Mobilität und Umwelt


Ein Bericht von Winni Scheibe aus dem Jahr 1992 zum Thema:
"Sprit sparen" 


Bis zum letzten Tropfen
"Petro-Formel-4"

Wer bei Moto aktiv in der "Petro-Formel-4" startet, braucht nicht nur
ein sparsames Motorrad, sondern auch Köpfchen. Pro Lauf gibt
es nämlich nur 4 Liter Sprit, mit denen eine Renndistanz
von etwa 50 km bewältigt werden muss.

Text: Winni Scheibe
Fotos: Scheibe, BMW



Lauf zur "Petro Formel":
Ein Sprit spar Rennen bei Moto aktiv

Alle Welt redet zur Zeit vom Benzinsparen. Bei jedem Autotest werden die Fahrzeuge kritisch auf ihren Spritkonsum geprüft. Karossen, die zuviel vom kostbaren Saft verbrauchen, erhalten trotz geregeltem Dreiwege-Katalysator (G-Kat) und modernem Motormanagement eine Rüge und Minuspunkte. Nicht nur für Tester und "alternative" Droschkenkutscher, sondern auch für immer mehr "ganz normale" Autofahrer sind inzwischen Vehikel, die über 10 l/100km Kraftstoff verschlingen, out!



BMW K1
(Foto: Werk)

Auch Motorräder brauchen Benzin und das nicht gerade wenig. Die Mär, dass Bikes auch ohne Katalysatoren abgasfreundlicher und sparsamer als Autos sind, glauben sicherlich nur noch die Hersteller selber. Eine umfangreiche Untersuchung des Instituts für Fahrzeugtechnik der Technischen Universität Berlin im Auftrage des Umweltbundesamtes 1990 belegt das Gegenteil. In einem exemplarischen Vergleich von Autos und Motorrädern zeigt die Studie, dass Motorräder erheblich mehr Schadstoffe produzieren. Und das ganz legal. Denn bis zum heutigen Tag sind sie bei der Abgas-Messmethode bevorteilt, und darüber hinaus liegt die gesetzliche "Schmerzgrenze" für den Schadstoffausstoß deutlich höher. Erst mit einem Nachrüst-Katalysator, fand das Institut heraus, können die Abgase von Motorradtriebwerken auf den heutigen Standard-Wert eines PKW verringert werden. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass weltweit die 1000er BMW K1 als einzige Serienmaschine mit einem geregelten Dreiwege-Katalysator ausgestattet ist!



Sonderlauf bei Moto aktiv:
Teilnehmer in der "Petro Formel"


Zwar beträgt von allen Fahrzeugarten, die auf unseren Straßen herumfahren, der Anteil an Motorrädern nur 2 Prozent, doch kein Grund diese Gruppe aus der Umweltdiskussion auszuschließen. Dies ist auch die Meinung von Moto aktiv e. V. in Marburg. In der von diesem Verein organisierten "SMT" (Serienmaschinentrophy) wurden vergangene Saison die neuen Klassen "Petro Formel" und "Kat-Wertung" aufgenommen. In der "Petro Formel" ist es aber nicht damit getan, die Serien-Bikes "noch schneller zu machen", sondern bei gleichen Fahrleistungen ist eine Kraftstoffreduzierung gefragt. Wie dieses Ziel erreicht wird, bleibt jedem Teilnehmer selbst überlassen. Erlaubt ist alles. Denn pro Rennlauf gibt es nur 4 Liter übliches Bleifrei Super Plus - die Kosten für den Sprit übernimmt Moto aktiv - mit dem die etwa 50 km lange Renndistanz bewältigt werden sollte. 


Sinn und Zweck der "Petro-Formel-4" ist es aber, nicht nur die
"Tuner-Tätigkeit" in eine andere Richtung zu lenken,
sondern auch ein neues "Rennbewusstsein" zu schaffen.


