ins Rennfahrerlager und sogar bis an die Start/Ziel-Boxen. Die Rennfahrer und Rennmaschinen interessierten mich brennend, ich konnte mich kaum statt sehen.
Bei der Rückreise fuhr ich im Geiste ein Rennen gegen meine Idole. Selbstverständlich auf einer 500er MV Agusta, genau so, wie der GP-Sieger Giacomo Agostini. Von den vielen Eindrücken und Erlebnissen zehrte ich Monate lang. Für mich stand fest, genau so möchte ich auch mal werden: Ein echter Motorradfahrer und schneller Rennfahrer.



Autor Winni Scheibe als 19-jähriger 1971 auf seiner zur Sportmaschine selbst 
umgebauten BMW R75/5. Dem Traum vom echten Motorradfahrer, in einer schwarzen 
Harro-Lederkombi und mit Cromwell-Helm auf der Birne, war er schon ein Stück näher.


Kaum 18 Jahre alt gab´s für mich "fast" nur noch Motorrad fahren. Mit der Rennerei musste ich jedoch noch etwas warten. Anfang der 1970er Jahre wurde man ja erst ab 21 volljährig und für die Rennfahrerlizenz war davor die Erlaubnis der Erziehungsberechtigten erforderlich. Bei mir streikte jedoch das Elternhaus.




Ab 1974 ging´s für
#49 Winni Scheibe mit seiner 350er Yamaha-Rennmaschine 
bei den NMB-Wegrace um die Wurst.


Im Herbst 1972 war´s so weit. Kaum 21 Jahre alt wurde die Straßenmaschine gegen eine Yamaha TR2 getauscht und ab 1973 mit dem japanischen 350er Production Racer um die Wette gefahren. Mit der pfeilschnellen Zweitakt-Rennmaschine ging's im damaligen Jupo (Juniorenpokal-Einsteigerrennklasse) um die Wurst. Schon schnell bekam ich aber spitz, dass man mit einer internationalen niederländischen Rennlizenz bei den NMB (Niederländischer Motorsport Bund) Straßenrennen fahren konnte. Diese "Wegraces" fanden auf öffentlichen Straßen, vielfach mitten durch Ortschaften, durch Alleen und vorbei an Feldern, Wiesen, Gräben, Mauern und Weihern, statt. Am Wochenende wurde kurzerhand die Strecke für den Verkehr gesperrt und vom NMB ein Motorradrennen organisiert. Ein riesiges Spektakel, dass pro Meisterschaftslauf jedes Mal 20.000 bis 25.000 begeisterte Zuschauer anlockte.
Deutsche Rennfahrer durften nach unseren Motorsportbestimmungen bei diesen "wilden Rennen" eigentlich nicht mitmachen, doch dieses Verbot interessierte uns nicht die Bohne.



Der Berliner Yamaha-Rennfahrer Manne Loth startete bei 
den NMB-Wegrace in der 250er und 350er Klasse.


Für uns Starter waren die NMB-Straßenrennen echte fahrerische Herausforderungen, auf der Strecke ging´s meist heiß her. Im Fahrerlager dagegen herrschte tolle Kameradschaft und Hilfsbereitschaft, und abends sorgte Lagerfeuerromantik für gute Stimmung unter uns "Konkurrenten". Zum Berliner Rennfahrerkollege Manne Loth entwickelte sich über die Jahre eine feste Freundschaft. Wir traffen uns bei Rennen, bei gemeinsamen Motorradtouren und immer wieder mal auch ganz privat. Im Frühjahr 2017 hockten wir wieder zusammen und plauderten über die aktuelle MotoGP Rennen und unsere Vollgashelden Marc Márquez, Valentino Rossi und Andrea Dovizioso und dann natürlich auch noch von den "guten alten Zeiten". Manne erzählte von der Avus-Rennstrecke, der spektakulären Steilwandkurve und seinem ersten Sieg 1967 beim Avus-Motorradrennen. Ein denkwürdiges Ereignis, das mich gleich auf die Idee brachte, über den erfolgreichen Berliner Motorsportler Manne Loth einen Bericht zu machen.


