Portrait |
Gelände-Champion Rolf Witthöft
"Evergreen"
Schleswig-Holstein ist ziemlich flach. Bei schönem Wetter
kann man
bei guter Sicht die Nordsee und die Ostsee sehen.
Anspruchsvolle
Offroad-Strecken außer Sand, Sand und nochmals Sand darf
man hier
oben allerdings kaum erwarten.
Und trotzdem, aus Bad Oldesloe stammt
Rolf Witthöft, einer der
erfolgreichsten deutschen Geländefahrer. Der
vielfache
Deutsche, Europa- und Weltmeister gehört seit 1968 zur
Kawasaki-Familie und zählt somit zu den dienstältesten
Vertragshändlern.
Wir haben den Groß-Champion,
der eine außergewöhnliche Kawasaki Z750B
im
Geländetrimm besitzt, in Norddeutschland besucht.
Text: Winni Scheibe
Fotos: Archiv-Witthöft, Archiv-Kawasaki, Archiv-BMW, Scheibe
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Sommer
2006, Ortstermin Bad Oldesloe. Gleich in der Industriestraße 21-25
steht das Firmengebäude der Mazda- und Kawasaki Vertragshändler Gebr.
Witthöft GmbH. Im Eingangsbereich parken eine Kawasaki ZZR1400 und
Kawasaki ER-6n, daneben stehen neue Mazda Autos. Der Showroom zeigt sich
schlicht und sachlich. Weder Rennbilder, noch Trophäen, noch Urkunden
oder Siegerkränze erinnern an eine außergewöhnliche
Motorsport-Karriere. Der Empfang ist herzlich, wir haben uns mit
Firmenchef Rolf Witthöft für eine Zeitreise in das Jahr 1978
verabredet. In diesem Jahr wurde der norddeutsche Offroad-Champion mit
dem urigen Kawasaki Dampfhammer Z750-Twin Deutscher Geländemeister. Es
dauert nur einen kurzen Moment und man weiß, hier steht ein
dynamisch-sportlicher Geschäftsmann vor einem.
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Rolf
Witthöft, Jahrgang 1944, wirkt locker 10 Jahre jünger. Wer ihm
zuhört, spürt sofort seine Leidenschaft für Motorräder und den
Motorsport. Zwar sind die Haare inzwischen fast so weiß wie sein
blütenreines Oberhemd, doch von ausgepowert oder Betriebsmüdigkeit
keine Spur. Über das aktuelle Programm schwärmt der Holsteiner:
"Mit der neuen ZZR1400 hat Kawasaki ein ganz heißes Eisen im
Feuer. Wer sich mit diesem Bike austobt, stößt in die Galaxie der
F1-Fahrleistungen. Kawasaki braucht solche Bikes, sie gehören unbedingt
zum Image. Mein persönlicher Favorit ist jedoch die ER-6n. Letztes
Wochenende war ich mit Motorradfreunden unterwegs, ich saß auf der
ER-6n, schon lange habe ich nicht mehr soviel Fahrspaß erlebt." |
Rolf Witthöft |
Die
Motorradbegeisterung ist echt, sie kommt aus vollem Herzen. Auch kein
Wunder. Der Bad Oldesloer ist als Sohn eines Kfz-Meisters bereits mit
"Benzin im Blut" auf die Welt gekommen und dieser Bazillus hat
ihn bis heute nicht verlassen. Man plaudert noch etwas über die
aktuelle Motorradszene, dann erfolgt ein Zeitsprung 30 Jahre zurück.
