Praxis |
"Duales-Perfektions-Training"
4. Teil: Vom Anhalten bis zur Vollbremsung
"Bremsen bis die Eisen glühen"
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Eine gewaltige Herausforderung beim Motorradfahren ist das Bremsen.
Bei
einer unausweichlichen Notbremsung kann der Akteur mächtig ins
Schwitzen
kommen. Sollte scharfes Bremsen, ohne oder mit einem ABS-Bike,
deswegen
hin und wieder mal geübt werden? Wir meinen JA!
Text: Winni Scheibe
Fotos: Wolfgang Fromm
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ABS-Training
Voll in die Eisen steigen, will gelernt sein.
Wir meinen: üben, üben und noch einmal üben!
(Foto: Wolfgang Fromm)
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Bremsen ist nicht gleich
bremsen. Es gibt das "gewollte, bewusste Bremsen" oder auch das "situationsbedingte
Verzögern". Zum Beispiel vor Kurven, bergab oder einfach nur so zum
Anhalten. Es kann aber auch bei Renntempo das "Bremsen auf der letzten
Rille" sein. In all diesen Situationen zieht der Akteur bewusst und ganz
gewollt am Hebel.
Der Ausnahmefall ist die "Not- oder Schreckbremsung". Gemeint sind
Verkehrssituationen, in die man absolut unvorbereitet kommt. Hier heißt
es: "Voll in die Eisen steigen!". Bei dieser Vollbremsung zählt jeder
Meter, im Extremfall geht es um Leben oder Tod.
Bei einer "Gefahren- oder
Schreckbremsung" ist es allerdings unmöglich, gleichzeitig Vorder- und
Hinterradbremse so zu dosieren, dass beide Räder optimal bremsen, also
nicht blockieren. Das Gegenteil ist der Fall. In Panik tritt man hinten
voll drauf, das Hinterrad blockiert und als Folge bricht das
Fahrzeugheck aus. Zum Gegenlenken muss man geistesgegenwärtig die
Bremsen lösen, der lebenswichtige Bremsweg wird so verschenkt.
Bedeutend kritischer ist ein überbremstes Vorderrad.
Blitzartig muss die Bremse "gelöst" werden. Ein nur 0,2 Sekunden
blockierendes Vorderrad führt nämlich (fast) immer zum Sturz!
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Erster Lehrsatz bei Motorrädern ohne ABS:
Blockiert das Vorderrad "Bremse lösen!"
Eine Vollbremsung ohne ABS verlangt viel
Übung und Fingerspitzengefühl
(Foto: Wolfgang Fromm) |
Ein Bike mit ABS verlangt
nun aber genau das Gegenteil. Bei einer Notbremsung kann oder muss sogar
die Bremsanlage sofort und kräftig betätigt werden und, das ist das
Entscheidende, muss bis zum Stillstand "festgehalten!" werden.
Klingt einfach, ist aber selbst für den routinierten Motorradfahrer eine
gewaltige Umstellung. Und die beginnt im Kopf und muss durch
Bremsversuche im ABS-Regelbereich trainiert werden, solange, bis dieser
neue Programmablauf "Bremse halten" in "Fleisch und Blut" übergegangen
ist.
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Zweiter Lehrsatz bei ABS-Motorrädern:
Bei Vollbremsung "Bremse halten!"
(Foto: Wolfgang Fromm) |
Bremstraining: Mit Bikes ohne ABS
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Die erste "Selbsterfahrung" ist
die Übung mit dem blockierenden Hinterrad. Auf einer Nebenstraße, mit
der Gewissheit, dass von hinten gerade keiner kommt, wird bei etwa 50-60
km/h die Kupplung gezogen und hinten für einen Moment voll draufgetreten.
Das Rad blockiert und das Heck wird ausbrechen. Obwohl man auf diese
Situation vorbereitet ist, wird man sich mächtig erschrecken und nur das
sofortige "Bremse lösen" verhindert Schlimmeres.
Auf einem flachen Verkehrsübungsplatz wird man dieses "Heck-Ausbrechen"
bei weitem nicht so gravierend erleben. Das Bike kann hier in der Spur
bleiben und man gewinnt den Eindruck: "ein blockierendes Hinterrad ist
beherrschbar oder gar ungefährlich". Diese Fehleinschätzung kann jedoch
zu fatalen Folgen führen. Bei einer Notbremsung verlässt man sich auf
diese Erfahrung und kommt, wenn das Heck ausbricht, erst recht in eine
Paniksituation.