Avus-Steilkurve 1937-1967

Mit Vollgas durch die Wand

125er Sieger Manne Loth erinnert sich an 
das letzte "schräge“ Avus-Rennen 1967



Schiebestart des 125er Avus-Rennens am 10. September 1967 
vor dem Panorama der spektakulären Steilkurve. 
(Foto: Archiv-Loth)



Siegerehrung Avus-Rennen 125er Klasse:
1. Manne Loth (Mitte), 2. Gerhard Gardemann (links), 
3. Heiner Müller (rechts).
(Foto: Archiv-Loth)


Motorsportler, die quasi neben einer Rennstrecke wohnen, haben es gut. Gelang der erste Sieg auf diesem Berliner Heimkurs, durften die Sektkorken knallen. Zwar liegt Manfred „Manne“ Loths Erfolg inzwischen 50 Jahre zurück, dafür ging sein Sieg auf der legendären Autobahn-Rennstrecke mit der berühmt-berüchtigten Steilkurve in die Avus-Geschichte ein. Als erster Berliner Motorradrennfahrer überhaupt ließ sich der schnelle Bultaco-Fahrer am 10. September 1967 als Gewinner des 125er Rennens feiern. Das konnte ihm danach keiner mehr nachmachen.
Am nächsten Morgen rückten nämlich die Abrissbagger dem Mauerwerk auf die Pelle. Oder genauer gesagt, am Montag, 11. September 1967 kurz nach 7:00 Uhr begannen die Rückbauarbeiten der spektakulären aber auch halsbrecherischen Avus-Steilwandkurve. Die 1937 aus Klinkerziegelsteinen gemauerte massive Nordkehre vor dem Start/Ziel-Bereich war als Teilstück der Avus-Rennstrecke mit ihrer veralteten Fahrbahnbeschaffenheit aus Sicherheitsgründen nicht mehr zeitgemäß. Immer wieder passierten hier dramatische Unfälle, zum Teil sogar mit tödlichem Ausgang. Weitere Auto- und Motorradrennen wollte so keiner mehr verantworten. Das 30jährige Kapitel „Avus-Steilkurve von 1937 bis 1967“ der damals bald 50 Jahre alten Berliner Rennstrecken-Geschichte war damit ein für alle Mal beendet. Die gefährliche Avus-Steilkurve war nach diesem Rennwochenende im September 1967 Geschichte. Mit den Wettfahrten gings im Berliner Grunewald aber weiter. Die „Killerkurve“ wurde durch eine moderne asphaltierte flache Nordkehre ersetzt. 


Motorsportler, Multi-Champion 
und Berliner Urgestein



Berliner Urgesteine 1989 unter sich: Rennboot-Champion Manne Loth 
mit Schauspieler-Legende Günter Pfitzmann.
(Foto: Archiv-Loth)


Ein Zeitzeuge, noch dazu einer der 1967 AVUS-Geschichte geschrieben hat, ist der spätere Multi Rennboot-Champion Manne Loth. Für den Berliner Motorradrennfahrer, Jahrgang 1943, wurde das Internationale ADAC Avus-Rennen am Wochenende 09.-10. September 1967 zum Heimspiel. Mit über eineinhalb Minuten Vorsprung auf den zweitplatzierten Honda-Fahrer Gerhard Gardemann, dritter wurde Heiner Müller auf Honda, konnte der Bultaco-Pilot überlegen das 125er Rennen gewinnen. Im Motorsport war Manne Loth eigentlich schon ein „alter Hase“. Der Einstieg in die Motorradrennerei mit seiner 125er Bultaco begann er in der Saison 1964. 
„Damals gings zu Flugplatzrennen, Bergrennen, zum Nürburgring und Hockenheimring nach Westdeutschland. Für uns Westberliner Rennfahrer waren die weiten Anfahrten fast so wie Weltreisen. Dazu kamen, meist aus purer Willkür der NVA-Grenzer, stundenlanges Warten bei den Ein- und Ausreisekontrollen durch die DDR. Zum Ausüben unseres Motorsports brauchten wir Westberliner ein dickes Fell. Ein Umzug in den Westen kam aber nicht in Frage. Diese Lebenssituation schweißte uns Westberliner dafür umso fester zusammen“, erinnert sich der sympathische Motorsportler, in der damaligen Redensart von „West“ und „Ost“, an die Anfänge seiner Motorsportkarriere. „Das Avus-Rennen hatte daher für uns Westberliner einen besonders hohen Stellenwert. Freunde und Bekannte kamen zum Rennen um uns fahren zu sehen. Manche schafften es sogar bis ins Fahrerlager. Sie fragten uns, wie es geht, wünschten Hals- und Beinbruch und einige baten um ein Autogramm. Das waren immer ganz tolle Momente. Es war sowieso eine ganz andere Zeit. Wir waren Idealisten, der Motorradrennsport war unser Hobby und unsere Leidenschaft. Kameradschaft und Hilfsbereitschaft wurden groß geschrieben. Meist waren wir Akteure Rennfahrer, Mechaniker, Manager, Küchenchef, Transporterfahrer und Mädchen für alles in Personalunion. Das große Geld ließ sich mit der Rennerei allerdings nicht verdienen, um über die Runden zu kommen, waren wir alle berufstätig.“



