Toni Mang, Jahrgang 1949, feiert am 29. September Geburtstag
Was macht eigentlich Anton "Toni"
Mang?
"Der Mang steht seinen
Mann"
Von fünf WM-Titeln der
250er und 350er Klasse gewann Toni Mang
vier auf Kawasaki- und einen auf
Honda-Maschinen. Um die Frage
zu klären, wie Deutschlands
erfolgreichster Straßenrennfahrer auf
zwei Rädern heute seine Zeit
vertreibt, besuchten Franz Schermer
und Winni Scheibe den Multichampion
2001 zu Hause.
Text: F.J. Schermer
Fotos: Winni Scheibe, Roland Senff, Werk |

Toni Mang 1981 im Speedway von Daytona
Beach

Toni Mang kurz vor dem 250er Rennen 1981 in Daytona/USA

1981 in Daytona knapp geschlagen.
Hinter dem Sieger Eddie Lawson belegte der 250er Weltmeister
von 1980 Toni Mang den
2. Platz,
auf Platz drei kam "little" Jim Filice
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Das Bild hat etwas von einer Idylle: Ein Häuschen im Grünen
mit Neuschnee drum herum und obendrauf, weißer Rauch zieht aus dem
Kamin, drinnen Familienleben mit Frau und Tochter, im Keller eine feine
Werkstatt, am Rande des Anwesens zwei Garagen, die voll sind mit
Motorrädern. Bayern pur in Zankenhausen am Ammersee, ruhig und
gemütlich warm ist's in der Stub'n, der Kachelofen bollert,
Weißwürste und Weißbier sind auf dem runden Tisch angerichtet,
Freunde sind zu Besuch da. Töchterchen Vroni, selbstbewusst und naseweis bis unter
"die Haarspitzen", ist in ihrem
Element: "Der Babba muss doch wissen, wo die Buntstifte sind, die Mama
weiß es auch nicht, sie sind wohl ´kompliziert versteckt´", wie sie meint, aber wir suchen alle mit.
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Vroni findet das
komplizierte Versteck, nun muss nur noch die Zeichenschablone
auftauchen, die mit den Dreiecken, Kreisen, Vierecken und Sternen. Mama
muss mithelfen, ein großes Stück Pappe
zu bemalen, Mama Renate macht
das,
klar doch. Aber vorher muss Vroni noch ihren Babba küssen, damit
auch jeder in der Runde weiß, dass das ihr Babba ist und er von den
Besuchern ja nicht so lange in Beschlag genommen wird. Und fortgehen
soll er auch net, der Babba wird gebraucht in der Familie Mang. Eine
Idylle zum neidisch werden.
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Toni Mang in seiner
"Motorrad-Garage"
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Anton "Toni" Mang, Jahrgang 1949,
sein Alter erkennt man vielleicht am grauer werdenden Haupthaar, aber
sonst scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, er hat noch Kraft in
der Gashand, ist fast so fit wie früher in seiner aktiven Zeit. Die
dauerte fast zwei Jahrzehnte; von 1968 bis 1987 fuhr er Motorradrennen
in allen Klassen, also von 50 bis 500 ccm und sogar auf
Viertakt-Superbikes. Mang holte WM-Punkte in der 125er, 250er, 350er und
500er Klasse; fünfmal wurde er Weltmeister, viermal davon auf Kawasaki,
einmal auf Honda.
Toni Mangs erfolgreichste Rennmaschinen, die Kawasaki KR Modelle, gab es
als 250er und 350er. Es waren echte Werksrennmaschinen, in Handarbeit
hergestellt. Ihre Konstruktion war einmalig: Zwei Zylinder standen
hintereinander auf dem Motorgehäuse, jeder Zylinder hatte seine
eigene Kurbelwelle, die über Zahnräder gekoppelt waren. Zwischen
Vergaser und Kurbelgehäuse steuerten jeweils ein Drehschieber die
exakten Einlasszeiten des Frischgases. |

