Herr Murrmann, heute verfügt Honda über ein Händlernetz mit Hunderten
von Partnern. Neben dem Hauptsitz in Offenbach betreibt das Unternehmen
dort noch ein eigenes Forschungs- und Entwicklungszentrum sowie die
Honda Akademie in Erlensee. Der Start verlief im Gegensatz dazu wohl
eher bescheiden, oder?
Murrmann: Richtig. Am Anfang gab es nur ein kleines Büro in der
Innenstadt und ein Lager im Stadtteil Wandsbek, in dem zunächst zehn
Personen arbeiteten. Aber dennoch waren wir die ersten Japaner in
Deutschland und zunächst sogar auch für Gesamteuropa verantwortlich.
Soichiro Honda war eben nicht nur ein begnadeter Techniker, sondern auch
ein Unternehmer mit Weitblick, der den Mut hatte, mit der ersten
europäischen Vertretung direkt in die Höhle des Löwen zu gehen.
|
Herr Petrick, als erster offizieller deutscher Honda-Händler sind Sie
dem Unternehmen bis heute treu. Wieso haben Sie sich eigentlich für eine
damals noch unbekannte Marke entschieden?
Petrick: Mich haben die hochdrehenden Motoren des S 600 und S 800
begeistert. Darüber hinaus fand ich das Design der Fahrzeuge klasse.
Und wie ist es ihnen damals gelungen, Kunden für die Produkte der
Marke zu gewinnen?
Petrick: Ich habe die Fahrzeuge natürlich selbst gefahren und sie
in den höchsten Tönen gelobt. Klappern ist eben doch gut fürs Geschäft
und nicht umsonst gelten Honda-Motoren in Mechanikerkreisen ja als
nahezu unverwüstlich.
Hat Ihnen das geholfen?
Petrick: Die Vorurteile gegenüber der Marke wurden durch meine
begeisterten Kunden und deren Mund-zu Mund-Propaganda sehr schnell
beseitigt. Das damals schon tolle Preis-Leistungsverhältnis, die
hervorragende Zuverlässigkeit und der Fahrspaß taten ihr übriges.
Es heißt, dass Sie, Herr Murrmann, bei der Akquirierung neuer Händler
quer durch Deutschland lange Zeit mit einem besonders heißen Exemplar
des S 800 unterwegs waren.
Murrmann: Herr Honda hatte sich an diesem Auto, das darf man
schon sagen, regelrecht ausgetobt. Dieser Motor war genial – mit zwei
obenliegenden Nockenwellen, vier unterdruckgesteuerten Vergasern und
nadelgelagerter Kurbelwelle, 67 PS Leistung und einer Nenndrehzahl von
7.570 U/ min. Das alles war sensationell und konkurrenzlos. Schon die
Serienversion lief 160 km/h schnell und zwar auf Dauer, das war schon
ein Wort. In der Tat hatte ich selbst einen frisierten S 800 als
Dienstwagen, der lief 180 km/h. Und ja, mit dem war ich jahrelang
bundesweit auf Tour zu den Händlern.
Hamburg gilt als Tor zur Welt. Wieso ist Honda denn eigentlich
umgezogen?
Murrmann: Mir als Hamburger und auch meinen damaligen Kollegen
ist das nicht leicht gefallen. Doch mit Blick auf den deutschen Markt
wurde 1968 die Entscheidung getroffen, in das Rhein-Main-Gebiet
umzuziehen und zwar zunächst nach Offenbach-Rumpenheim und noch zur
Miete. In erster Linie wurde diese Entscheidung aufgrund der zentralen
Lage getroffen. Ich habe es dann geschafft, den Vorstand zu überzeugen,
dass wir unsere Pflöcke hier in Deutschland einschlagen und selber bauen
müssen. Nur so war unter Beweis zu stellen, dass wir in Deutschland
langfristige Ziele verfolgten. Also haben wir in Offenbach an der
Sprendlinger Landstraße 10.000 Quadratmeter Gelände gekauft und 1974 den
Neubau fertig gestellt. Von da ab konnten wir das Personal halten und
wuchsen auf bis zu 300 Mitarbeiter. Später kamen noch einmal 10.000
Quadratmeter dazu; hier ist Honda Deutschland noch heute zu Hause.
Was können Sie uns über den Firmengründer erzählen, der ja bereits
über 40 Jahre alt war, als er die Honda Motor Company 1948 gründete?