#114 Manne Loth auf seiner 125er Bultaco 1967 beim Avus-Rennen.
(Foto: Archiv-Loth)


Noch gut kann sich Manne Loth daran erinnern, wie einige Rennkollegen das Avus-Rennen, wegen der beiden langen Geraden mit nur einer Südkehre und einer Nordkurve, als Kinderspielplatz belächelten und er plaudert dazu aus dem Nähkästchen: „Für die Avus-Strecke musste man den Zweitakt-Rennmotor speziell abstimmen. Es ging 4 Kilometer lang mit Vollgas zur Südkehre und dann gleich wieder 4 Kilometer schnurgeradeaus, dann durch die Steilkurve, immer Volle Lotte zum Start/Ziel-Platz zurück. Wer die Technik nicht im Griff hatte, handelte sich oft einen Kolbenfresser ein, und das Rennen war für ihn gelaufen.“
Die große Avus-Bewährungsprobe war und blieb aber die für über 200 Stundenkilometer ausgelegte Steilkurve. Autorennfahrer kamen mit ihrem hohen Kurvenspeed bis auf 3-G. Die dreifache Erdanziehungskraft wirkte wie ein gewaltiger Anpressdruck, der auf Mensch und Fahrzeugmaterial lastete. Zwar war es bei den Motorradrennfahrern nicht ganz so schlimm, doch diese Mutkurve hat Manne Loth noch gut in Erinnerung: „Es gab keine andere Rennstrecke mit so einer Kurve, die Avus-Steilwand hatte es voll in sich. Ich kannte keinen Rennkollegen, der nicht großen Respekt, manche sogar mächtig Bammel, vor diesem Streckenabschnitt hatte. Wer richtig schell durch die Steilwand fahren wollte, musste seinen inneren Schweinehund überwinden. In den kleineren Rennklassen fuhr man von der langen Grade, ohne zu bremsen oder gar das Gas wegzunehmen, mit vollem Karacho in die Mutkurve. Dabei musste man beim Einlenken genau die Fahrlinie treffen. Die schräge Nordkehre, eine aus Ziegelsteinen gemauerte fast 45 Grad Steilkurve, war sehr wellig und holprig, vergleichbar mit einer ausgefahrenen Kopfsteinpflasterstraße. Im Regen verwandelte sich die Avus-Steilkurve zur Rutschbahn, es gab viele Unfälle. Ich weiß noch sehr gut, wie ich in der Steilwand in den Sattel und auf den Tank meiner Bultaco-Rennmaschine gedrückt wurde. Die eigentliche Kunst war es aber, in der Steilwand den steinschweren Kopf so zu halten, dass man zum Kurvenausgang blicken konnte.“



Bultaco-Fahrer #114 Manne Loth auf dem Weg zum Avus-Sieg.
(Foto: Archiv-Loth)


Die Avus gehörte zu Manne Loths Lieblingsstrecke. Einmal, weil sie fast bei ihm vor der Haustür lag, er konnte nachts zu Hause in seinem Bett schlafen, aber auch wegen der speziellen fahrerischen und technischen Herausforderung. Für das Rennen am 10. September 1967 hatte er sich viel vorgenommen. Die 125er Bultaco war prima in Schuss, er selbst war topfit und am Samstag im Training lief es bereits erstklassig. Er stand in der ersten Reihe auf der Pole-Position. Bevor der Racer aber am Sonntag vor rund 30.000 begeisterten Zuschauern sensationell als erster ins Ziel kam, es war gleichzeitig auch sein erster Motorradrennsieg überhaupt, hatte er bereits einen freudigen Anlass zu feiern. In der Nacht auf den Sonntag wurde sein Sohn Matthias geboren. „Als ich am Sonntagmorgen als frisch gebackener junger Vater ins Fahrerlager kam, wäre ich vor Stolz fast geplatzt. Ich schwebte auf Wolke sieben und war 100prozentig davon überzeugt, dass es heute mein Tag werden würde. Mit diesem unerschrockenen Selbstbewusstsein bin ich mit meiner Bultaco sprichwörtlich über die Strecke und den Zielstrich geflogen“, beschreibt 50 Jahre später Manne Loth seine damalige Gemütslage.



