Reparatur einer Telegabel
"Gabel Fest"
Die Motorrad-Telegabel übernimmt
nicht nur die Führung des Vorderrades,
sie ist auch für Fahrkomfort
und Fahrsicherheit verantwortlich. Ist die Gabel verschlissen oder
defekt, verschlechtert sich das Fahrverhalten kolossal.
Um die
100prozentige Betriebssicherheit wieder herzustellen,
muss das Bauteil
überholt werden.
Text&Fotos: Winni Scheibe
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Off-Road Bolzen:
Bei diesem Spaß kann eine Telegabel schon mal Schaden nehmen
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Neben Steuerkopf-,
Schwingen- und Radlagern sowie den Federbeinen gehört die
Vorderradgabel zu den wichtigen Rahmenbauteilen. Mit zunehmender
Kilometerleistung - ohne regelmäßige Wartung versteht sich -, nach
einer falschen Radmontage oder nach einem "Ausrutscher" kann
sich das Ansprech- und Dämpferverhalten der Gabel verändern, oder
sogar verschlechtern. Die Ursache hierfür können vielfältig sein.
Dümpelt seit Jahr und Tag immer noch die erste Ölfüllung in den
Gabelholmen, darf von ihr keine einwandfreie Dämpfung erwartet werden.
Eine Neubefüllung kann Wunder bewirken. Wenigstens alle 10.000 km
sollte man einen Gabelölwechsel durchführen.
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Ist die Gabel ohne
Faltenbälge ausgestattet, unterliegen die Gabel-Dichtringe einem
weitaus höherem Verschleiß als mit diesen Staub- und
Schmutzschützern. Tröpfelt an der Gabel neben dem Übergang vom
Standrohr zum Gleitrohr Öl heraus, ist es ein sicheres Zeichen dafür,
dass der Dichtring defekt ist. Das auslaufende Gabelöl verschmuddelt
aber nicht nur die Maschine und kann auf die Bremsscheibe tropfen, der
geringe Ölstand im Holm verschlechtert auch das Ansprech- und
Dämpferverhalten der Telegabel. In diesem Fall muss die Gabel zerlegt
und die Dichtringe müssen erneuert werden.
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verschlissenes Standrohr (rechts) |
Taucht die Gabel nur
störrisch ein oder hakelt beim
Ein- oder Ausfedern, kann es hierfür
drei Gründe geben
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Erstens:
Nach der letzten Reifenmontage haben sich beim Radeinbau die Gabelholme
verspannt. Um festzustellen, ob das Gehakele tatsächlich hierher kommt,
werden alle Schrauben vom Gabelstabilisator - falls vorhanden -, den
Gabelklemmfäusten sowie der Achsmutter losgedreht. Jetzt wird das
Fahrzeug vom Ständer gehoben und die Telegabel einige Male kräftig
eingefedert. Aus Erfahrung muss gesagt werden, dass sich hierfür
empfiehlt, das Vorderrad gegen ein Hindernis zu schieben, und nicht die
Handbremse als Stopper zu benutzen. Nun wird zuerst die Vorderachse
korrekt angezogen und, falls erforderlich, mit einem Splint gesichert.
Danach wird die Gabel noch einmal fünf- bis zehnmal zusammengedrückt.
Hierbei muss sie tadellos ein- und ausfedern. Erst nach dem
"Gabelpumpen" dürfen die Klemmschrauben sowie die Schrauben
vom Gabel-Stabi festgezogen werden.
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Beim Radeinbau muss sorgfältig
gearbeitet werden
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Zweitens:
Nach einem leichten "Ausrutscher" hat sich die Gabel verdreht.
Die Gabelstandrohre sind zwar nicht krumm, aber bereits beim Augenschein
lässt sich mit einem Blick über den gerade gehaltenen Lenker erkennen,
dass das Vorderrad schief steht. In gleicher Reihenfolge wie oben
beschrieben - zusätzlich müssen aber jetzt noch die Klemmschrauben von
der oberen und unteren Gabelbrücke gelöst werden - wird die Gabel
ausgerichtet.
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Beim Ausrutscher kann sich die Gabel
verdrehen
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Drittens:
Die Standrohre sind nach einem Crash beschädigt, sind krumm oder die
Oberfläche ist stark verschrammt. Hier gibt es nur noch eins: die Gabel
muss zerlegt und neue Standrohre eingesetzt werden.