Murrmann: Soichiro Honda war dem Leben und der Fröhlichkeit nicht
abgeneigt. Wenn gefeiert wurde, konnte die Polonäse schon mal durchs
ganze Kempinski-Hotel reichen. Jedoch: Wenn Prototypen ihm nicht
gefielen, kamen sie schon mal unter den Hammer. Auf jeden Fall war er
ein Selfmademan, ein typischer Unternehmer, ein Macher.
Gibt's eine schöne Anekdote?
Murrmann: Im Sommer 1968 war Herr Honda in Offenbach. Wir hatten
ein paar repräsentative Limousinen und Sportwagen organisiert, aber das
hat ihn gar nicht interessiert. Denn: Im Hof stand auch ein
luftgekühlter NSU TTS. Ein heißer Bretzel nach seiner Manier. Den hat er
in der Werkstatt aufbocken lassen und sich gleich darunter gelegt, um
alle Einzelheiten zu inspizieren – im Anzug und mit Krawatte, das war
ihm völlig egal.
Es heißt, dass Sie sich beim damaligen Topmanagement einen Namen
machten, weil Sie stets offen Ihre Meinung sagten. Das klingt so gar
nicht typisch japanisch.
Murrmann: Ich hatte immer großen Respekt vor dem Vorstand in
Japan. Die Manager waren kreativ, aufnahmefähig, nie abwiegelnd. In
einem Meeting während der Aufbauphase sagte ich einmal, neben
zuverlässigen Honda-Motoren würde ich mir auch italienisches Design und
deutsche Fahrwerke wünschen.
Und dann gab's Stress?
Murrmann: Ganz im Gegenteil. Da wurde etwas ausgelöst. Aber im
positiven Sinne. Umgehend wurde ein Designbüro in Mailand gegründet und
später die europäische Entwicklungsabteilung R&D in Offenbach
angesiedelt.
Herr Petrick, als erster deutscher Honda-Händler verfügen Sie über
einen großen gewachsenen Kundenstamm. Haben Sie Kunden, die bereits in
den 60er Jahren ihr erstes Auto bei Ihnen gekauft haben und die oder
deren Familien noch heute zum Kundenstamm zählen?
Petrick: Oh ja, ich freue mich immer, wenn ich einige meiner
ersten Kunden im Autohaus begrüßen darf und diesen ja nun auch schon
etwas „älteren“ Kunden mit einem neuen Honda Freude machen kann.
Lange Zeit stand Honda für gleich reihenweise Erfolge im Rennsport
und teils betont sportlich ausgelegte Modelle. Heute stehen besonders
umweltfreundliche Modelle im Vordergrund. Das Modell CR-Z kombiniert
einen sportlichen Charakter mit moderner Spritspartechnik. Helfen
Probefahrten, um Interessenten davon zu überzeugen, dass sparsam nicht
mit spaßarm gleich zu setzen ist?
Petrick: Die Vorbehalte der Käufer sind leider zum Teil noch
recht hoch. Doch ich bin fest davon überzeugt, dass sich dies mit
steigenden Benzinpreisen kurzfristig ändern wird. Der Hybridantrieb
verbindet sportliche Fahrleistungen mit besten Verbrauchs- und
Emissionswerten zu erschwinglichen Preisen. Eine Testfahrt ist stets das
beste Überzeugungsinstrument.
Herr Murrmann, Sie sind ein richtiges Urgestein von Honda in
Deutschland, waren 36 Jahre lang mit an Bord. Was hat Sie an dem
Unternehmen so fasziniert?
Murrmann: Honda hat zahllose technische Innovationen durchgesetzt
– in allen Bereichen. Ich denke dabei auch an ASIMO, den
intelligentesten humanoiden Roboter weltweit, oder den HondaJet. Honda
hat als kleiner Hersteller angefangen – die ersten Fahrradhilfsmotoren
waren ja nur Gehversuche – und ist heute ein Weltkonzern. Daran hat
Honda Deutschland seit 50 Jahren mitgewirkt und ich war lange Zeit im
Team. Das macht mich sehr stolz.
Haben Sie denn niemals gezweifelt?
Murrmann: Wir haben echte Pionierarbeit geleistet. Es gab immer
wieder gute Ratschläge von Freunden, die meinten: „Mensch, mach doch
etwas anderes. Das mit den Reiskochern wird nix.“ Aber das hat mich
eigentlich nur bestärkt, nicht nachzulassen. |