Kork Ballington:
Multi-Champion, 31facher GP-Sieger und Kawa-Werksfahrer.
Der schnelle Südafrikaner gewann 1978 und 1979 die 250er und 350er Weltmeisterschaft
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Als diese Werks-Kawasakis 1976 auf den
Rennstrecken der Welt auftauchten, waren sie den anderen Maschinen auf
Anhieb überlegen. 1978 und '79 holte sich der Südafrikaner Kork
Ballington jeweils die 250 und 350er WM-Titel; Mang wurde damit 1980 und
1981 250er Weltmeister sowie 1981 und 1982 Champion in der 350er Klasse.
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Mit dem 350er WM-Titel im Jahr 1982 ging Toni Mang
in die
Motorradgeschichte ein. Am Ende der Saison wurde
diese Klasse
gestrichen. Nach Toni Mang wird es nie
wieder einen 350er Weltmeister geben.
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Die Tandem-Anordnung der Zylinder
erlaubte einen schmalen Motor, die komplette Maschine war dank ihrer Silhouette so zierlich wie eine 125er. Was wiederum einen besseren
Luftwiderstand brachte und damit eine höhere Spitze.
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Ob bei Inter-Rennen, hier 1980 in
Raalte/Holland, oder in der Weltmeisterschaft,
Toni Mang und seine schnellen 250er und 350er Werks-Kawasakis waren
fast unschlagbar
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Um der Historie Genüge zu tun, muss gesagt werden, dass es einen
ähnlichen Motor vor dem Auftauchen der Kawasakis schon von MZ gab, der
aber nie zum Einsatz kam und im Prototypenstadium stecken blieb. Auch
die ersten Rotax 250er Zweizylinder, die Ende der 70er, Anfang der 80er
Jahre in Fahrwerke von Bakker eingebaut waren und mit dem unter anderem
Manfred Herweh 1984 einen 250er Vize-WM-Titel einfuhr, waren ähnlich. Aber die
Japaner brachten ihn als erste auf die Siegerstraße - und deswegen war
der Kawasaki-Motor einmalig auf der Welt und ist es bis heute geblieben.
Heute käme eine solche Konstruktion nicht mehr in Frage, denn sie baut
zu lang und zu schwer. Längst haben alle 250er GP-Maschinen
V2-Triebwerke. |
Kawasakis Wunderwerk

Tandem-Rennmotor
Das Triebwerk gab es mit 250 ccm und 350 ccm

Toni Mang und sein Werksrenner

Kawasaki-Werksrennmaschine KR 250 des
Weltmeisters Toni Mang
(3 Fotos: Senff)
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1984 wäre Manfred Herweh mit seiner Real-Rotax fast 250er
Weltmeister
geworden. Lediglich 9 Punkte fehlten ihm am Titel.
250er Champion wurde
Christian Sarron.
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Ähnliches Bauprinzip wie der schnelle
Kawa-Motor.
250er Rotax-Tandem-Renntriebwerk
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In Tonis Garagenschuppen steht eine originale Maschine von 1980,
piekfein bis in die letzte Schraube restauriert; mit den fast neuen
Dunlop-Reifen sieht sie rennfertig aus. "Mit einem solchen Motorrad
bin ich zum ersten Mal 250er Weltmeister geworden" erzählt er,
während er sie liebevoll abdeckt, "aber damals wäre meine kurze,
seit 1978 dauernde Karriere als Werksfahrer von Kawasaki Deutschland
schon vor der 1980er Saison beinahe zu Ende gewesen, weil Kawasaki Japan
Ende der 79er Saison alle 250er und 350er Werksmaschinen nach Japan
zurückbeorderte.
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Kawasaki Werksrenner KR 500 für
Gregg Hansford
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Sie wollten sich nur noch auf die neu entwickelte 500er
Vierzylinder konzentrieren. "Mang wird ein wenig nachdenklich, bevor der fortfährt: "Zusammen mit
meinem Förderer Michael Krauser, damals in der Szene als Mr.
Motorradkoffer bekannt, überzeugten wir den Präsidenten von Kawasaki
Deutschland, Sam Tanegashima, dass es gut sei, mir die Maschinen zu
lassen". Und es war gut, die Nichtbefolgung der japanischen
Anordnung hatte sich gelohnt, denn Toni schloss die Saison 1980 mit dem
WM-Titel in der 250er Klasse und dem Vizetitel in der 350er Klasse ab.
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Toni Mang 1980 auf dem Nürburgring
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Ob er ab und zu auf Veteranenrennen fährt, fragen
wir Toni. Sein Blick wird finster: "Ich bin noch net alt genug
dazu!" gibt er scharf zur Antwort. Aber dort seien doch viele Fans
aus seiner aktiven Zeit, viele Leute, die ihn kennen von seinen 42 Grand-Prix-Siegen, seinen Weltmeistertiteln, seinen Fernsehauftritten. Er war
ein Star bis weit nach dem verletzungsbedingten Ende der Karriere mitten
in der Saison 1987, er hat doch noch tausende von Fans überall im Land,
in Europa, auf der ganzen Welt? "1998 bin ich mal
aufgetreten im Vorprogramm vom GP auf dem Nürburgring, da waren auch
einige ältere Weltmeister wie der Jim Redman, Luigi Taveri und Giacomo
Agostini. Einer davon hat sich beim Anziehen seines Lederkombis auf den
Boden gelegt und gymnastische Übungen gemacht. Das sah so lächerlich
aus, da möcht ich nicht dabei sein".
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Da, wo Toni Mang fuhr, war das Haus voll
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GP-Hockenheim 1981
3. Lauf zur 350er WM
Sieger Toni Mang, 2. Eric Saul, 3. Thierry Espié

