Bremsflüssigkeit wechseln
Saft veraltet!
Was tun?
Sicher verschlossen
schlummert die Bremsflüssigkeit im System.
Doch der Schein trügt. Mit
der Zeit wird der lebenswichtige Saft alt
und kann, wenn's drauf
ankommt, seinen Dienst verweigern.
Aus diesem Grund muss die
Bremsflüssigkeit jedes Jahr erneuert
werden. Wir sagen warum, wieso und wie's gemacht wird.
Text&Fotos: Winni Scheibe
|

Wer richtig in die Eisen steigen will, muss
sich auf den Stopper verlassen können
|
Die Honda CB 750
wurde 1968 zur Sensation. Ihr Vierzylinder-Viertakt-Motor
beschleunigte die Maschine auf gut 200 Stundenkilometer. Das konnten bis
zu diesem Zeitpunkt eigentlich nur Rennmaschinen. Und erstmalig
erledigte im Großserienbau eine Scheibenbremse am Vorderrad die
Verzögerung - heutzutage ist das fast normal.
|

Honda CB 750 Four von1969 |

CB 750-Stopper |

"Englischer Café-Racer".
Vor der CB 750 gab es 1966 allerdings auch schon die Rickman Métisse mit
Scheibenbremse |

Lockheed-Stopper |
Die Scheibenbremse ist
der herkömmlichen Trommelbremse längst überlegen. Das gilt auch für
die Wartung, denn abgenutzte Beläge lassen sich im Handumdrehen
wechseln. An den Verschleißmarkierungen der Bremsklötze lässt sich
deren Belagstärke genau erkennen. Ein niedriger Bremsflüssigkeitsstand
im Vorratsbehälter weist ebenfalls auf verschlissene Bremsbeläge hin.
Nur der Bremsflüssigkeit selbst sieht man ihr Alter nicht an. Verpackt
in Behälter, Schläuche und Zange verlässt man sich auf sie. Deshalb
wird sie viel zu oft vernachlässigt. Dabei handelt es sich hier nicht
um irgendein "Bremsöl", wie oft angenommen wird, sondern um
ein Mineralölprodukt aus synthetisch hergestellten Chemikalien.
Hauptbestandteile der Bremsflüssigkeit sind Polyglykole,
Polyglykoläther und in Sonderfällen Silikone. An das Produkt werden
hohe Anforderungen gestellt. Bremsflüssigkeit muss temperaturstabil und
wie jede andere Flüssigkeit "inkompressibel", also nicht
zusammendrückbar, sein. Außerdem darf sie auf keinen Fall aggressiv
gegen Gummi, Leichtmetall, Kupfer und Stahl wirken.
|

Moderne Sechs-Kolben-Bremszange
|
Bremsflüssigkeit
hat zwei Gesichter. Auf der einen Seite sorgt sie dafür, dass die
gesamte Verzögerungsanlage funktioniert. Andererseits ist sie giftig,
zerfrisst Lack und kann bei unsachgemäßer Handhabung Hautreizungen
hervorrufen. Und eines muss man wissen: Die Bremsflüssigkeit ist
hygroskopisch. Das heißt, sie verbindet sich im Laufe der Zeit mit
Wasser, das sie aus der Luft zieht. Je älter die Bremsflüssigkeit also
ist, desto größer ist ihr Wasseranteil. Aus diesem Grund muss der Saft
einmal im Jahr gewechselt werden. Bei Bergabfahrten kann die
Bremsscheibe immerhin 400 bis 500 Grad heiß werden. Ein Großteil der
Temperatur wird an das hydraulische System abgegeben. Liegt dort die
Flüssigkeit aber unter der Norm, beginnt das Wasser zu sieden. Es
entstehen sogenannte Dampfblasen. Dann geht der Griff oder Tritt zur
Bremse ins Leere. Ihre Wirkung ist gleich Null. Je mehr Wasseranteile in
der Bremsflüssigkeit vorhanden sind, um so früher beginnt die
Dampfblasenbildung. Man spricht dabei vom Nasssiedepunkt, der bis zu 100
Grad unter dem normalen Siedepunkt der DOT-Klassifizierung liegen kann.
|

