Touristik


2005: 80-Jahre-Schottenring

"Schotten Rock"

Unterhalten sich erfahrene Globetrotter über Schotten,
wissen die Zuhörer sofort um was es geht. Gemeint ist
das bodenständige Volk im Norden Englands, das bekannt
ist für seine Sparsamkeit, aber auch für die Gastfreundschaft sowie seine Trinkfestigkeit. Es gibt aber auch noch andere Schotten. Und die leben
mitten im Vogelsberg, sie sind jedoch weder verwandt noch
 verschwägert mit den Insulanern. Dafür sind sie
Motorsport versessen und das schon seit 80 Jahren.

Text: Winni Scheibe
Fotos: Archiv MSC-Schotten, Scheibe



1929: Start zur Deutschen-Meisterschaft
(Foto: Archiv MSC-Schotten)

Die Rennstrecken Nürburgring, Hockenheim, Oschersleben, Sachsenring und Lausitzring kennt heute eigentlich jeder. Doch wer weiß schon, dass mitten im Vogelsberg am 19. Juli 1953 "Der Große Preis von Deutschland für Motorräder" ausgefahren wurde. Ein gewaltiges Spektakel, das zum größten, aber auch heikelsten Ereignis in der Geschichte des örtlichen Motorsportclubs wurde. Nach der Tourist Trophy, kurz "TT", auf der Isle of Man zählte der Grand-Prix auf dem Schottenring zu den anspruchsvollsten, aber auch gefährlichsten Rennstrecken 1953 im Terminkalender.



BMW-Werksfahrer Schorsch Meier
(Foto: Archiv MSC-Schotten)

Ähnlich wie auf der Isle of Man führte die Rennstrecke im Vogelsberg nämlich über öffentliche Straßen. Vorbei an Weidezäunen, Wassergräben und Grenzmauern, dicht an Bäumen entlang und mitten durch Ortschaften forderte die rund 16 km lange Naturpiste den Vollgaspiloten größten Respekt ab. Und so kam es, dass die etablierten Werksteams den WM-Lauf bestreikten. In einer Krisensitzung entschied die Rennjury die 500er und 350er Klasse lediglich als Internationales Rennen zu werten, die 250er und 125er Klasse dagegen zählten weiterhin zur Weltmeisterschaft. Über 175.000 Schlachtenbummler erlebten die Rennen, die sogar - unglaublich - ohne nennenswerten Unfälle verliefen. Und trotzdem, es sollte der erste und letzte WM-Lauf auf dem Schottenring sein.


Die Rennstrecke führte mitten durch die Natur
(Foto: Archiv MSC-Schotten)


Seit 80 Jahren Motorsport in Schotten

Begonnen hatte der Rennspuk im Vogelsberg bereits am 1. August 1925. Da hatten um Wilhelm Engler Motorrsport infizierte Schottener den "Vogelsberger Auto- und Motorradclub" gegründet. Und schon am 12. September 1925 veranstaltete der junge Verein mit 43 Teilnehmern das erste Motorrad-Tunier "Rund um Schotten".


Wilhelm Engler
(Foto: Archiv MSC-Schotten)

Was nun folgte, darf zu Recht als Bilderbuch-Karriere im Motorsport bezeichnet werden. Jahr für Jahr organisierte der Verein den Wettkampf "Rund um Schotten", 1929 zählten die 250er und 500er Klasse zur Deutschen Meisterschaft. Zum Rennwochenende kamen 25.000 Besucher und im folgenden Jahr waren es bereits 50.000 Schlachtenbummler, alle Klassen zählten mittlerweile zur Deutschen Meisterschaft. Bereits sieben Jahre nach Clubgründung hatte sich Schotten zum Motorrad-Mekka in Deutschland etabliert.


Erstmalig wurde "Rund um Schotten" 1933 als internationales Rennen ausgeschrieben, an dem sich 158 Fahrer beteiligten. Für die Einheimischen wurde das Wochenende zum Großereignis schlechthin, über 70.000 Besucher machten das Rennen gleichzeitig zum wahren Volksfest. Landauf, landab berichtete die Presse über das sportliche Ereignis, Schotten war in aller Munde.



(Foto: Archiv MSC-Schotten)


Hatte man bisher nur Motorradrennen veranstaltet, kamen ab 1937 Sportwagen hinzu. Die Zuschauerzahlen lagen bei rund 80.000, im Jahr 1939 dröhnten im Vogelsberg dann aber zunächst zum letzten Mal die Motoren, der Zweite Weltkrieg erschien den Nazi-Funktionären wichtiger.


Ab 1947 brummten wieder die Rennmotoren


Nicht aber den Motorsportfreunden in Schotten; schon am 22. Juni 1947 donnerten wieder verwegene Motorradrennfahrer über den Schottenring. Fast nahtlos ließ sich die Vorkriegstradition fortsetzen, um die 90.000 Zuschauer pilgerten an diesem Wochenende in den Vogelsberg. 25 Jahre nach Clubgründung wurde 1950 das Rennen "Rund um Schotten" zur Sensation. 



