Technik


Customizing

"Edel-Werk"

"Customizer" sind Künstler und zugleich solide Handwerker.
Leute, die eine Serienmaschine in einen exklusiven Chopper 
oder eben in ein Custom-Bike verwandeln.

Text & Fotos: Winni Scheibe 




Wer sein Bike richtig rausgeputzt hat, ist im Grunde genommen gestraft. Nicht nur, dass die Sache in den meisten Fällen verdammt teuer war, fürs Putzen und Polieren muss man regelmäßig einen Urlaubstag buchen. Denn was soll das Ganze, wenn nicht alles anständig blinkt und glänzt. Es soll sogar Putzfanatiker geben, die weit mehr Zeit mit dem Wienern verbringen, als sie auf ihrem Bock sitzen. Doch Spaß beiseite. So ein echt gut gemachter Chopper gibt schon was her, er ist Blickfang und mit Recht kann der Besitzer stolz aufs Bike sein. 


Custom-Bikes sind längst nicht immer Harleys


Hayabusa "Wetterfighter" von Jürgen T.



Yamaha XV 650 Custom-Bike von Fred Z.



"Triangular" von Wolfgang K.


Harris-Suzuki


Denn abgesehen von den taufrischen Maschinen im Showroom beim Händler, gibt es kaum einen Chopper, der nicht in irgendeiner Weise umgebaut ist. Manche weniger, manche mehr. Im branchenüblichen Sprachgebrauch wird das Aufmotzen "customizing" genannt. Gemeint ist damit das optische und technische Aufwerten. Hierbei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen Klassiker, Youngtimer, Secondhand-Bike oder eine brandneue Maschine handelt. Eine Norm fürs Customizing gibt es nicht. Jeder "Macher" ist selbst Herr der Dinge, bestimmt die Stilrichtung. Und hier ist in der nach oben offenen "Custom-Skala" keine Grenze gesetzt. Wollte man alle Finessen aufzählen, ließe sich spielend ein dickes Buch füllen.



...so stellen wir uns ein optisches Customizing vor...


Pauschal lässt sich das Customizing in zwei Rubriken einteilen: in die optischen und in die technischen Veränderungen. Wer sich der Sache selbst annimmt, sollte aber unbedingt über "Schrauber"-Know-how und gut sortiertes Werkzeug verfügen. Denn wer pfuscht, wird mit Verachtung gestraft. In keiner anderen Szene werden Ideen und Ausführungen so kritisch unter die Lupe genommen. Wer Aufmerksamkeit und Anerkennung ernten will, muss sich kräftig anstrengen, monatelanges Werkeln sind im diesem Metier durchaus Standard.



...und so kann ein technisches Customizing aussehen...


Es geht allerdings auch einfacher. Nämlich dann, wenn man den Auftrag an Profis übergibt. Das ist zwar eine Stange teurer, hat aber den Vorteil, dass die Leute bereits mit allen möglichen Spezialfirmen zusammenarbeiten. Muss sich der Akteur nämlich erst selbst auf die Socken machen, um diese Firmen zu finden, heißt das noch lange nicht, dass der ausgeguckte Betrieb tatsächlich die erwartete Qualität liefert. Hinterher ist man bekanntlich immer schlauer, das Lehrgeld ist aber erst einmal futsch. Damit die Sache nicht schief geht, geben wir nützliche Tipps.


"Glanz & Goloria"
Polieren

Glanzwerk: 
Polierter Alu-Tank und Motorseitendeckel


Eine recht preiswerte Angelegenheit, frischen Glanz ans Bike zu bekommen, ist das Aufpolieren von Aluminiumflächen. Mit der Zeit verlieren sie nämlich ihren Glanz und werden "blind". Inzwischen gibt es von etlichen Firmen Polier-Sets für Heimwerker. Handelt es sich nur ums "Auffrischen", kann die Arbeit direkt am Bike erfolgen. Mühseliger wirds, wenn von den Flächen der Schutzlack abgeplatzt ist, sie vom Streusalz angefressen oder nach einem "Ausrutscher" verschrammt sind. Mit "nur" Aufpolieren sind ramponierte Aluflächen nämlich nicht zum Glanz zu bringen. Lackreste und Riefen müssen zunächst sorgfältig ausgeschliffen werden. Gemäß der Gebrauchsanweisung werden erst die Schleifscheiben und dann die Schwabbelscheiben verwandt. 