Rennstrecken-Test:
Auf der Piste braucht die Yamaha FZR 750 R 12,1 Liter pro 100 km... 


... und die BMW K 100 RS 11 Liter pro 100 km


Dass diese gestellte Aufgabe kein leichtes Unterfangen ist, zeigt ein Blick auf die tatsächlichen Spritverbräuche. Drehen die Piloten ordentlich am Gasgriff, schlucken die Bikes, unabhängig vom Hubraum, alle locker über 10 l/100km. Der genau ausgewertete Kraftstoffkonsum liegt zum Beispiel bei einer Suzuki RGV 250 (54 PS) bei 11,2 l/100km, der einer Kawasaki GPZ 500 S (60 PS) bei 10,1 l/100km, die Messung einer Honda CBR 600 F (100 PS) ergab 10,4 l/100km, gleich 12,1 l/100km schluckte eine Yamaha FZR 750 R (100 PS), und die BMW K 100 RS (100 PS) war mit 11 l/100Km kaum sparsamer.



(Foto: Archiv)

Verbrauchsmessung:
Im Renneinsatz verbraucht die Honda CBR 600 F 10,4 Liter pro 100 km


Genügsamer zeigen sich dagegen die Zweizylinder-Bollermänner Moto Guzzi Le Mans (95 PS) oder Ducati 851 (83 PS). Mit 8,1 beziehungsweise 9,2 Litern pro 100km gehen sie im Renntempo relativ sparsam mit dem kostbaren Nass um.



Petro-Formel-4 im Parc Fermé:
Jedes Bike bekommt exakt 4 Liter Treibstoff


Doch ganz gleich wie viel sich die Bikes im einzelnen wegnuckeln, eine Stunde vor dem Rennen müssen die Fahrzeuge mit restlos leerem Tank im Parc Fermé stehen. Hier werden sie dann von technischen Kommissaren genau mit 4 Litern betankt. Mogeln ist nun ausgeschlossen. Wer das Ziel erreichen will, darf nicht so kräftig Gas geben oder muss sich konstruktiv etwas einfallen lassen.

Ganz pfiffig war Achim Steinmacher. Er baute eine Lambdasonde in den Auspuff seiner Suzuki GSX R 750 und konnte so während des Rennen per Leuchtdioden-Skala genau ablesen, wie effektiv das Vierzylinder-Triebwerk im jeweiligen Drehzahlbereich arbeitete. Der Aufwand lohnte sich. Beim zweiten Lauf zur "Petro- Formel-4" auf dem holländischen Kurs in Zandvoort konnte er mit dem letzten Tropfen Sprit das Rennen gewinnen. 



Aerodynamische Rennverkleidung und Sitzbank
an der 250er Kawasaki KR 1S von Martin Senff (rechtes Bike)


Auch Martin Senff machte sich Gedanken und konstruierte eine rein nach Gefühl aerodynamisch besser ausgelegte Rennverkleidung und Sitzbank an seine 250er Kawasaki KR 1S. Beim ersten Lauf in Zandvoort blieb er nämlich zwei Runden vor Schluss mit leerem Tank liegen. Hochgerechnet betrug der Verbrauch 10,25 l/100km. Nach dem Umbau kam er beim nächsten Lauf tatsächlich eine Runde weiter. Jetzt konsumierte seine flinke 250er nur noch 9,61 l/100km. Doch noch immer zuviel, denn das Ziel erreichte er wieder nicht.