Zu den schönen Gesten im damaligen Motorsport gehörte für die drei 
Erstplatzierten pro Rennlauf die Ehrenrunde im schicken Cabriolet.
(Foto: Archiv-Loth)


Um ein Haar hätte der schnelle Berliner Motorradrennfahrer noch einen weiteren Avus-Sieg heraus gefahren. Mit seiner 350er Yamaha Rennmaschine startete er 1973 in der 500er Klasse. Umringt von einer Meute pfeilschneller 500er König-Rennmaschinen fuhr der Außenseiter verdient auf den zweiten Platz. 

 


Ab Anfang der 1970er Jahre vertraute Manne Loth 
auf 250er und 350er Yamaha Rennmaschinen.
(Foto: Archiv-Scheibe)



(Foto: Archiv-Loth)



Reinrassige 500er König-Rennmaschine. Das kompakte 
wassergekühlte Triebwerk stammte aus dem König-Rennboot.
Für die neue Aufgabe wurde der
Drehschieber-gesteuerte Zweitakt-Vierzylinder-Boxermotor modifiziert.
(Foto: Archiv-Scheibe)


Die König-Fahrer konnten es kaum fassen und unverzüglich legte der erfolgreiche Berliner Rennboot- und Rennmaschinen-Hersteller Dieter König bei der Rennleitung Protest ein. Der Hubraum des Yamaha Zweitakt-Renntwins vom Zweitplatzierten wurde genau nachgemessen. Mit dem Ergebnis: 354 Kubik Hubraum. Noch heute amüsiert sich Manne Loth über diese Episode: „Damals habe ich mir das laute Lachen nicht verkneifen können. Immer wieder hatte ich versichert, dass der Motor den technischen Vorschriften entspricht, aber keiner glaubte mir. Wobei das Misstrauen verständlich und auch nachvollziehbar war. Eine Woche vor dem Avus-Rennen hatte ich auf dem Norisring in Nürnberg exakt mit dieser Ex-Walter Sommer 350er Yamaha in der 350er Klasse den zweiten Platz geholt. Extra für das 500er Avus-Rennen hatte ich aber eine modifizierte Kurbelwelle, die den Standard-Hubraum von 349 auf 354 Kubik erhöhte, eingebaut. Und somit durfte ich regelkomform, der Motor hatte ja nun über 350 Kubik, mit meiner schnellen 350er Yamaha in der 500er Klasse mitfahren. Die König-Leute haben ziemlich lange Gesichter gezogen und ich durfte meinen zweiten Platz behalten.“ 
Nach 12 Jahren Straßensport hängte der erfolgreiche Westberliner 1975 den Motorradrennhelm an den Nagel. Das Ende vom Motorsport sollte es aber nicht werden. Schon bald fragte ihn Dieter König, genau der Firmenboss, der 1973 gegen ihn Protest eingelegt hatte, ob er mal ein König-Rennboot testen möchte. Was danach folgte, wurde zur unvergleichlichen Rennboot-Sportlerkarriere. 



Multi-Champion #26 Manne Loth im König-Proprider-Rennboot.
(Foto: Archiv-Loth)


Manne Loths Erfolge gingen sogar ins Guinnessbuch ein: zwölfmal Deutscher Meister, fünfmal Europameister, dreimal Vize-Weltmeister, dreimal Weltmeister und „so nebenher“ gewann der schnelle Berliner als Punktbester europäischer Bootracer viermal die "Trophae Bussey". Die Bootrennerei im König-Proprider brachte ihn rund um die Welt, er lernte Land und Leute kennen, schloss viele Freundschaften. Nach 26 Jahren auf der Überholspur, 12 Jahre mit Motorrädern und 14 Jahre in Propridern, beendete der Vollgaspilot 1989 seine Sportlerkarriere.




(Vorlagen: Archiv-Loch)


Langweilig ist es ihm bisher allerdings nicht geworden. Die vielen Urkunden, Pokale und Siegerkränze bekamen nun einen standesgemäßen Platz im „Dachrennzimmer“ des Eigenheims. Es sind viele Erinnerungen und immerhin über 2000 Trophäen! 



