Mobilität und Umwelt



Fahrbericht Juni 2009


Sport-Stromer

Sportliche Mobilität im Straßenverkehr wird vom LION TWIKE neu definiert.
Durch den fahrradähnlichen Hybridantrieb lässt sich via Pedalunterstützung
die Reichweite des Leichtelektromobils erhöhen. Das spart nicht nur beim
 Stromverbrauch, es dient auch gleichzeitig der Fitness. Während der Fahrzeit
lassen sich Beinmuskulatur und Kreislauf schonend  trainieren. Das TWIKE
ist somit für Fahrer und Beifahrer ein echtes Sport-Cabriolet.

Text: Winni Scheibe
Fotos: Winni Scheibe, Bernd Werner, FINE MOBILE




Roter TWIKE ACTIVE Elektroflitzer in grüner Natur, Winni Scheibe ist vom Sport-Stromer begeistert
(Foto: Bernd Werner)


Der Weg ist das Ziel. Ganz gleich ob von A nach B, oder im Kreis herum. Spätestens seit Erfindung der Mobilität, gemeint sind hiermit Autos und Motorräder, macht der Menschheit die motorangetriebene Fortbewegung einfach Spaß. Ohne Anstrengung lässt sich über die Chaussee brausen. Auf dem Motorrad mit der Nase im Wind, oder im Automobil vor Wind und Wetter gut geschützt. Das ist die angenehme Seite und sie gefällt uns sehr gut. Dabei sollte es aber nicht bleiben. Im Wettbewerb messen sich die Hersteller, wer das beste Fahrzeug baut, erfolgreiche Rennfahrer kommen zu Ruhm und Ehre, von den Fans werden sie wie Helden  gefeiert.
Diese Sportlichkeit gab und gibt es bis heute im Fahrzeugbau in Serie zu kaufen. Denken wir nur an Ferrari, Lamborghini, Porsche, Ducati oder Buell. Design, Leistung und Geschwindigkeit lassen keinen Zweifel daran aufkommen, wofür diese Flitzer auf der Welt sind. Ähnlich wie die Vorbilder auf den Rennstrecken hat der Sportfahrer den Drehzahlmesser im Auge, es wird rasant gekuppelt und geschaltet, das Fahrwerk ist hart aber direkt, die Bremsen scharf, der Fahrstil ist forsch aber fair. Mit echter körperlichen Ertüchtigung hat diese Gaudi allerdings nicht viel zu tun. Für die Fitness geht's in die Muckibude oder noch besser, es wird bis zum Schwitzen geradelt.


Die Idee war, ein Fahrrad mit Dach über dem Kopf

 


TWIKE ACTIVE
Den Elektroantrieb gewährleistet ein Drei-Kilowatt-Asynchronmotor.
Fahrer und Beifahrer können aber auch via Pedalunterstützung die Reichweite erhöhen.
Das spart nicht nur den Stromverbrauch, es fördert auch die Fitness der Passagiere.


Fahrrad fahren kann man ganz praktisch sehen, es kommt sogar der Gesundheit zugute. Weniger lustig ist es im Regen. Gegen diese Unannehmlichkeit hatte eine Gruppe von Studenten von der Uni-Zürich eine funkende Idee. Pünktlich zur EXPO 1986 in Vancouver/Kanada stellten die Schweizer ihr TWIKE vor. Es war ein nur 50 kg schweres, überdachtes Fahrrad mit zwei nebeneinander platzierten Sitzen. Die aerodynamische Karosserie war so ausgefeilt, dass die Insassen mühelos das Vehikel via Pedalantrieb auf 50 Stundenkilometer brachten. Damit war das "Ur-Twike" geboren.
Zurück in der Schweiz ließ die Visionäre um TWIKE-Entwickler Ralph Schnyder ihre Idee vom alternativen Verkehrsmittel nicht mehr los. Ganz und gar auf Motorkraft wollte man zukünftig aber doch nicht verzichten und dachte auch gleich über eine Serienfertigung nach. Das Konzept wurde 1991 auf Alltagstauglichkeit getrimmt und erhielt einen elektrischen Antrieb. Ein Jahr später wurde die TWIKE AG in Bern gegründet und man begann mit der Serienfertigung. In Deutschland kümmerte sich ab 1998 die FINE MOBILE GmbH in Rosenthal als Generalimporteur um den Vertrieb und Service des Stromers und 2002 übernahm der rührige Betrieb in Mittelhessen die komplette Produktion des TWIKE.
"Inzwischen fahren über 900 TWIKEs auf den Straßen von Deutschland, Schweiz, Österreich, Benelux, Frankreich, Italien, USA und sogar Honda in Japan hat ein Fahrzeug von uns bekommen", lässt Firmenchef Martin Möscheid wissen.
Hinsichtlich der Akku-Technologie hat sich in der letzten Zeit viel getan und Chef-Elektroniker Bernd Werner verrät: "Seit 2007 verwenden wir Lithium-Ionen-Akkus. Mit dieser Batteriekapazität hat sich die Fahrleistung von unserem 85 km/h schnellen Leichtelektrofahrzeug auf gut 200 Kilometer an einem Stück erhöht. Wer dabei mit dem Pedalwerk das Fahrtempo unterstützt, kann sogar die Reichweite um gut 15 bis 20 Prozent verlängern."