"Eigentlich habe ich meine aktive Geländefahrer-Laufbahn 1976
beendet. Unser Kfz-Betrieb nahm mich immer mehr in Anspruch, auch wollte
ich mehr Zeit für meine Familie haben. Was ich jedoch nicht ahnte, nach
16 Jahren Geländesport konnte das nicht gut gehen," verrät der
sympathische Holsteiner und lacht. "Ende 1977 kam mein Sportfreund
Bernd Drews mit einer ziemlich verrückten Idee zu uns. Die Kawasaki
Z750B, schlug er vor, wäre genau die richtige Maschine für die neue
Geländesportklasse über 750 Kubik"
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Rolf Witthöft:
"Die Kawasaki Z750B zum erfolgreichen Offroad-Bike
umzubauen
war eine gewaltige Herausforderung"
Kawasaki Z750 B von 1977
(Foto: Archiv-Kawasaki)
Witthöft-Kawasaki Z751-GS von
1978
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Was
sich zunächst wie ein Spaß anhörte, stieß bei Rolf Witthöft, aber
vor allem bei seinem Bruder Peter, er ist der Techniker im
Familienbetrieb, sofort auf reges Interesse. Und wie es in solchen
Kreisen üblich ist, wurden gleich Pläne geschmiedet. Das Fahrwerk
müsste man für den optimalen Geländeeinsatz komplett verändern,
alles Überflüssige sollte abgebaut werden und an dem Motor wollte man
auch arbeiten. Übermaßkolben sollten den Hubraum auf 751 ccm bringen.
Im Geiste stand der Gelände-Hammer bereits vor ihnen und Rolf Witthöft
erinnert sich: "Was wir uns zunächst als relativ einfache Aufgabe
vorgestellt hatten, erwies sich bei näherer Betrachtung als gewaltige
Herausforderung. Keine Mutter blieb auf ihrer Schraube."
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Der
Z750-Rahmen wurde so geändert, dass der komplette Vorderbau aber auch
die Hinterradführung von KTM verwendet werden konnte. Als nächstes kam
der Motor an die Reihe. Lichtmaschine, Zündanlage und die beiden
Ausgleichswellen wanderten ins Teilelager. Für den Zündfunken sorgte
fortan eine Kröber Magnetanlage. Gewichtsreduzierung war ein weiteres
Thema. Peter Witthöft bohrte die Nockenwellen hohl und jede Menge
"großer Löcher" in den Zylinderkopf und Zylinderblock. Alle
Mühen sollten sich lohnen. Fahrfertig, mit 7 Liter Kraftstoff im Tank,
drückte die "Witthöft-GS" lediglich 152 kg auf die Waage.
Pünktlich zum Start der Geländesaison 1978 war das
Viertakt-Offroadbike einsatzbereit. Die Resonanz auf die erstmalig in
diesem Jahr ausgetragene Geländeklasse über 750 Kubik war beachtlich.
Maico, Ducati, Yamaha, Kawasaki, aber vor allem die neue Versuchs-GS von
BMW, standen am Start.
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Offroad-Legende Rolf Witthöft wurde 1978
Deutscher Geländemeister in der Klasse über 750 Kubik
Rolf Witthöft 1978
(Foto: Archiv-Witthöft)
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Nicht
ohne Stolz betont Rolf Witthöft: "Es wurde eine interessante, aber
auch spannende Meisterschaft. Besonders für mich als Titelanwärter,
weil ich mir beim vorletzten Lauf den rechten Mittelfußknochen
gebrochen hatte. Zum DM-Finale hatte ich mir einen Spezialstiefel
anfertigen lassen, wurde trotzdem Zweiter in meiner Klasse und war somit
erster Deutscher Geländemeister in der Klasse über 750 Kubik. Damit
hatte keiner gerechnet, für mich war dieses Comeback ein Riesenerfolg."
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Witthöft-Kawa-GS
Z751 und Z510
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Soweit
zur Historie des erfolgreichen Offroadbikes. Die Siegermaschine steht
gut unter einer Plane abgedeckt in der Werkstatt. Gleich daneben die
Witthöftsche Z500 GS. Ein Spaßmotorrad, wie Rolf Witthöft betont, das
er 1980 aus den Fahrwerkskomponenten der KLX250 und dem Twin-Motor der
Z440 zusammengebaut hat. In den Zylinderlaufbahnen stecken Z1100-Kolben,
womit der Hubraum auf 510 ccm erhöht werden konnte. Mit diesem
Zweizylinder-Geländehüpfer ist Witthöft 1981 und 1982 nur zur Gaudi
bei vereinzelten Wettbewerben mitgefahren.