Manne Loths "Schatzkammer".
(Fotos: Archiv-Scheibe)


Auch kann sich der Berliner wieder seinem „alten“ Hobby Motorrad fahren widmen. Seiner Leidenschaft für schnelle Bikes ist er treu geblieben, mit einer BMW R1100S düst er in der Rolle eines Zuschauers zu Motorradrennen nach Most, nach Oschersleben und zum Sachsenring. 


VIP-Gast bei der Sportgemeinschaft
Deutscher Bundestag


VIPs bei der Tour Berlin-Schwerin der
Sportgemeinschaft Deutscher Bundestag

Rennboot-Weltmeister Manne Loth, Schauspieler Rainer Hunold,
Gespann-Champion Ralph Bohnhorst, v.l.n.r.
(Foto: Archiv-Scheibe)



"Bootsleute" bei der SG-Tour Berlin-Kopenhagen:
MdB Willi Zylajew, dreifacher Rennbootweltmeister Manne Loth, 
Tour-Doc Jasper Hein, Hotelier Per Reul, v.l.n.r.
(Foto: Archiv-Scheibe)



Motorradfans on tour:
Rennbootweltmeister Manne Loth  und Bundesverteidigungsminister Dr. Peter Struck.


Beschauliche Ausfahrten stehen hin und wieder auch im Freizeitprogramm. Als VIP-Gast der Internationalen Freundschaftsfahrten der Sportgemeinschaft Deutscher Bundestag tourt er mit motorradbegeisterten Politikern und Promis quer durch Deutschland und Europa. Doch das hat nun nichts mehr mit der Avus-Geschichte zu tun und ist ein anderes Kapitel.


Die Idee für die Avus stammt aus dem Jahr 1909.
Die erste Wettfahrt mit Autos startete 1921,
das letzte Rennen wurde 1998 abgewunken.



Avus-Rennstrecke
1 Südschleife
2 Einfahrt zur Nordschleife
3 Nordschleife
4 Start/Ziel-Platz


Damals, kurz nach der Jahrhundertwende in den 1910er Jahren, steckte die motorisierte Mobilität buchstäblich noch in den Kinderschuhen. Viele mechanische Bauteile waren unausgereift, den Benzinkisten fehlte es an Zuverlässigkeit. Was die noch jungen deutschen Fahrzeughersteller schleunigst brauchten, waren Teststrecken. Prüfparkoure, auf denen sie die neuen Automobile und Krafträder auf Herz und Nieren erproben und vor allen Dingen weiterentwickeln und international wettbewerbsfähig machen konnten. 
Für die Realisierung solch einer Probestrecke wurde 1909 von wohlhabenden Privatinvestoren in Berlin die Avus, „Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße GmbH“, gegründet. Bis die innovativen Geschäftsleute allerdings alles zusammen hatten und sie mit den Bauarbeiten endlich loslegen konnten, wurde es 1913. Dann kam jedoch der Erste Weltkrieg dazwischen und erst 1921 ließ sich die Kfz-Versuchsstraße fertig stellen. Dafür gab es weltweit kaum etwas Vergleichbares. 
Start für die Testfahrten war in Charlottenburg. Von hier aus führte die breite Probestrecke gut 9 Kilometer schnurgeradeaus durch den Berliner Grunewald bis zur Südkehre am Nikolassee. Die 9 Kilometer lange Gegengerade verlief dann ebenfalls kerzengrade, genau parallel zur Nachbarfahrbahn, nach Charlottenburg zurück. Dann ging es durch eine weiträumige Linkskurve und nach fast 20 Kilometern Probefahrt hatte der Tester seinen Startplatz erreicht. 
Da es sich um ein reines Privatprojekt handelte, hatte der öffentliche Verkehr hier nichts zu suchen. Mit einer Ausnahme, betuchte Automobilisten, die auch mal über die Avus rauschen wollten, konnten für den stolzen Mautpreis von 10 Reichsmark hier ihren Wagen voll ausfahren. In der damaligen Zeit war das ungeheuer viel Geld, als Gegenwert hatte der Hobbyrennfahrer dafür freie Fahrt ohne Gegenverkehr und Kreuzungen, auch brauchte der Flitzer keine Polizei-Kontrollen befürchten.
Dieses Straßenmodell wurde weltweit die erste Autobahn überhaupt und diente vielen nachfolgenden Verkehrsplanungen als Vorbild.