Werden die Schleifscheiben immer gut vorbereitet und die Leinenscheiben gut gewachst, lassen sich mit solchen Polier-Sets Dutzende von Flächen auffrischen. Sind die Alu-Teile einmal perfekt glattpoliert, genügt es in den meisten Fällen, die Oberfläche regelmäßig mit handelsüblicher Alu-Politur blank zu wienern.


"Edelschicht"
Vernickeln & verchromen


Glanz & Gloria: Verchromte Teile


Vernickelte, verchromte oder gar vergoldete Bauteile machen mächtig was her. Dieser Anspruch hat allerdings auch seinen Preis. Das Glanzvernickeln eines Rahmens kostet ab 500 Euro. Soll die Arbeit gut werden, sind jedoch allerhand Arbeitsgänge erforderlich. Je nach gewünschter Ausführung müssen die Teile in unterschiedlichen galvanischen Bädern ein elektrisches Bad nehmen. Diese Prozedur erfordert unfangreiche Fachkenntnis, viel Geduld und ist mit erheblichem Zeitaufwand verbunden.
Aber nicht jedes Teil darf verchromt werden. Genaue Auskunft erteilen die TÜV-Prüfstellen. Diese Sachen werden dann nur glanzvernickelt. Fahrzeugteile aus Kupfer, Messing, Stahl oder Zinkspritzguss lassen sich problemlos verchromen, versilbern oder sogar vergolden, letzteres ist aber eine reine Kostensache. Auch Aluminium und Kunststoffe lassen sich mittlerweile mit einer galvanischen Glanzschicht überziehen.

Vorarbeit fürs Verchromen


Ganz gleich in welches galvanisches Bad das Bauteil aber gesteckt wird, zunächst sind umfangreiche Vorarbeiten fällig. "Wir bekommen von Kunden immer wieder die Anfragen, ob sie die Lackreste selbst abbeizen, oder die Roststellen mit dem Sandstrahler richtig saubermachen sollen. Von diesem gut gemeinten Willen raten wir jedoch sofort ab", betont ein Chromspezialist und fügt hinzu,  "diese Säuberungsaktionen verursachen in aller Regel großen Schaden. Das Material wird porös, und wir brauchen bedeutend mehr Zeit, um die Oberfläche wieder spiegelglatt zu bekommen. "Wer etwas galvanisieren lassen möchte, braucht das Bauteil nur abbauen, es ordentlich sauberwaschen und abgeben. Alte Fahrzeugteile wie zum Beispiel Motorradtanks muss man allerdings besonders gründlich säubern und Auspuffanlagen gut ausbrennen. Für alles weitere sind die Fachleute im Galvanikbetrieb zuständig."
Alle lackierten Teile werden zuerst im Entlackungsbad von der Farbe befreit. Handelt es sich um Sachen, die bereits einen galvanischen Überzug hatten, wird in einem elektrolytischen Bad die Oberfläche entchromt und entnickelt. Anschließend kommen die Teile in ein mehrstündiges Salzsäurebad zum Entrosten.


Ist die Oberfläche danach metallisch sauber, lassen sich alle Kratzer, Riefen und Rostspuren erkennen. Je nach Erfordernis beginnt nun die Schleifarbeit in mehreren Arbeitsgängen. "Diese Arbeit verlangt handwerkliches Fingerspitzengefühl und ein hohes Maß an Erfahrungen, sie ist auch sehr zeitaufwändig und schmutzintensiv," beschreibt der Experte diesen Arbeitsabschnitt.


Bevor die blanken Bauteile nun ihre Kupferschicht erhalten, werden sie mittels Perchloräthylendampf von dem Schleif- und Polierfett gereinigt und entsprechend dem Material mit einem besonderen Vorbehandlungsverfahren in verschiedene Beizen getaucht, damit vorm Galvanisieren auch feinste Oxydschichten entfernt sind. Nachdem die Teile mit einer hauchdünnen Kupferschicht überzogen sind, werden sie getrocknet und ein zweites Mal an der Schwabbelscheibe auf Hochglanz poliert.



Beispiele für die Arbeitsstufen beim verchromen:
unbehandelt-, gesäubert-, poliert-, vernickelt-, verkupfert- und verchromtes Teil


Bleiben trotzdem Riefen und Kratzer sichtbar, kommt das Teil noch einmal ins Kupferbad, wird erneut poliert, und sind die Macken dann immer noch nicht weg, wird der Vorgang solange wiederholt, bis die Oberfläche spiegelblank ist. Ist man mit der Arbeit zufrieden, werden die Brocken gereinigt, entfettet und im elektrischen Galvanikbad hochglanzvernickelt. Gleich danach kommen sie ins Chrombad. Nach etwa fünf Minuten ist der galvanische Prozess beendet und die Oberfläche mit einer zunächst gelblich wirkenden, Chromschicht überzogen. Nach Abspülen im Wasserbad erhält das Bauteil nun endlich seinen Chromglanz.