|
Die
drei auf dem Markt angebotenen Bremsflüssigkeiten sind in die
internationale Norm SAE 1703 und DOT 3, DOT 4 und DOT 5 unterteilt. SAE
steht für Society of Automotive Engineers, DOT für Department of Transportation. DOT 3 wird aus Sicherheitsgründen kaum noch verwendet.
Die Flüssigkeit kann eine Temperatur bis zu 205 Grad vertragen. Der Nasssiedepunkt
liegt aber nur bei 105 Grad. DOT 4 wird am meisten verwendet. Es
gewährleistet eine Temperatur von 300 und einen Nasssiedepunkt von 155
Grad. Damit sind alle Anforderungen der Bremsflüssigkeit bei
klassischen wie auch bei modernsten Motorrädern abgedeckt.
Bei
DOT 5 handelt es sich um eine spezielle Hydraulikflüssigkeit
(Siedetemperatur 260 Grad, Nasssiedetemperatur 180 Grad), die auf
Silikonbasis hergestellt und in Spezialbremsanlagen sowie im Rennsport
eingesetzt wird. Sie hat den Vorteil, dass sie kein Wasser aufnimmt,
nicht so schnell altert und auch nicht gesundheitsschädigend ist. Für
"Otto Normalverbraucher" ist sie trotzdem kein Thema. Vielmehr
ist ihm davon sogar abzuraten. DOT 5 ist mit den beiden anderen Arten
nämlich nicht mischbar. Außerdem verträgt sich DOT 5 nur selten mit
herkömmlichen Bremsanlagen. Im Angebot ist aber auch noch DOT 5.1.
Diese ebenso hochwertige Bremsflüssigkeit wird auf Glykolbasis
hergestellt und lässt sich zudem mit DOT 3 und DOT 4 mischen. Laut
Herstellerangabe ist bei DOT 5.1 der Flüssigkeitswechsel nur alle zwei
Jahre erforderlich.
|
Bremsflüssigkeit selbst austauschen

|
Wer
die Bremsflüssigkeit selbst austauschen will, sollte grundsätzlich nur
frische verwenden. Jene, die seit Jahr und Tag im einmal geöffneten
Behälter auf der Werkbank steht, ist auch schon mit Wasser
angereichert! Hilfsmittel für das Wechseln der Bremsflüssigkeit sind
ein sauberer Becher, ein etwa 40 Zentimeter langer, durchsichtiger
Benzinschlauch mit 5 mm Durchmesser und ein Ringschlüssel. Zuerst den
Ringschlüssel auf das Entlüfterschräubchen am Bremssattel setzen.
Danach den Schlauch aufstecken. |

|
Mit einer Hand wird der Bremshebel
gedrückt und danach das Entlüfterschräubchen aufgedreht. Jetzt lässt
sich der Bremshebel ganz durchdrücken. Die Flüssigkeit sprudelt über
die durchsichtige Kunststoffleitung in den Auffangbecher. Das
Entlüfterschräubchen muss danach sofort wieder geschlossen werden, da
ansonsten Luft von unten in das System gelangen kann. Das "Pumpen"
wird solange wiederholt, bis die Bremsanlage leer ist. Erst jetzt den
Deckel vom Bremsflüssigkeitsbehälter öffnen, neue Flüssigkeit
einfüllen und gleich wieder verschließen. Anschließend wird die
Bremsanlage entlüftet.
|

|
 |
Dabei pumpt man wieder so wie oben beschrieben.
Nach dem ersten Durchgang sind Bläschen im durchsichtigen Schlauch zu
erkennen. Nach fünf bis zehn Pumpvorgängen unbedingt neue Flüssigkeit
nachfüllen. Erst wenn keine Luftblasen mehr kommen und spürbar
gleichmäßiger Druck am Hebel anliegt, ist der Arbeitsgang
abgeschlossen. Der Vorratsbehälter wird bis zur Maximum-Marke
aufgefüllt und sorgfältig geschlossen. Auch das Entlüfterschräubchen
muss gewissenhaft angezogen werden. Noch ein Hinweis zur Entsorgung. Die
alte Bremsflüssigkeit darf man auf keinen Fall mit Altöl, Verdünner,
Benzin oder anderen Flüssigkeiten vermischen. Bremsflüssigkeit muss
als Sondermüll entsorgt werden!
|

Im Rennsport gang und gäbe:
Die Bremsflüssigkeit wird auf ihren Nasssiedepunkt überprüft
|