So richtig zufrieden mit der Rolle als "Abschirmer" für die
Italien-Stars konnte Luigi Taveri bei MV Agusta ohnehin nicht mehr sein,
da er sein oberstes Ziel, die Erringung der WM-Krone, nie aus den
Augen verlor. Also kam ihm ein Angebot von Ducati gerade recht.
Aber dort hatte sich schon ein gewisser Alberto Gandossi
etabliert. Als Kenner der italienischen Mentalität wusste er
natürlich sofort, woher künftig der Wind wehen wird. In einigen
Situationen zeigte er sogar, dass der Taveri noch lange nicht am
Ende seiner Möglichkeiten war. Auf dem Bild oben links mit der 8
sieht man, wie er in Assen den Super-Stars aus Italien Ubbiali und
Provini zeigt, wie man als Schweizer Motorrad fährt. Die
Situation, dass mit der Ducati nur Starts in einer Klasse möglich
waren, konnte den Horgener, der gerne mehrere Klassen gefahren
wäre, auch nicht gerade gefallen. Wie sagt man doch so schön: "das
Gelbe vom Ei" war es auch bei Ducati nicht.
Wann immer sich eine Möglichkeit bot, startete Luigi Taveri bei
den nicht zur Weltmeisterschaft zählenden sogenannten
"Interrennen". Diese Startfelder waren nahezu überall mit den
besten Privatfahrern jener Zeit bestückt, die sich natürlich dabei
für die wenigen zur Verfügung stehenden Plätze in den Werksteams
empfehlen wollten. Das war auch 1958 am Sachsenring, damals noch
keine WM-Veranstaltung, der Fall. In der 350 ccm Klasse beteiligte
sich auch Luigi Taveri mit seiner privaten Norton am Rennen und
gewann mit mehr als einer halben Minute Vorsprung. Einige Fahrer
munkelten, dass im Motor von Taveris Norton wohl ein paar ccm mehr
drin sind als die erlaubten 350 ccm. Kurz und gut, der Hubraum war
korrekt und Taveri meinte dazu nur: "einige Herren sollten sich
vielleicht mal besser in den Kurven aufstellen und beobachten, wo
man die Zeit heraus holt".
Inzwischen war auch in der Szene bekannt geworden, dass man im
ostdeutschen Zschopau verdammt schnelle Rennmaschinen baut.
Zweitakter, die allerdings noch nicht über die erforderliche
Standfestigkeit verfügten. Dazu kam dann noch der chronische
Devisenmangel, der eine noch schnellere Weiterentwicklung und
Verpflichtung von Weltstars auf Dauer verhinderte. Luigi Taveri
fuhr mit den Zschopauern einige Rennen (rechtes Foto), die
durchaus erfolgversprechend verliefen. Allerdings war voraus zu
sehen, eine Ehe auf Dauer, wie auch bei anderen Spitzenfahrern,
konnte das aus finanziellen Gründen nicht werden.
Nebenstehendes Foto, als Luigi Taveri seinem ausgefallenen
Landsmann Ernst Weiss hilft, dessen defekte Norton ein kleines
Berganstück schieben zu helfen, verdeutlicht ein wenig die schon
eingangs einmal erwähnte Popularität und Hilfsbereitschaft des
Weltstars Taveri gegenüber seinen weniger bekannten
Rennfahrerkollegen. Vielleicht war das eine für damalige Zeit
durchaus übliche Aktion, aber es verdeutlicht auch, wie auch
Mike Hailwood mehrfach zeigte, dass diese Kollegialität untereinander
nicht die schlechteste Zeiterscheinung war.
1960 folgte dann nach meiner Meinung ein kleiner Knick in des
Schweizers Karriere, als er erneut bei MV Agusta tätig war, aber
er blieb zumindest im Gespräch. 1961 dann, er hatte immerhin die
Dreißig bereits überschritten, begann dann seine zweifelsohne
erfolgreichste Zeit. Honda, Japans erfolgreichste Motorradmarke,
schickte sich an, auch in der Rennszene Fuß zu fassen. Was sie mit
ersten
Starts 1959 auf der Isle of Man begonnen hatten, setzten sie mit
japanischer Grüdlichkeit fort. Sie zeigten, dass sie im Streben
nach Erfolg durchaus auch bereit waren, nicht nur auf eigene
Talente wie Takahashi, Tanaka und Co. zu bauen, sondern auch das
Können und die Erfahrung bereits etablierter Fahrer zu nutzen.