"Lackschicht"
Kunststoffbeschichten


...wenn's ums "Make up" geht, ist alles erlaubt...


Das Kunststoffbeschichten von Motorradteilen ist eine relativ junge Angelegenheit. Seit Mitte der 80er Jahre beschäftigt man sich damit. "Doch Kunststoffbeschichten ist nicht gleich Kunststoffbeschichten," betont Johannes Salch, Fachmann auf diesem Gebiet aus Hammelburg. "Voraussetzung für eine einwandfreie Beschichtung ist eine tadellos metallisch saubere Oberfläche. Und die lässt sich nur durch gewissenhafte Strahlarbeit erreichen."


Teile werden gestrahlt


Duroplastpulver wird auf das
Werkstück aufgenebelt.


gestrahlte Felge - beschichtete Felge


Sind die angelieferten Bauteile abgewaschen und absolut fettfrei, werden, soweit vorhanden, alle Gewinde sowie Lagerflächen sorgfältig mit Klebeband oder entsprechendem Hilfsmitteln abgedeckt. Die weitere Vorbereitung erfolgt danach in zwei Arbeitsgängen. Zunächst werden die Teile in einer Sandstrahlkabine vorbehandelt. Diese Reinigungsprozedur geschieht automatisch. Anschließend wird die Arbeit in einem Frei-Strahl-Raum fortgesetzt. Jedes Bauteil wird mit der Strahlpistole per Hand solange gewissenhaft sandgestrahlt, bis selbst der hinterste Winkel metallisch blitzblank ist. 



Kunststoffbeschichten:
Bei rund 200 Grad schmelzen die Pulverteilchen zusammen


Für eine einwandfreie Beschichtung ist die Vorarbeit enorm wichtig," betont Johannes Salch. "Nur wenn das Teil 100prozentig sauber ist, kann sich das Lackpulver dauerfest mit der Metalloberfläche verbinden." 
Kunststoffbeschichten ist mit herkömmlichem Naßlackieren nicht vergleichbar. Ohne Lösungsmittel wird das trockene Duroplastpulver auf das Werkstück aufgenebelt. Hierbei ist das Bauteil negativ geerdet, die pulverförmigen Kunststoffteilchen in der speziellen Sprühpistole dagegen sind positiv aufgeladen. Die elektrostatische Anziehungskraft ermöglicht es, dass sich die Kunststoffteilchen gleichmäßig in jede Ecke und auf alle Kanten ablagern. Ist das Werkstück rundherum eingenebelt, wird das Pulver vorerst nur elektrostatisch festgehalten. Erst wenn nach diesem Arbeitsgang die Sachen in den Heizofen geschoben sind, schmelzen die Pulverteilchen bei einer Temperatur von 200 Grad zusammen - sie werden hierbei zusätzlich chemisch vernetzt - und überziehen das ganze Werkstück mit einer dünnen, geschlossenen Oberfläche.



Den spiegelnden Hochglanz von den bekannten Lackierverfahren erreicht die Kunststoffbeschichtung, aber nur bis etwa 80 Prozent, was sich jedoch nur auf größeren Flächen wie Tank oder Schutzblechen bemerkbar macht. Daher wirken kunststoffbeschichtete Bauteile etwas matt. Ohne weitere Nachbehandlung oder Aushärtezeit lässt sich das frisch beschichtete Bauteil gleich montieren. Es ist licht- und wetterbeständig, extrem schlagfest und sofort belastbar. Im Preisvergleich zum Nasslackieren ist Kunststoffbeschichtung günstiger.


"Lackschicht"
Nasslackierungen


Farbkünstler Peter Stücker


Ein Spezialist für Nasslackierungen ist Peter Stücker. Er ist Farbkünstler und Designer. Auch kein Wunder. Sein Handwerk hat der Westfale aus Sassenberg bei Luigi Colani gelernt. Mit einfach nur Lackieren ist es bei ihm nicht getan. Er hat sich auf das Design von Motorrädern spezialisiert. Jedes angelieferte Teil gestaltet er garantiert unverwechselbar und einzigartig. Sind die Teile geschliffen, erfolgt die Grundierung und Füllern sowie das Besprühen mit schwarzer Kontrollfarbe. "Die Kontrollfarbe wird nach dem Trocknen mit 400er oder 800er Schleifpapier wieder abgeschliffen, dabei kann ich die letzten Unebenheiten auf der Oberfläche feststellen und beheben", verrät der Lackspezialist.