Freund und Helfer Sepp Schlögel.
Ohne das Multitalent wären Toni Mangs Erfolge undenkbar gewesen
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Fünfter WM-Titel 1987 auf 250er Honda
(Foto: Werk)
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Er überlegt einen kurzen Moment und erzählt weiter: "Damit du nun
aber keinen schlechten Eindruck von mir bekommst und denkst, der Mang
ist jetzt arrogant geworden, sage ich dir, dass ich mich sehr gerne bei
Fahrerlehrgängen zeige, dabei bin, wenn junge Leute auf schnellen
Motorrädern auf der Rennstrecke versuchen, eine gute Linie zu finden.
Ich mache es gerne, dass ich voraus fahre und ihnen zeige, wie man
schnell und sicher unterwegs ist, wie man sein Motorrad besser kennen
und damit auch beherrschen lernt. Nicht das schnell in die Kurve Fahren
ist wichtig, sondern schnell herauskommen. Und dass es im Umgang mit
Motorrädern für viele Leute sehr viel zu lernen gibt, das wissen wir
alte Hasen nur zu gut!" |

Toni Mang 1986 |
Fotograf Winni und ich geben ihm Recht. Toni ist bei
vielen Fahrerlehrgängen aktiv dabei, es gibt sieben Stück pro Jahr
unter seinem Namen, vor Ort bewegt er meist ein Kawasaki Superbike
gekonnt und
schnell. Er gibt den Teilnehmern Tipps, wie man ein Motorrad richtig
abstimmt in der Federung und Dämpfung, wie man richtig sitzt, richtig
bremst, sich in die Kurve legt - und wie man sich im Pulk auf der
Rennstrecke benimmt. "Es fehlt heute an so vielen Dingen, die
kaufen sich ein schnelles Motorrad und haben wenig praktische Erfahrung.
Meine gebe ich gerne weiter - das ist mir ein paar Mal im Jahr an
Trainingswochenenden wichtiger, als mich wie ein Zirkuspferd bei
Veteranenveranstaltungen vorzeigen zu lassen".
Tonis Erfahrungen sind vielseitig und umfassend. Denn er ist einer der
Rennfahrer, die von ganz unten kamen: Geboren und aufgewachsen in der
Nachkriegszeit, wo es nur das Notwendigste des täglichen Lebens gab und
Luxus ein Fremdwort war. Er hat in den 60er Jahren Werkzeugmacher gelernt, also
einer Zeit, wo Lehrlinge noch Ohrfeigen bekamen, wenn sie gemurkst
hatten und ohne zu murren am Freitag die Werkstatt putzen mussten. Das
Motorrad war Ausdruck des Protests gegen die Wohlstandsbäuche des
beginnenden Wirtschaftswunders, und Rennfahrer zu sein, das war die
Spitze des Protests gegen das Establishment. Motorradrennfahrer wurden
für total verrückt gehalten, denn es war gefährlich. Meldungen über
Motorradrennen gab es in Presse, Funk und Fernsehen nur dann, wenn sich
einer zu Tode gefahren hatte. Das gab es oft in diesen Jahren.
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Franz Schermer und Toni Mang.
Echte Speichen-Räder für Mini-Harley
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Was er heute denn so macht, wenn er kein Motorrad bei einem "Toni
Mang Training" fährt, wenn er
keine Tipps gibt, wollen wir wissen. Er wird sich doch nicht den ganzen
Tag als Babba und Hausmann betätigen? Toni grinst, winkt uns wortlos in
den Keller. Dort steht eine Werkstatt vom Feinsten, mit Dreh- und
Fräsbank, mit Bohrmaschine und Schweißgerät, mit Zeichenbrett und
Computer. "Hier, habe ich entwickelt, ist ein Patent drauf!".
Er zeigt uns kleine aufklappbare Plastikschachteln, manche nur so groß
wie eine Streichholzschachtel, manche fast so groß wie eine
Zigarillokiste. "Das sind Schutzhauben für Knöpfe, die denen