Reichsautobahn um 1943 jeweils mit zwei, durch 
Grünstreifen getrennte Fahrspuren. 
(Foto: Bundesarchiv)


Bei den Test- und Erprobungsfahrten sollte es nicht bleiben. Schon im September 1921 wurde das erste Avis-Autorennen auf dem Höchstgeschwindigkeitskurs quer durch den Grunewald veranstaltet. Ein Jahr später, 1922, folgte das erste Avus-Motorradrennen. Mit den Zweirad-Akteuren war man manchmal aber etwas nachsichtiger. Bei einigen Veranstaltungen wurde die Rennrunde um die Hälfte auf rund 9 Kilometer verkürzt.
So wie damals die Entwicklungen der motorisierten Fahrzeuge noch am Anfang standen, musste man beim Bau moderner Verkehrsstraßen ebenfalls noch viel lernen. Recht bald stellte sich nämlich heraus, dass der Straßenunterbau den dauernden Belastungen durch den Fahrzeugverkehr nicht gewachsen war. Auch die Pistendecke erwies sich zunächst als unzureichend. Aus der Not machten die cleveren Streckenbesitzer eine Tugend, verbesserten ständig die Fahrbahn, und so konnten sie beim Anlegen neuer Verkehrswege das gewonnene Wissen weiter geben.




Start des Avis-Autorennens 1932 vor
dem Panorama der weiten Nordschleife.
(Foto: Bundesarchiv)


In den 1920er und 1930er Jahren wurden die Avus-Rennen, allen vorweg der Große Preis von Deutschland für Rennwagen und der Große Preis von Deutschland für Rennmotorräder, zu international sportlichen Großereignissen für die Berliner, für ganz Deutschland und für die restliche rennsportbegeisterte Welt. Die bestens organisierten Motorsportveranstaltungen auf der Avus wirkten wie ein Magnet, im Schnitt pilgerten rund 300.000 Schlachenbummler an die Vollgas-Piste im Grunewald.





Neben den Autorennfahrern hatten die schnellen 
Zweirad-Vollgashelden einen festen Platz bei den Avus-Rennen.
(2 Fotos: Bundesarchiv)


Mit der Avus als Versuchs-, Test- und Rekord-Höchstgeschwindigkeitsstrecke einerseits und als Auto- und Motorrad-Rennkurs anderseits, hatten die Betreiber voll ins Scharze getroffen. 



Ab 1936 konnten die Avus-Rennfans das Spektakel 
von der neuen Tribüne bestaunen.
(Foto: Bundesarchiv)


Zur Würdigung des enormen Publikumsinteresses wurde 1936 am Außenbereich, genau gegenüber vom Start/Ziel-Platz, eine zweistöckige Zuschauertribüne errichtet. Waren zum Rennrummel alle Logenplätze ausverkauft, konnten mehr als 4000 Avus-Besucher das Spektakel aus nächster Nähe mit verfolgen.
Verkehrstechnische Baumaßnahmen 1937 um den Berliner Funkturm, der 1926 eingeweihte knapp 147 Meter hohe Koloss aus Stahlfachwerk stand kaum einen Steinwurf entfernt neben der Avus-Nordkurve, kamen auch der Rennstrecke zugute. Die bisherige weiträumige Nordkurve wurde durch eine mit Ziegelsteinen gemauerte, fast 45 Grad schrägen und relativ engen Steilwandkurve ersetzt. Mit diesem beeindruckenden Kurvenbauwerk, der Fahrstreifen war fast 20 Meter breit, schlugen die Berliner Maurermeister gleich mehrere Fliegen mit einer Klatsche. Für die neuen Straßenführungen neben der Avus und dem Funkturm wurden die hierfür benötigten Räume gewonnen, bei den Avus-Rennen erhöhten sich deutlich die Rundengeschwindigkeiten und nicht zuletzt wurde den Rennbesuchern mit der Steilwandkurve ein einmaliges Spektakel geboten.



Rennsport (fast) zum Anfassen. Die Avus-Besucher konnten ab 1937
aus aller nächsten Nähe beobachten, wie die Rennwagen mit
vollem Karacho durch die neue Steilkurve donnerten.
(Foto: Bundesarchiv)


Beim Großen Preis von Deutschland im Mai 1937 purzelten dann auch gleich die Rekorde. Absolute Favoriten und damals schier unschlagbar waren die Silberpfeil-Rennwagen von Mercedes-Benz und der Auto-Union. Mercedes-Fahrer Hermann Lang kam mit seinem Grand-Prix-Rennwagen auf eine Spitzengeschwindigkeit von fast 400 Stundenkilometern und Auto-Union Grand-Prix-Rennfahrer Bernd Rosemeyer erreichte mit 276,39 Sachen die schnellste Durchschnittsgeschwindigkeit. Wohlgemerkt, das alles war 1937.