Nun erfolgt die Reinigung der Teile mit Silikonentferner und das Abreiben mit destilliertem Wasser, was die statische Ladung auf ein Minimum reduziert. Bevor es ans eigentliche Lackieren geht, wird das Teil auf verborgene Körnchen abtastet. Nach bestandener Prüfung werden drei Spritzgänge des gewünschten farbigen 2-Komponenten-Acryllacks und eine Schicht Klarlack aufgetragen.
Lasuren erfordern die gleiche Vorbereitung der Bauteile, nur wird vor der Lasur ein 1K-Basislack aufgesprüht. Die Weiterverarbeitung nach der Lasur erfolgt mit zwei bis sechs Gängen Klarlack, der rund 35 Minuten im Trockenofen getrocknet wird. Bevor es dann aber weitergeht, bleibt das Bauteil zum Ausdunsten einen Tag hängen.



Eine gute Lackierung ist wie ein Kunstwerk


Mit feinem 1200er Nassschleifpapier wird die Oberfläche danach noch einmal nachgeschliffen. Das geschieht sehr vorsichtig, um die Kanten der Lasuren nicht zu beschädigen. Zwei bis acht abschließende Klarlackschichten beenden das Werk, das eine glatte Oberfläche ohne Ecken und Kanten vorweisen kann. Bei Sonderbemalungen sind sogar bis zu zwölf Klarlackschichten notwendig, bis man die Übergänge nicht mehr fühlen kann.



"Lackschicht"
Airbrush


Airbrush-Künstler Karsten Seitz


Wem Kunststoffbeschichten zu schnöde und eine Nasslackierung zu alltäglich ist, bringt die Sachen zum Airbrusher. Hier spielt es überhaupt keine Rolle, ob es sich um ein Bauteil vom Bike, eine Lederjacke oder den Helm handelt. Airbrusher sind Künstler, die jedes gewünschte Motiv auf die Fläche zaubern. Motivwahl und Motivgeschmack sind von Kunde zu Kunde allerdings sehr unterschiedlich. "Es gibt Leute, die bringen mir eine Vorlage, und ich soll exakt danach ein Bild brushen. Das geht soweit, dass ich Poster mit einer Polaroidkamera ablichtet und fast maßstabgetreu nach dem Foto arbeite," verrät Airbrusher Karsten Seitz.




Auf Tanks findet man oft interessante Airbrush-Motive


Soll ein Helm ein verrücktes Motiv bekommen, wird Visier und Mechanik abmontiert und die Innereien abgeklebt. Danach wird der Helm mit 400er Schleifpapier angeschliffen. Bunte Helme werden anschließend weiß lackiert. Ansonsten verändert sich später die gebrushte Farbe. Rund 35 Stunden sitzt Karsten Seitz zum Bespiel an einem Helm. Ist das Kunstwerk vollendet, wird es abschließend mit drei Klarlackschichten überzogen.



"Werner lass kesseln!"


"Optik mit Ecken & Kanten"
Gravuren


Eine ganz andere Art die Oberfläche zum Blickfang zu machen, sind Gravuren. Ähnlich wie der Zahnarzt beim Zähnebohren fräst der Graveur frei Hand mit einem Mini-Fräser filigrane Nuten in Motordeckel, Bremszangen, Stahlschutzbleche, Haltelaschen oder Felgen. Bauteile aus Alu werden danach poliert, Stahlteile frisch verchromt.


"Die stille Welt des TÜVs"
Technisches Costumizing



"Nabenlos"
Fred Kodlin Shine"


Beim technischen Costumizing kann man sich heute aus dem Regal bedienen. Das war nicht immer so, hier setzt nur die Größe des Geldbeutels ein Limit. Fast alle Sachen werden mit TÜV-Gutachten verkauft, beim Eintragen in die Fahrzeugpapiere gibt es keine Probleme. Das ist auch wichtig und gut so. Denn egal ob Bremszangen, Springer-Gabel, hoher oder breiter Lenker, vorverlegte Fußrasten, Chopper-Tank, Auspuffanlage, breites Hinterrad oder Spezial-Rahmen, hat man die Maschine zum Custom-Bike oder Super-Chopper umgebaut, will man schließlich legal im Straßenverkehr fahren.


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