übergestülpt werden, wenn das Kleidungsteil in der Reinigung
ist". Wir blicken ein wenig verständnislos, aber Toni erklärt:
"Kleider, die in die Reinigung gehen, sind meist sehr teuer. Teure
Kleider haben auch teuere Knöpfe, aus Hirschhorn geschnitzt zum
Beispiel, oder denkt nur mal an große Gürtelschnallen. Die
Reinigungstrommeln sind meist einen Meter und zwanzig im Durchmesser und
wenn sie sich drehen und das Kleidungsstück von oben runterfällt
direkt auf Knopf oder Gürtelschnalle, dann sind die kaputt. Werden aber
meine Knopfschoner benutzt, dann bleiben sie heile".
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Man merkt, dass da der Werkzeugmacher im Ex-Rennfahrer spricht, der
immer darüber nachgedacht hat, wie er die Technik seines Motorrads
verbessern kann. Der immer wusste, dass Technik von Menschen geschaffen
wurde und dass alles besser gemacht werden kann. Dass man sich nicht
damit abfinden muss, was man kaufen kann (oder vom Werk hingestellt
bekommt), sondern dass es angepasst werden muss an den Menschen, der es
benutzt. Toni Mangs Rennmaschinen waren immer berühmt dafür, dass sie
ein wenig besser waren als andere, dass sie deswegen ein wenig schneller
waren, ein wenig bessere Straßenlage hatten. Das sicherte ihm einen
Vorsprung gegenüber den Konkurrenten, die ja damals auch keine
Nasenbohrer waren.
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Mangs Kleiderkammer
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"Aus dem Vollen": Harley-Motor
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Neben seinem Projekt der Knopf-Schützer, das bis auf die immer
wiederkehrende Frage des richtigen Kunststoffmaterials eigentlich
abgeschlossen ist, arbeitet Toni an weiteren Entwicklungen. Da ist eine
Prüfvorrichtung für Abwasserkanäle kurz vor der Fertigstellung, mit
der die heute noch sehr teuren und jährlich durchzuführenden
Prüfungen industrieller und kommunaler Abwasseranlagen nicht nur viel
preiswerter, sondern auch ungleich schneller durchgeführt werden
können. Und da ist noch eine Idee, echte Motorräder als Modelle
herzustellen, aber nicht aus Plastik, sondern voll aus Metall. Wenn's
denn fertig ist, wird das Motorradmodell rund 20 Zentimeter lang, aber
mit einem Motor, der läuft, mit Rädern, die sich drehen. Voll
eingespeichte Räder, selbstgemachte Speichen und Felgen und mit
Gummireifen drauf, bei denen sogar das Profil stimmt.
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Aber das ist wieder eine andere Geschichte, denn die Tochter Vroni ruft
nach dem Babba, er muss ihr unbedingt und jetzt und sofort etwas helfen,
es sei wahnsinnig wichtig. Winni und ich verstehen, verabschieden uns
langsam aber sicher. Wichtig war für uns zu sehen, dass Toni keiner von
den Sportlern ist, die aufgrund ihrer Erfolge vergessen haben, wo sie
herkamen, wo ihre Wurzeln sind. Oder einer von denen, die nach Ende
ihrer Karriere krank werden, weil ihnen die Droge Erfolg fehlt, der
Beifall der Massen. Anton "Toni" Mang steht mitten im Leben,
der Mang steht ganz deutlich seinen Mann. Fast wie in einer echten
Idylle.
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... so wie wir Toni Mang kennen ... |
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Toni
Mang Training
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