Ständig wachsendes Verhehrsaufkommen forderten in und um die Weltmetropole Berlin und Deutschlands Hauptstadt besser ausgebaute und neue Straßen. In dieses Konzept wurde die Avus mit eingebunden. Die weltweit schnellste Autobahn-Rennstrecke verlor 1940 das Privileg einer mautpflichtigen Privatstraße und wurde fortan gebührenfreier, öffentlicher Verkehrsweg. In und nach dem Zweiten Weltkrieg war es hinsichtlich der Rennerei auf der Avus sehr still.


Ab 1951 war auf der Avus
wieder richtig was los



Das Formel-1 Avus-Rennen, ohne WM-Status, wurde 1954 zum
Mercedes-Benz Festival. In der Steilkurve liegen die drei
Werksrennwagen dicht zusammen. Das Rennen gewann Karl Kling
vor Juan Manuel Fangio und Hans Hermann.
(Foto: Archiv-Daimler)


Endlich glühten 1951 wieder die frisierten Motoren. Der Geruch von hochoktanigem Benzin und verbranntem Rizinusrennöl erfüllte die Luft über der Avus. Für die Rennfahrer gings nun wieder um die Wurst und wer mithalten und eine gute Rundenzeit erreichen wollte, musste mit viel Mut und großem Schneid mit vollem Karacho durch die Steilkurve brettern. Auch wenn die Rennstrecke nun nur noch knapp halb so lang war, an der fahrerischen Herausforderung hatte sich kaum etwas geändert. Die ursprünglichen 20 Kilometer für eine Rennrunde war auf 8,3 Kilometer geschrumpft. Die Streckenführung war im Prinzip wie eh und je. Nach dem Start gings jetzt 4 Kilometer geradeaus, dann kam die neue Südkehre und es ging volle Pulle gut 4 Kilometer parallel zur Gegenfahrbahn und nach der Nordkurve, der Avus-Steilwand, zum Start/Ziel-Platz zurück.
Längst war die Avus für die Rennfahrer und die Zuschauer zum Mythos geworden. Das Auftaktereignis wurde 1951 von über 300.000 Rennfans wie ein Volksfest gefeiert.
Zum ganz großen Bahnhof wurde 1959 der Große Preis von Deutschland. Mitten im Kalten Krieg hatte der Veranstalter aus politischem Kalkül das prestigeträchtige Autorennen vom Nürburgring in der Eifel auf die Avus ins geteilte Berlin verlegt. Rennbesucher aus der DDR und Ostberlin, der damaligen DDR-Hauptstadt, durften ihre Eintrittskarte mit der deutlich kaufkraftschwächeren Ostmark bezahlen. Und da es den „Eisernen Vorhang“ und die „Mauer“ in ihrer späteren menschenverachtenden Art noch nicht gab, war der Andrang von den DDR-Rennfans gewaltig. Zum Großen Preis von Deutschland für Rennwagen 1959 kamen aus Ost und West insgesamt über 350.000 Besucher zur Avus. 
Bei den Motorradrennen fackelten die Berliner 1963 ein gewaltiges Feuerwerk ab. Im Rahmen der Langstrecken-Europameisterschaft donnerten die Zweirad-Boliden in einem 24-Stunden-Rennen über die Avus.


Avus-Rennen 1973



(Foto: Archiv-Scheibe)


Im Alltag war die Avus längst die spritzige A115 Stadt-Autobahn. Wer wollte und konnte fuhr seinen Wagen oder das Motorrad auf den endlosen Graden durch den Grunewald voll aus. Ein 100-km/h-Speedlimit gab es erst ab 1989. Hauptsächlich genutzt wurde die Avus von den Westberlinern und Besuchern als Zubringer zum Grenzübergang Dreilinden und dann via Transittrasse quer durch die DDR zum Grenzübergang Helmstedt/Marienborn und weiter Richtung Westen nach Braunschweig, Hannover und wer Lust hatte bis ans Ende der Welt. Und natürlich auch für alle, die aus dem Westen über diese Route nach Westberlin wollten. Der einstige Glamour-Ruhm der weltberühmten Avus als Teststrecke, Rekordpiste und Auto- und Motorrad-Rennbahn war inzwischen etwas verblasst. Auch das große Rennspektakel mit dem Durchfahren der Avus-Steikehre war mit dem Kurvenrückbau 1967 Geschichte. Die Königsdisziplinen im Motorsport, der Große Preis von Deutschland für Rennwagen und der Große Preis von Deutschland für Rennmotorräder, gastierten abwechselnd mal auf dem Hockenheimring, mal auf dem Nürburgring. Waren die Zuschauerzahlen an der schnellen Autobahn-Rennstrecke im Grunewald in den 1920er, 1930er und 1950er Jahren mit über 300.000 Besuchern jedes Mal rekordverdächtig, konnten die Veranstalter und Rennfahrer ab den 1960er Jahren froh sein, wenn 30.0000 bis 40.000 Schlachtenbummler am Rennwochenende kamen.. 



