Portrait


Jochen "The Voice" Luck, Jahrgang 1925, feiert am 23. September Geburtstag


"Der Herkules-Mann"

Der Altersschnitt heutiger Motorradfahrer liegt jenseits von 40 Lenzen.
Das ist die eine Seite. Andererseits hält Motorrad fahren aber auch jung und fit.
Bestes Beispiel hierfür ist der Kasselaner Jochen "The Voice" Luck, Jahrgang 1925. Mit seiner BMW R80GS fährt der rüstige Ruheständler nämlich immer noch
recht flott durch Nordhessen und manchmal auch ein Stück weiter.


Text: Winni Scheibe
Fotos: Archiv-Luck, Scheibe



Jochen "The Voice" Luck vor dem Herkules-Denkmal in Kassel


Ohne meine gute Schulausbildung, aber vor allem meiner ausgezeichneten Sportförderung hätte ich den Krieg nie überlebt. Ich war topfit, und meine drei Verwundungen habe ich gut überstanden. Als es an den Rückzug von der russischen Ostfront ging, hatte ich immer noch genügend Kondition, um alleine nach Haus zu kommen", erzählt Jochen Luck.
Man stutzt. Krieg? Welchen Krieg meint der agile Herr? Und dann legt der Kasseler los. "Moment mal, ich bin Jahrgang 1925. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, war ich 14, damals wusste ich aber schon ganz genau, was ich wollte. Ich besuchte ein ausgezeichnetes Gymnasium, aber noch viel wichtiger für mich war der Eishockeysport. Das war mein Leben, und das sollte meine Zukunft werden. Bereits als Teenager schaffte ich es als Verteidiger bis in die Jugend-Nationalmannschaft, und als ich später zur Wehrmacht musste, gab es für die Meisterschaftsspiele sogar Sonderurlaub."

 

Das Schlittschuhlaufen hat der
Ex-Eissportler bis auf den Tag nicht verlernt. Regelmäßig macht er die Kasseler Eissporthalle unsicher. Aufmerksame Beobachter behaupten,
er läuft rückwärts schneller als andere vorwärts. Steigt Jochen Luck auf seine BMW R80GS lässt er es etwas gemütlicher angehen. Motorradwandern durch seine nordhessische Heimat gehört ebenfalls zu den sportliche Betätigungen des Ruheständlers.
"Motorrad fahren macht mir ungebrochen großen Spaß, und mir persönlich zeigt dieser Sport, wie fit ich noch bin, Motorrad fahren hält eben jung", ist Jochen Luck überzeugt.



Ausfahrt mit der BMW R80GS ins Nordhessische Bergland


Eine weitere Leidenschaft wurden Motorräder. Die begann in der Nachkriegszeit 1948 mit einer 500er Rudge-Whitworth, die der 23-jährige auf dem Schwarzmarkt gegen fünf Pfund Kaffee und ein Paddelboot eingetauscht hatte.
"Eigentlich war der englische Dampfhammer mit Vierventil-Zylinderkopf eine reinrassige Rennmaschine. Doch der Vorbesitzer hatte provisorisch eine Beleuchtungsanlage daran gebastelt. Zum Starten musste die Maschine jedoch weiterhin angeschoben werden, der Auspuff war völlig ungedämpft", verrät Jochen Luck und lacht.


Mit der Renn-Rudge-Whitworth 1948 über die Chaussee

 

Der Sound lässt sich gut vorstellen, aber damals störte das niemanden, und außerdem war er gleich nach Kriegsende zunächst für zwei Jahre bei der Kasseler Schutzpolizei untergekommen, und da kannte jeder jeden. Danach folgte eine kaufmännische Ausbildung und die Anstellung bei der Mercedes-Benz-Vertretung in seiner Heimatstadt. Sein stets adrettes Auftreten sowie seine Sprachgewandtheit machten den jungen Mitarbeiter schon bald zu einem erfolgreichen Fahrzeugverkäufer. Beruflich war das Gröbste bald geschafft, im Motorsport beteiligte sich der Heißsporn bei Geländefahrten und Straßenrennen. Sein Talent war so groß, dass er für zwei Jahre Adler Werksfahrer wurde. "Die damaligen Wettbewerbe lassen sich mit heutigen nicht vergleichen. Gelände- und Straßenlangstreckenfahrten gingen meist über den ganzen Tag oder auch die Nacht durch, wir sind Hunderte von Kilometern gefahren. Das war eine enorme Herausforderung für Mensch und Maschine", erinnert sich der ehemalige Motorsportler.



"The Voice" Jochen Luck

(Foto: Archiv-Luck)


Mehr zufällig kam er an den Job des Streckensprechers. Im Sommer 1949 hatte der Kasseler Motorsportclub ein Motorradrennen organisiert und brauchte dringend jemanden für die Ansagen. Jochen Lucks damaliger Chef Karl-Bernd Apell schlug ihn vor, alle waren hinterher begeistert.