TWIKE ACTIVE - der etwas andere Straßenflitzer


Konstruktion und Aufbau des Leichtelektromobils sind überschaubar. Die  recyclebare, thermoplastische Karosserie ruht auf einer stabilen Aluminium-Rahmenkonstruktion. Das Vorderrad wird über eine Schwinge geführt, die Hinterräder verfügen über Einzelradaufhängung, für Fahrkomfort sorgen IKON-Federbeine. Als "Notstopper" sind am Vorderrad eine Scheibenbremse und an den Hinterrädern Trommelbremsen verbaut. Im Fahrbetrieb wird der Flitzer recht sinnvoll allerdings über den Elektromotor verzögert. Das funktioniert prächtig und liefert gleichzeitig frischen Strom in die Akkus.

 

Als Energieträger dienen Lithium-Ionen Akkus. Von diesen Power-Speichern
sind jeweils 56 Zellen in einer Box untergebracht. Ingesamt befinden sich
14 Boxen, auf Wunsch aber auch 21 oder auch 28 Boxen, an Bord. Die Kapazität reicht so von gut 5 Ah bis 24 Ah.
Überwacht und gesteuert wird der Stromvorrat über einen Bordcomputer.
Die Ladedauer beträgt 1 bis 3 Stunden.


Als Energiespeicher dienen Lithium-Ionen Akkus. Pro Box sind 56 Zellen untergebracht



Im Fahrzeugheck befindet sich der Stromvorrat. In der Grundausstattung sind drei Reihen mit
je sieben Power-Boxen vorgesehen. Die in Reihe geschalteten 21 Energieträger liefern über 300 Volt Bordspannung. Auf Wunsch lassen sich aber auch weitere Akku-Boxen installieren.



Drei-Kilowatt-Asynchronmotor

 

Angefeuert wird der Stromer von einem Drei-Kilowatt-Asynchronmotor
mit integriertem Primärantrieb und Differenzialgetriebe


Primärantrieb und Differenzialgetriebe


Fahren wie schweben im Tiefflug

 


TWIKE ACTIVE
(Foto: Werk)


Zunächst das Wichtigste vorweg, das TWIKE ACTIVE ist mit bekannten Fahrzeugarten weder im Aussehen noch in der Bedienung vergleichbar. Zur Beruhigung aber gleich, die Umstellung ist kein Problem. Dennoch, eine gewisse Eingewöhnung sollte sich der Chauffeur zugestehen. Vertraute Bedienungselemente wie Zündschlüssel, Schalterhebel für Blinker, Auf- und Abblendlicht und Scheibenwischer am Lenkrad, das Lenkrad selbst, Gaspedal, Kupplungs- und Bremspedal sowie Gangschalthebel sucht man vergeblich.