1973 konnte Manne Loth mit seiner 354er Yamaha 
beim 500er Avus-Rennen auf den 2, Platz fahren.
(Foto: Archiv-Loth)


An Faszination für die Rennfahrer hatte die Avus dagegen nichts verloren. Die fahrerischen und technischen Herausforderungen waren auch weiterhin beim Motorradrennen 1973 beachtlich. Dass man mit Cleverness einen herausragenden Erfolg auf der Avus feiern konnte, zeigte der zweite Platz von Manne Loth mit seiner 354er Yamaha in der 500er Klasse.


Uwe Seitz mit „Nachwuchs-Schmiermaxe“ seinem Sohn Karsten
im #2 Reichler-Maico-Renngespan mit 500er
Vierzylinder-Zweitaktboxermotor.
(Foto: Archiv-Scheibe)


Ebenfalls eine herausragende Leistung zeigten die Seitenwagen-Akrobaten Peter Alscher und sein „Schmiermaxe“ Uwe Seitz aus dem nordhessischen Korbach. Mit dem Reichler-Maico-Gespann fuhren sie auf einen beachtenswerten zweiten Platz. Das war deswegen sensationell, weil es sich um einen Eigenbau handelte. Hans Gerd Reichler, in den 1960er Jahren selbst erfolgreicher Gespannpilot, wollte den damals alles bestimmenden BMW-Boxer-Renngespannen etwas entgegen setzen. Seine Idee war, vier luftgekühlte 125er Maico-Zweitakt-Einzylinder-Rennmotoren zu einem Vierzylinder-Boxer-Rennmotor zu vereinen. Anfang der 1970er Jahre begann der begabte Techniker in der heimischen Werkstatt mit der Herstellung seines Vierzylinder-Maico-Motors.Es dauerte einige Zeit bis zum Stapellauf, als Akteure konnte Hans Gerd Reichler die schnellen Nordhessen gewinnen. Es gab Höhen und Tiefen, wenn die Reichler-Maico aber das Rennen durchhielt, war Peter Alscher mit seinem Beifahrer Uwe Seitz kaum zu schlagen.



Start der Seitenwagenklasse 1973 auf der Avus.
#2 Reichler-Maico mit Peter Alscher und Uwe Seitz.
(Foto: Archiv-Scheibe)


Der zweite Platz beim Avus-Rennen 1973 war aber auch deswegen so ein großer Erfolg für das Reichler-Team, weil die Berliner Höchstgeschwindigkeitspiste nicht nur für die Solisten sondern auch für die Seitenwagenklasse eine enorme Materialschlacht bedeutete. Einen besseren Beweis für die Leistungsfähigkeit des Maico-Vierzylinder-Triebwerks konnte der Konstrukteur Hans Gerd Reichler kaum abliefern.



Siegerehrung 1973 für die Seitenwagenfahrer. 
Platz zwei für Peter Alscher (Bild Mitte) 
und seinen Beifahrer Uwe Seitz (links).
(Foto: Archiv-Scheibe)


Viele weitere Episoden aus dem Fahrerlager und der Avus-Rennstrecke ließen sich erzählen, Langweilig war es bestimmt nie. Nach knapp 80 Jahren spannendem Motorsport auf der Berliner Avus, fand im April 1998 das endgültig letzte Vollgas-Festival statt. Eine Wiederbelebung des glorreichen Speedways ist nicht in Sicht.

Pflichtlektüre für alle Motorsportbegeisterte,
aber besonders für die Avus-Fans:


Die Avus
Deutschlands legendäre Rennstrecke - acht Jahrzehnte Motorsport
Von Axel Kirchner
Delius Klasing Verlag
287 Seiten
ISBN-13: 9783768824521


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