In voller Fahrt:
Autor Winni Scheibe auf der Yamaha TDM 850
(Foto: Archiv)


Ganz auf die Chemie vertraute der Autor dieser Zeilen, als er das Ölzusatzmittel "Metalon" in das Motoröl der Yamaha TDM 850 schüttete. Laut Hersteller soll das Wundermittel nicht nur leistungsfördernd sein, sondern auch den Benzinverbrauch ordentlich senken. Auch er war beim ersten Lauf zwei Runden vor Schluss mit der TDM 850 ohne Saft liegen geblieben (10,3 l/100km). Bis zum zweiten Lauf wurden über 1500 km mit dem Zusatzöl gefahren - damit wirklich alle beweglichen Teile im Motor von diesem Zusatzöl umspült wurden - und die Erwartung war entsprechend hoch. Doch im Rennen nutzte es leider wenig. Nicht einen Deut senkte sich der Spritverbrauch, nach 40 km war der Tank wieder leer!
Um die Wirksamkeit des Zusatzöles "Metalon" herauszufinden, wurde vor dem Einschütten und nach 1500 km eine exakte Leistungsmessung auf dem DYNOTEC-Prüfstand von Stefan Leiber, sowie vergleichbare Verbrauchsmessungen gefahren. Das Ergebnis war ernüchternd: Beide Messungen bescheinigten der Yamaha 82 PS bei 7500/min, und der Spritverbrauch wich nicht eine Stelle hinter dem Komma ab. Fazit: "Wunder dauern immer etwas länger!"



Rennende:
Nach dem Lauf wird der Rest Sprit genau gemessen

Die mit 25 bis 30 Startern gut besetzte "Petro-Formel-4" wurde in der vergangenen Saison drei Mal durchgeführt, zwei Mal in Zandvoort und ein Mal in Zolder/Belgien. Kamen bei den ersten beiden Läufen gut ein Drittel der Starter ins Ziel, reichte beim letzten Lauf in Zolder der Sprit nur für zwei Biker. Alle andern blieben vorzeitig ohne Benzin liegen. Einige ganz fleißige Rennpiloten schoben ihr Bike zum Gaudi und unterstützt vom Applaus der Zuschauer sogar die letzten Meter über die Ziellinie. 
Mit der "Kat-Wertung" setzt Moto aktiv im Motorradrennsport ebenfalls Akzente. Bevor die offiziellen Verbände "OMK" oder "FIM" die generelle Einführung von Katalysatoren fordern, werden umweltbewusste Biker bei Moto aktiv belohnt. Kein geringerer als Zubehörmulti Hein Gericke sponsert die "Kat-Wertung". Pro Rennklasse erhält der beste "Kat-Fahrer" 200 Mark Sieges-Prämie. Ein Beispiel, das Schule machen sollte.
Fast schon selbstverständlich ist die Lautstärkeregelung bei Moto aktiv. Nach dem Motto "Laut ist Out" dürfen die Maschinen in der "SMT" nicht mehr als 94 db (A) Krach produzieren. Bei OMK-Rennen zur Deutschen Meisterschaft liegt die Lärmgrenze noch bei 105 db (A)! 
In der kommenden Saison werden gleich sechs Läufe zur "Petro Formel" veranstaltet. Auch die "Kat-Wertung" ist weiter ein Bestandteil der Ausschreibung. 


Moto aktiv, ein Verein mit Pfiff



Seit 1988 gibt es Moto aktiv. Die Fortbildungs- und Schulungseinrichtung für Zweiradfahrer e.V. hat ihren Sitz in Marburg an der Lahn. Neben Fortbildungsseminaren für Motorradsicherheitsinstruktoren, Technikkursen und touristischen Veranstaltungen ist das "Integrative Motorradtraining" Hauptbestandteil des Vereines. In diesem beispielhaften Trainingskonzept wird von "Beginners-Kursen" für Anfänger und Wiedereinsteiger, über Sicherheitslehrgänge für Fortgeschrittene, Sportfahrertraining für Könner bis zur Serienmaschinenrennklasse für rennbegeisterte Biker ein breites Programm angeboten. Kein anderer Motorradclub konnte in der letzten Zeit einen derartigen Zulauf verzeichnen wie Moto aktiv. Im letzten Jahr beteiligten sich knapp 3000 Motorradfahrer/innen an den Veranstaltungen.


Wichtig!
Dieser Bericht stammt aus dem Jahr 1992!


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