Auch Taveris großes Können blieb ihnen natürlich nicht verborgen.
Auf dem rechten Foto sehen Sie die erste Startreihe beim
Sachsenring GP 1961 mit (von links) Degner, Taveri, Musiol und
Takahashi. Zwar war Luigi Taveri 1961 noch kein vollständiger
Werksfahrer, aber seine Leistungen überzeugten die Herren in
Fernost dermaßen, dass er ab 1962 bis zum Karriereende 1966 in
Hondas Diensten stand. Luigi Taveris drei Weltmeistertitel fallen in
diese Zeit - 1962, 1964 und 1966. Fällt ihnen etwas auf? Es waren
allesamt gerade Jahreszahlen.
Volle
Konzentration am Start mit Rennleiter Reg Armstrong aus Irland. Am
Rennende war es Luigi Taveris
erster WM-Titel und in voller Fahrt mit einer Honda. 1966 gab er
dann, mit 37 Jahren, seinen Rücktritt vom Rennsport bekannt. Seine
Popularität dagegen hat die folgenden vier Jahrzehnte bis zum
heutigen Tag schadlos überstanden und wenn die Rennsportfreunde
den kleinen Schweizer und seine Gattin - ihre "Goldene Hochzeit"
haben Sie schon hinter sich - gelegentlich bei historischen
Rennveranstaltungen, er sogar auf dem Motorrad, zu Gesicht
bekommen, dann geraten nicht nur die Älteren unter den Fans ins
Schwärmen und das bekannte "Gänsehautgefühl" bemächtigt
sich der
Anwesenden.
Zum Schluss meines Berichts über den Schweizer Weltstar noch ein
Bericht über eine kurze Begegnung mit Luigi Taveri und dessen
hübscher und netter Ehefrau, die ich 1962 hatte und an die ich
wohl mein Leben lang denken werde.
1962 spielte ich wettkampfmäßig auf unterer Ebene Tischtennis und
hatte auch eine Brieffreundschaft mit einem Schweizer Mädchen aus
St. Gallen. Bei unserer Korrespondenz fragte sie mich einmal, ob
ich vielleicht einen kleinen Wunsch habe, welchen sie mir gerne
erfüllen möchte. Ich hatte und bat sie um einen
Tischtennisschläger. Das Problem dabei, der Postweg in die DDR war in jener
Zeit, insbesondere bei Päckchen, sehr unsicher und auch der Zoll
dafür recht hoch. Ich schrieb zu ihr, sie möchte doch bitte den
Tischtennisschläger an Herrn Taveri senden und Herrn Taveri habe
ich gebeten, diesen Tischtennisschläger doch bitte mit zum
bevorstehenden Sachsenringrennen zu bringen, wo ich ihn dann im
Fahrerlager bei ihm abholen würde. Kurz und gut, ich verschaffte
mir dann, wie immer, auf mehr oder weniger abenteuerliche Weise
Zutritt zum Fahrerlager. Alsbald sah ich auch die Taveris, stellte
mich vor und fragte, ob das mit dem Sportgerät für mich geklappt
hat. Es hatte, und Taveris baten mich, den Tischtennisschläger am
Abend bei ihnen im Hotel Chemnitzer Hof abzuholen. Sie nahmen sich
auch noch die Zeit, mit mir ein paar Worte zu wechseln und
stellten sich auch noch für ein gemeinsames Foto zur Verfügung.
Ein Bild, zusammen mit einem Weltstar und dann noch am Abend die
"Übergabe" des Sportgerätes in Taveris Hotelzimmer - das
Sachsenringrennen 1962 wurde für mich zum unvergesslichen Erlebnis
und was mich ebenso freute, auch für die Taveris, denn nach dem
Rennen der Achtelliterklasse stand er bereits vorzeitig als
Weltmeister fest, sein erster Titelgewinn.
Als kleine Nachbetrachtung: besagter Tischtennisschläger aus
japanischer Produktion konnte meine Leistung leider auch nicht
verbessern. Mir fehlte offenbar schlicht und einfach das
entsprechend notwendige Talent. |