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(Foto: Wolfgang Fromm)
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Für das gezielte Bremstraining
sucht man sich am besten einen leeren Parkplatz und verabredet sich mit
einem Motorradspezi. Falls etwas passiert, ist jemand da, der helfen
kann. Zu zweit macht es aber auch viel mehr Spaß und man kann sich
gegenseitig beobachten und Tipps geben. Als Hilfsmittel sollte man
einige leere Dosen und ein Stück Kreide mitnehmen. Wer seinen Bremsweg
genau wissen will, steckt auch einen Zollstock ein.
Wichtig für das Erfolgserlebnis ist ein
strukturiertes Training. Zwei Dosen bilden ein "Tor", bei allen Übungen
wird ab hier gebremst. Wo das Bike nach dem jeweiligen Bremsmanöver zum
Stehen kommt, wird markiert. Mit dem Zollstock lässt sich der Bremsweg
messen. Nach mehreren "Stoppies" sollte er sich nämlich verkürzen.
Die Erfahrung mit dem blockierenden Hinterrad hat man bereits gemacht,
alle weiteren Übungen werden ab jetzt nur noch mit der Vorderradbremse
absolviert. Zuerst "nur" aus 30 und dann aus 50 km/h. Wenn man sicherer
ist, wird auch aus 70 km/h oder sogar aus 100 km/h gebremst.
Jeder, der ehrlich zu sich ist, wird spätestens jetzt
zugeben, welch enormes "Fingerspitzengefühl" für eine optimale Bremsung
erforderlich ist.
Je stärker vorne gebremst wird, um so tiefer taucht die Gabel durch die
Gewichtsverlagerung ein, man spricht von der dynamischen
Achslastverteilung. Es können gewaltige Bremskräfte über das Vorderrad
auf den Asphalt übertragen werden. Moderne Bremstechnologie, top
Fahrwerke und exzellente Reifen lassen bei top Bedingungen
Verzögerungswerte bis über 10m/s zu!
Diese Physik hat allerdings ihre Tücken. Wird die Vorderradbremse
nämlich schlagartig betätigt, blockiert das Rad umgehend. Die dynamische
Achslastverteilung hatte durch die "Massenträgheit" noch nicht die Zeit,
das Gewicht auf das Vorderrad zu bringen. Oder: Das Vorderrad wurde noch
nicht fest genug auf den Asphalt gedrückt.
Die hohe Kunst einer effektiven
Vollbremsung ist es, das Vorderrad mit einer gefühlvollen,
kraftansteigenden Bremsaktion zum "Wimmern" zu bekommen. Die
Bremsleistung soll bis kurz vor, dabei aber nie die Blockiergrenze
überschreiten. Das Hinterrad wird dabei voll entlastet, es kann sogar
etwas von der Fahrbahn abheben. Stoppiekings schaffen dies sogar mit
Sozius!
Blockiert das Vorderrad trotzdem, muss die Handbremse
blitzartig "gelöst werden" und in Sekundenschnelle der maximale
Bremsdruck wieder aufgebaut werden. Man könnte auch sagen "das ABS liegt
in der rechten Hand".
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Bremstraining: Mit ABS-Bikes
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(Foto: Wolfgang Fromm) |
Motorradfahrer mit ihrem ABS-Bike sollten das
Bremsen, in der gleichen Reihenfolge wie bereits oben beschrieben,
ebenfalls üben. Im ABS-Regelbereich kommen die Räder für den Bruchteil
einer Sekunde nämlich zum Blockieren. Das wird vom Fahrer auch so
wahrgenommen, blitzartig löst er aus "Gewohnheit" die Bremsen. Der
Reflex "Bremse lösen", der im Bewusstsein fest "einprogrammiert" ist,
muss durch den vollkommen neuen Handlungsablauf "Bremse halten" ersetzt
werden.
Wichtig hierbei ist es natürlich, dass beide Bremsen auf "Anschlag", im
ABS-Regelbereich, bis zum Stillstand tatsächlich "gehalten" werden.
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