War immer ein echtes Straßenrennen: "Rund um Schotten"
(Foto: Archiv MSC-Schotten)


1950 NSU-Werksfahrer Heiner Fleischmann auf der
sensationellen 500er Vierzylinder-Rennmaschine
(Foto: Archiv MSC-Schotten)


Kampf der Giganten: BMW Werksfahrer Schorsch Meier vor Walter Zeller
(Foto: Archiv MSC-Schotten)


Gut 250.000 (!) Rennfans kamen am 25. Juni 1950 zum Rennen, Sieger in der großen Klasse wurde Schorsch Meier auf BMW. Ab 1951 erhielt das Rennen "Rund um Schotten" wieder das internationale Prädikat, die Zuschauerzahl wuchs auf über 250.000 und Schorsch Meier konnte sich erneut als "Held von Schotten" feiern lassen. Das folgende Jahr übertraf alle Erwartungen, 180 Fahrer hatten sich zum Rennen angemeldet, zum Wettkampf kamen 270.000 Fans. Schotten selbst und die umliegenden Ortschaften brachen aus allen Nähten. Für die Wirtschaft war das Rennen längst zur enormen Einnahmequelle geworden.



Der Held von Schotten:
Schorsch Meier auf dem Krad und im Auto erfolgreich
(Foto: Archiv MSC-Schotten)

Der unsägliche WM-Lauf folgte 1953 auf dem Schottenring, im folgenden Jahr war die Veranstaltung dafür weiterhin als internationales Rennen sowie Lauf zur Deutschen Meisterschaft ausgeschrieben. Das letzte große DM-Rennen auf der legendären 16 km langen Naturpiste organisierten die Schottener 1955, der Kurs war nicht mehr zeitgemäß und es sollte auch nie wieder eine Wettfahrt über den Rundkurs geben.



Start der Gespannklasse 1954
(Foto: Archiv MSC-Schotten)



Rennlegende: Helmut Dähne
(Foto: Archiv MSC-Schotten)

Nun wären die Schottener aber nicht Schottener, sie wollten und konnten sich mit dieser Situation nicht abfinden; Schotten ohne Motorsport, undenkbar! Was nun folgte, waren verschiedene Rennveranstaltungen, wie etwa Moto-Cross-Rennen, Bergrennen und Zuverlässigkeitsfahrten. Der "MSC Rund um Schotten" ließ sich nicht unterkriegen, selbst an den Bau einer permanenten Rennstrecke, ähnlich wie in Hockenheim, dachte man. Bei allen Aktivitäten um die großen Dinge im Leben hatte und hat der "MSC Rund um Schotten" nie die Jugendarbeit vergessen, schließlich sind sie die Rennstars von Morgen.



Zuvi-Veranstaltung 1969
(Foto: Archiv MSC-Schotten)


"Schottenring-Grand-Prix"



Irgendwie wurmte es die Schottener allerdings doch, keine echten Rennveranstaltungen mehr zu haben. Und was sich zunächst wie eine verrückte Spinnerei anhörte, wurde am 27. August 1989 zur Realität. Mitten in Schotten veranstaltete der MSC seinen ersten "Oldtimer Grand-Prix". 




Längst gehört der "Schotten Grand-Prix" zu den herausragendsten Oldtimer-Rennen in Deutschland, wenn nicht sogar weltweit. In einer nicht vergleichbaren und einzigartigen Atmosphäre zelebrieren die Schottener an diesem Wochenende Motorradsportgeschichte zum Anfassen. Die Besucher können in aller Ruhe im Fahrerlager die hochkarätigen Rennmaschinen bewundern, die Akteure stehen Rede und Antwort, und wenn sie mit ihren heißen Kisten auf dem Stadtkurs um die Wurst fahren, flitzen sie zum Anfassen nahe an den Fans vorbei. Echter und hautnaher kann niemand anders Rennsport bieten. 



"Gastfahrer": Jim Redman auf der 500er MV Agusta


Aber das ist längst nicht alles. Inzwischen kommen zum Schotten-Grand-Prix auch die Rennhelden von gestern. Zum Beispiel der 15-fache Weltmeister Giacomo Agostini, oder der sechsfache Weltmeister Jim Redman, oder der zweifache Weltmeister Umberto Masetti, oder der zweifache Weltmeister Dieter Braun oder der fünffache Weltmeister Toni Mang, oder der sechsfache Gespannweltmeister Klaus Enders, die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.



Weltmeister unter sich:
Jim Redman und Umberto Masetti

Der 17. Schottenring-Classic-Grand-Prix findet am Wochenende 20.-21. August 2005 statt. Es werden über 350 Teilnehmer aus 10 Nationen erwartet und die großen Stars vergangener Jahre werden natürlich auch wieder mit dabei sein. Der Eintritt ist bezahlbar, Augen- und Ohrenschmaus wird kostenlos mitgeliefert.

www.Schottenring.de


www.Schotten.de


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