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Das
Augenmerk in diesem Bericht gilt weiterhin der Z751. Rolf Witthöft
checkt die Kettenspannung, füllt Benzin nach, dann wird das Bike in
einen Transporter verladen. Auf einem nahegelegenen Offroadgelände
sollen die Bilder gemacht werden. Den ganzen Tag über ist es schon
drückend schwül, der Blick an den Himmel lässt demnächst ein
Gewitter erwarten. Die Strecke ist ideal, Sprunghügel, Anlieger, kein
weiterer Cross- oder Geländefahrer sind auf dem Kurs. Der Ex-Champion
lässt den Donnerbolzen in gekonnter Manier, als wäre es 1978, um die
Ecke krachen. Rechtsherum, linksherum, dann noch ein paar Sprünge über
einen Hügel fürs Fotoalbum. |
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Sommer 2006:
Der Champion hat nichts verlernt!
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Nach
gut einer halben Stunde sind die Aufnahmen
im Kasten. Es ist knallheiß, Rolf Witthöft nimmt nach der Vorführung
den Helm ab, wischt sich mit einem Tuch ein paar Schweißtropfen von der
Stirn - das war's. Es ist kaum zu glauben, der "Offroad-Oldie" hat
eine Kondition wie ein Junger. Eigentlich wäre, nach einem großen
Kompliment und dickem Dankeschön an den Gastgeber, die Story hier zu
Ende. Ist sie auch, jedenfalls aus Kawasaki Sicht.
Der
Einsatz der Z751 "Witthöft-GS" erfolgte nur in der Saison 1978,
danach kam die Maschine nie wieder offiziell zum Einsatz.
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Rolf Witthöft nach dem Offroad-Ausflug
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Das BMW R80G/S Abenteuer
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BMW-GS-Werksfahrer und Europameister 1980 Rolf
Witthöft
(Fotos: Archiv-BMW)
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Für Kawasaki war Rolf Witthöfts Erfolg
damals nebensächlich. Ein vergleichbares Geländemotorrad gab es im
Modellprogramm nicht und für Werbezwecke ließ sich der Titel kaum
ausschlachten. Ganz anders bei BMW in München. Längst pfiffen es die
Spatzen von den Dächern, dass man demnächst eine BMW-Großenduro auf den
Markt bringen wollte. Für die erfolgreiche Markteinführung der neuen BMW
R80G/S im Jahr 1980 überließ der bayerische Motorradhersteller nichts dem
Zufall und verpflichtete Rolf Witthöft als Werksfahrer. Der Deal sollte
sich lohnen. Bei der Sechstagefahrt 1979 im Siegerland gewann der
Norddeutsche Geländeprofi auf Anhieb die Goldmedaille und am Ende der
Saison 1980 stand Rolf Witthöft mit der BMW Werks-GS 800 als
Europameister fest. Die GS-Baureihe wurde für BMW ein voller Erfolg, der
EM-Titel für Rolf Witthöft Krönung und gleichzeitig Abschluss einer
unvergleichlichen Offroad-Karriere.
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BMW R80G/S
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Gelände-Ass Rolf Witthöft
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Die
Statistik ist eine echte Erfolgsgeschichte. Seinen ersten
Gelände-Wettbewerb bestritt Rolf Witthöft als 16jähriger 1960 auf
einer frisierten 50er DKW Hummel. Zum ersten Mal Deutscher
Geländemeister bis 100 Kubik wurde er 1967. Seinen letzten Titel,
Europa-Geländemeister auf der BMW GS 800, holte der Holsteiner 1980. Er
fuhr die Marken DKW, Kreidler, Hercules, Puch, Zündapp, Kawasaki und
BMW.
Insgesamt wurde Rolf Witthöft:
18facher Deutscher Geländemeister in Einzel- und Mannschaftswertung in
den Klassen 100, 125 und über 750 Kubik
9facher Europa-Geländemeister in den Klassen 125 und über 750 Kubik
Weltmeister 1975 und 1976 als Kapitän der Deutschen-Nationalmannschaft
Gesamtsieger 1973 der Int. 6-Tagesfahrt in den USA
Mehrfacher Gewinner der Silber Vase (Six-Day-Rennen)
Träger des "Silbernen Lorbeerblattes" der Bundesrepublik
Deutschland seit 1973
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