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So ein Kunststück wird meist teuer
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Die Reparatur
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Für diese Reparatur wird das Motorrad so auf den Hauptständer
gestellt, dass das Vorderrad ausgebaut werden kann. Sind beide
Standrohre beschädigt, muss man die Gabel komplett ausbauen, ist aber
nur ein Rohr kaputt, lässt sich die Arbeit vereinfachen, und es braucht
nur ein Gabelholm ausgebaut werden. Nach der Überholung sollte man in
jedem Fall frisches Gabelöl in den Holm füllen, das gilt natürlich
auch für den zweiten Gabelholm. Daher wird, nachdem das Vorderrad
herausgenommen ist, erst einmal das Gabelöl aus beiden Holmen
abgelassen. In der Zeit während das Öl abtropft, wird der Lenker, und
wenn erforderlich, die Instrumente abgebaut, die Schrauben vom
Schutzblech sowie die obere Gabelverschlussschraube herausgedreht. Als
nächstes wird die Gabelfeder herausgezogen. Ist die Feder progressiv
gewickelt (an der unterschiedlichen Wicklung erkennbar), muss man sich
unbedingt merken, wie die Feder im Holm gesteckt hat. Ebenfalls muss man
sich die Reihenfolge von eventuellen Ausgleichsbuchsen oder
Distanzscheiben merken. Eine unabdingliche Voraussetzung für die
Schlosserei ist gut sortiertes Werkzeug. Auch sollten bereits alle
benötigten Ersatzteile wie Standrohre, Dichtringe, Staubkappen und
Gabelöl bereits organisiert sein. Als eine nützliche Schrauberhilfe
kann ein Werkstatt- oder Ersatzteilbuch dienen. Die erforderliche
Gabelölsorte sowie Ölmenge und Luftpolster sollte man ebenfalls in
Erfahrung bringen. |
Nach dem Lösen der
Klemmschrauben von der unteren und oberen Gabelbrücke lässt sich der
Holm nach unten herausziehen. Das weitere Zerlegen des Gabelholms sollte
auf einer sauberen Werkbank erfolgen. Im unteren Ende des Tauchrohres
sitzt bei den meisten Gabeln die Schraube, die das Dampferelement fest-
und somit die Gabel zusammenhält. Lässt sich diese Schraube nicht ohne
weiteres losdrehen, kann man das Tauchrohr - nie aber das Standrohr, wenn
es sich um eine andere Wartungsarbeit handelt - vorsichtig mit
Schutzbacken in einen Schraubstock spannen. Nachdem die Halteschraube
herausgedreht ist, lässt sich das Standrohr nun aus dem Tauchrohr
ziehen. Das Dämpferelement wird vom beschädigten in das neue Standrohr
gewechselt. Liegt der Gabelholm zerlegt auf der Werkbank, sollte man in
jedem Fall den Dichtring im Tauchrohr erneuern. Mit einem Montagehebel
lässt er sich mühelos herraushebeln. Beim Einsetzen des neuen
Dichtringes muss man allerdings etwas mehr Sorgfalt walten lassen. Hat
man hierfür kein Spezialwerkzeug zur Hand, kann auch eine genau
passende Nuss weiterhelfen. Wichtig ist nur, dass der Dichtring nicht
verkantet eingesetzt wird. Damit beim Einschieben des neuen Standrohres
der Dichtring nicht gleich beschädigt wird, schmiert man etwas Fett an
die Dichtlippen. Mit der unteren Schraube im Tauchrohr wird der
Gabelholm danach wieder zusammengeschraubt und anschließend das Bauteil
in die Gabelbrücken zurückgeschoben. Die unteren
Gabelbrücken-Klemmschrauben festziehen und die Ölablassschrauben fest
eindrehen.
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Dichtring wird ausgebaut
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Für eine einfachere Montage des
Standrohres wird der Dichtring gefettet
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Neuer Dichtring wird eingesetzt |

Gabel wird mit Öl befüllt
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Nach der erfolgreich
durchgeführten Reparatur werden abschließend die Gabelholme mit
frischem Dämpferöl befüllt. Hier unterscheidet man einmal die
"Füllmenge" und das "Luftpolster". Lässt sich die
erforderliche Ölmenge aus den technischen Daten entnehmen, ist in den
wenigsten Fällen das Maß für das Luftpolster angegeben. Diese Angabe
lässt sich aber beim Händler erfragen. Das genaue Luftpolster ist aber
wesentlich wichtiger als die Ölmenge. Und das erklärt sich so: Werden
beide Holme mit der angegebenen Ölmenge befüllt, kann es dennoch
vorkommen, dass der Ölstand unterschiedlich hoch ist. Aus diesem Grund
wird nach der Neu-Befüllung - nach Angabe in ccm - die Gabel mindestens
20-mal behutsam bis zum Anschlag zusammengeschoben und wieder
herausgezogen. Mit diesem "Gabelpumpen" wird das
Dämpfersystem entlüftet. Danach werden die Holme noch einmal bis zum
Anschlag zusammengedrückt und mit einem Spanngurt in dieser Position
festgehalten. Jetzt wird das "Luftpolster" vom oberen
Gabelrand bis zum Ölstand mit einem Zollstock gemessen und durch
Nachfüllen oder Absaugen angepasst. Nur wenn der Ölstand in beiden
Holmen gleich hoch ist, darf eine einwandfreie Funktion der Telegabel
erwartet werden.
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"Pumpen" |

"Luftpolster messen" |
Erst wenn die Holme mit neuem Öl
befüllt sind, werden die Gabelfedern eingeschoben, die
Verschlussschraube eingedreht und gut festgezogen. Zum Schluss der
Schrauberaktion werden die Klemmschrauben der oberen Gabelbrücke
angezogen, der Lenker, das Schutzblech und das Vorderrad montiert.
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