Fahrgastraum fast wie im Cockpit eines Segelfliegers


Zum Einsteigen wird die Glaskuppel nach vorne geöffnet, mit einem Klettertrick findet man Platz im Schalensitz. Bernd Werner erteilt die Einweisung:
"Mit dem Hebel zwischen  beiden Sitzen wird das TWIKE, sehr feinfühlig - und bitte ohne Kraftanstrengung -,  gelenkt.
Hebel nach rechts - das TWIKE lenkt nach rechts. Hebel nach links es fährt nach links. Die Geschwindigkeit und die Verzögerung lassen sich über die beiden Druckknöpfe am Lenkhebel regulieren. Drückt man den oberen Knopf, beschleunigt das TWIKE, drückt man den unteren, fungiert der Motor als Bremse – das Fahrzeug wird langsamer und die Akkus werden wieder geladen. Beide Knöpfe haben 2 Druckpositionen, leichte Beschleunigung und starke Beschleunigung, für die der TWIKEr nach seinen eigenen Vorlieben die Stromstärken - und damit Beschleunigungswerte - einstellen kann. Ein leichter Klick auf einen der beiden Tasten und ein Tempomat wird gesetzt, das TWIKE hält die Geschwindigkeit bis zur nächsten Betätigung der Tasten. Steuern, Beschleunigen und Bremsen alles in einer Hand. Wir nennen diese einfache und einzigartige Navigation Joystick-Steuerung."
Klingt zunächst kompliziert, aber schon nach kurzer Zeit hat man den Dreh bzw. den Druck raus. Säuselnd rollt das TWIKE ACTIVE über den Asphalt. Der Motor klingt wie das Lüftergebläse einer  Mittelklasselimousine, der Fahrtwind ist lauter, angenehm lässt sich das Vogelgezwitschere am Wegesrand wahrnehmen. Fast entsteht der Eindruck, man schwebt nur wenig über der Straßenoberfläche, die tiefe Sitzposition verschafft diese ungewohnte Wahrnehmung. Auch erscheint einem aus diesem Blickwinkel das Tempo viel höher, als es in Wirklichkeit ist. Voll unter Strom läuft das Elektro-Cabriolet 85 Sachen, vom Gefühl her würde man locker 100 km/h schätzen. 
Rosenthal liegt tief in der hessischen Provinz, unweit vom Edersee. Die Teststrecke führt über verwinkelte und verkehrsarme Nebenstraßen,  vorbei an saftigen Wiesen und durch dichte Wälder. Bis zum nächsten Ort sind es einige Kilometer. Wer meint, Elektrofahrzeuge haben nur in Städten etwas zu suchen, vergisst, dass es gerade in den ländlichen Gegenden kaum eine vernünftige Infrastruktur gibt.  Egal ob zur Arbeit oder für die tagtäglichen Besorgungen, ohne eigenes Fahrzeug ist man aufgeschmissen. Auch hier haben Stromer ihre Berechtigung, dazu ist es äußerst angenehm auf leisen Sohlen durch die Natur zu gleiten.  Begleitet wird die Probefahrt mit dem guten Bewusstsein, vollkommen CO2-frei zu reisen.
Überhaupt nicht vermisst werden die vom Auto gewohnten Bedienungsabläufe. Die Navigation des TWIKEs mittels des Joysticks kommt gut an, auch das Info-Panel ist Klasse, es passt in die moderne Computerwelt.  Das macht das Konzept rund, so kann die Zukunft aussehen.
Je nach Ausstattung kostet der Spaß zwischen 18.000 bis 30.000 Euro, dafür fallen pro 100 km aber kaum mehr als ein Euro Stromkosten an. Die Steuern sind fünf Jahre frei, danach verlangt das Finanzamt 16,50 Euro Kfz-Steuer jährlich, und die Vollkasko-Versicherungsprämie beläuft sich im Schnitt auf 200 bis 250 Euro pro Jahr. Vergleicht man den Preis für das "überdachte Fahrrad mit Elektroantrieb" mit den Preisen für High-Tech Mountainbikes, für die locker 10.000 Euro auf die Ladentheke geblättert werden, sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.
Der Ausflug mit dem TWIKE ist nicht nur eine interessante Erfahrung, es ist auch ein ganz besonderes Erlebnis.

 


Cockpit mit Steuerung


Ablage hinter den Sitzen



TWIKE ACTIVE
(Foto: Werk)

 

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