Motorradsportler
Jochen “The Voice” Luck

 


Jochen Luck mit seiner Adler Geländesport-Maschine im Jahr 1954
(Foto: Archiv-Luck)


Über Langeweile in seiner Freizeit konnte sich Jochen Luck schon bald nicht mehr beklagen. Neben der aktiven Motorradrennerei folgten in den nächsten Jahren weitere Einsätze als Streckensprecher. Seine erste große internationale Veranstaltung war 1953 das Eifelrennen auf dem Nürburgring, danach war er im Metier fest etabliert. Bis 1987 brachte es Jochen Luck auf 488 Veranstaltungen, das heißt fast 3000 einzelne Rennläufe moderierte er. Bei den Motorrädern waren es exakt 36 GPs und 33 Moto Cross WM-Läufe, bei den Autos 21 Formel-1 GPs sowie 19 Sportwagen-WM-Rennen.
Jochen Luck informierte die Schlachtenbummler immer sachlich und korrekt. Vor den Rennen sammelte er sein Hintergrundwissen im Fahrerlager bei den Piloten und Teams, ließ sich von den Mechanikern ausführlich in die technischen Finessen der Rennfahrzeuge einweihen. Seine Frau Hildegard, mit der er seit 1964 verheiratet ist, war bei den Rennen stets dabei. Sie notierte die Rundenzeiten, schrieb Tabellen und führte akribisch eine Fahrerkartei, über Graf Berge von Trips, Nicky Lauda, Jim Redman, Giacomo Agostini, Phil Read, Barry Sheene, Dieter Braun oder Toni Mang. Über alle Rennstars aus der damaligen Epoche hat sich so mit der Zeit ein unermesslich wertvolles Archiv angesammelt.



Maico-Pilot Dieter Braun und Jochen Luck
(Foto: Archiv-Luck)


Der Mann mit "Benzin im Blut" verstand es geschickt, mit seiner unverkennbaren Stimme während der Rennläufe seine Insiderkenntnisse in die Berichterstattung über die aktuellen Positionskämpfe mit einzuflechten. Die Zuschauer erfuhren, was auf der Piste los war, um welche Fahrer es sich handelte, woher sie kamen, mit welcher Maschine sie fuhren und ob es im Training Probleme gab. Bei den damaligen Schiebestarts wurden die Piloten in ihrer Landessprache begrüsst, auf finnisch, schwedisch, tschechisch oder japanisch und andere mehr.





(3 Fotos: Archiv-Luck)


Auch bei der berühmten "Speed Week" in Daytona Beach/Florida war er einmal Streckensprecher und sofort nannten ihn die Amis "The Voice". Dieser Spitzname wurde später sein "Markenzeichen".
Beruflich war Jochen Luck immer in der Fahrzeugbranche tätig und stellt fest: "Die Berichterstattung an der Rennstrecke war reines Hobby. Außer Aufwandsentschädigung und etwas Taschengeld gab es nichts dafür. Nach 28 Jahren bei Mercedes-Benz wechselte ich 1979 zu MAN in Kassel und war dort bis Ende 1991 Verkaufsniederlassungsleiter."



Geländesportfan Jochen Luck


1987 legte "The Voice" das Mikrofon aus der Hand und widmete sich am Wochenende wieder dem aktiven Rennsport. Nun aber bei Oldtimer-Wettbewerben mit einer 350er Norton Manx. Für den Fahrspaß auf der Straße kam 1992 eine BMW R80GS hinzu. Nach verschiedenen Enduros von Maico, Bultaco und Honda war die GS seine erste BMW. Jedoch keine Stangenware, sondern eine für besseren Geländeeinsatz und einfacheres Handling abgespeckte und feingetunte Schalber-BMW. "Diese Maschine ist mir sofort ans Herz gewachsen", schwärmt Jochen Luck über sein Offroad-Bike. "Abgesehen von gelegentlichen Ausflügen über Schotterwege, fahre ich mit dem Boxer aber am liebsten über verwinkelte Landstraßen. In Nordhessen und dem angrenzenden Thüringen gibt es jede Menge wundervolle Sträßchen, die Gegend ist traumhaft, viele Ortschaften pikobello herausgeputzt."



Rennsport-Legenden mit 32 WM-Titeln
Jochen "The Voice" Luck, Supersport-Weltmeister Jörg Teuchert, 15facher Weltmeister Giacomo Agostini, sechsfacher Weltmeister Jim Redman, achtfacher Weltmeister Phil Read
und zweifacher Weltmeister Dieter Braun (v.l.n.r.)
(Foto: Archiv-Luck)


Im Schnitt bewegt Jochen Luck den Boxer pro Jahr gut 8000 Kilometer, das ist eine Fahrleistung, die kaum manch Jüngerer zusammenbekommt. Neben dem Motorradfahren und anderen Aktivitäten verfolgt der ehemalige Streckensprecher mit seiner Frau alle Läufe zur Motorrad-WM. Wie einst sind die rennbegeisterten Eheleute ein gut eingespieltes Team. Als VIP-Gäste reisen sie gemeinsam mal mit dem Auto und mal per Flugzeug zu den europäischen Motorrad-Grand-Prix, der Rennbazillus lässt sie beide einfach nicht los.



Teamarbeit und Teamgeist:
Hildegard und Jochen Luck
(Foto: Archiv-Luck)


Wenn es allerdings ums Motorradfahren geht, steigt Jochen Luck
 lieber alleine auf seinen Offroad-Boxer. Am 23. September 2013 wurde
der rüstige Pensionär 88 Jahre alt.
 Herzlichen Glückwunsch!



Jochen Luck mit seiner BMW R80GS on Tour


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