Portrait


Roland Herbig

Motorräder für Behinderte

"No Handicap"

Lackierer und Designer sind Spezialisten. Um sie soll es
hier allerdings auch nicht gehen. Der querschnittsgelähmte
Roland Herbig setzte sich in den Kopf wieder Motorrad zu
fahren und baute ein Gespann um.

Text: Winni Scheibe
Fotos: Herbig, Scheibe


(Foto: Herbig)

Für die einen ist die Nordschleife vom Nürburgring die schönste Rennstrecke der Welt, für andere die "Grüne Hölle". Roland Herbig wurde sie zum Schicksal. Eigentlich sollte es nur noch eine schnelle Runde werden, doch in der Linkskurve vor der Breitscheider Brücke war seine Kawasaki ZZ-R 1100 plötzlich nicht mehr zu halten - an den Unfall selbst kann er sich nicht mehr erinnern. Dafür um so besser an die Zeit in der Intensivstation, als ihm bewusst wurde, welche Folgen der Crash hatte: er war querschnittsgelähmt. Und was das bedeutete, braucht ihm keiner zu erzählen. Lebenslang auf andere angewiesen zu sein, nie mehr laufen zu können und nie mehr auf einem Motorrad sitzen.


Später während der Rehabilitation wurde dem sympathischen Rheinländer aber noch etwas ganz anderes klar, jammern und selbstbedauern nutzt am allerwenigsten. Das Leben geht schließlich weiter und so wie er sich bereits vor dem schweren Unfall stets zu helfen wusste, waren bald Zukunftspläne geschmiedet. Die Motorrad-Lackier- und Designerwerkstatt wurde rollstuhlgerecht umgebaut. Bereits sieben Monate nach der Katastrophe am Ring werkelte er wieder in seinem Einmannbetrieb.
Die eigentlichen Probleme fingen nun aber erst an. Probleme, die jedoch nur Behinderte kennen. Dem gegenüber stand die Lebenseinstellung: "Geht nicht, gibt es nicht". Und so begann ein Engagement mit Frau und der 7-jährigen Tochter, der Arbeit in der Werkstatt, den tagtäglichen Erledigungen und mit dem Autofahren. Ans Motorradfahren war ja wohl kaum mehr zu denken, zumal Ehefrau Dagmar dabei auch noch ein Wörtchen mitzureden hatte. Doch der Bazillus saß tief, so tief, dass man sich auf einen Kompromiss einigte und das war ein "rolligerechtes" Trike.



(3 Fotos: Herbig)

Nach rund 26 Jahren Biker-Leben das Hobby vergessen, einfach abhaken war für mich nicht möglich. Mit dem umgebauten Trike hatte ich zunächst einen brauchbaren Ersatz gefunden", beschreibt der heute 44jährige seine damalige Situation. Doch dabei sollte es nicht bleiben. Ende 1997 begegnete ihm bei einer Motorradmesse ein Rollstuhlfahrer in Bikerbekleidung. Schnell kam man ins Gespräch, fuhr auf den Parkplatz, Roland Herbig bestaunte das umgebaute Moto Guzzi Gespann und wusste sofort, so etwas muss er auch haben. 
Da es jedoch nicht unbedingt eine Guzzi sein sollte, wurden in den nächsten Wochen Kataloge und Prospekte studiert, um sich überhaupt erstmal in der Gespannszene schlau zu machen. Die Wahl fiel schließlich auf ein 164 PS starkes Honda CBX 1100 XX EML-Gespann mit Radnabenlenkung und geräumigen EML-Speed 2000-Seitenwagen. Während bei EML in Holland das Gespann aufgebaut wurde, überlegte Tüftler Herbig derweil wie sich das Power-Dreirad am einfachsten und effektivsten behindertengerecht umbauen ließ. Im Hinterkopf hatte er nämlich schon längst die Idee, Behindertenumbauten für Solo- und Gespannmotorräder anzubieten. Eine kleine, aber dafür von Fall zu Fall ganz individuelle Marktnische.




Im Prinzip gab es für meine Bedürfnisse sechs Aufgaben zu lösen", erzählt Roland Herbig. "Platz für den Rollstuhl, sicheren Halt für die Füße, manuelle Gangschaltung, ein Kombi-Bremssystem über die rechte Handbremse, die auf alle drei Räder gleichzeitig wirkt, eine Rückfahrmöglichkeit für das 400 kg schwere Gespann und zu guter Letzt die obligatorische TÜV-Abnahme."




Das Unterbringen vom Rolli wahlweise im Boot oder in der Spezialhalterung am Heck, sowie die Konstruktion der Körbe, die anstelle der Fußrasten gebraucht wurden, waren die leichtesten Arbeiten. Die Betätigung des Sechsganggetriebes macht dagegen schon mehr Kopfzerbrechen. Mit der linken Hand Kupplung ziehen und gleichzeitig über einen Handhebel schalten, schied von vornherein aus. Die Lösung war ein Gleichstrom-Hubmagnet mit je einer Spule für die Vor- und Rückbewegung. Da, wo normalerweise das Schaltgestänge seinen Platz hat, sitzt nun der Linearmotor, die Schubstange wirkt über ein Kugelgelenk und Hebel auf die Schaltwelle. Aktiviert wird die Technik über Steuerrelais und zwei Druckknöpfe zwischen Blinkschalter und Handgriff links am Lenker. Oben drücken befiehlt hochschalten, unten drücken signalisiert runterschalten. Ein zusätzlicher Schalter sichert allerdings, dass nur bei gezogener Kupplung geschaltet werden kann. Hört sich einfach an, ist einfach und funktioniert prächtig.


Das Gleiche gilt auch für die Bremsanlage. Rechts am Lenker sitzen gleich zwei Handhebel. Der obere Bremshebel wirkt auf einen Bremssattel aufs Vorderrad. Über den unteren Hebel wird die andere Zange am Vorderrad betätigt und gleichzeitig das Hinter- und Seitenwagenrad gebremst. Zusätzlich hat Roland Herbig unterhalb des Kupplungshebels am linken Lenkerende eine weitere Bremse, die ausschließlich nur auf das Seitenwagenrad wirkt, installiert.

"Im Fahrbetrieb kann ich mit dem oberen rechten Bremshebel nur das Vorderrad verzögern, mit dem linken Bremshebel das Einlenken in Rechtskurven unterstützen und wenn ich mal voll in die Eisen muss, ziehe ich mit der rechten Hand beide Hebel und alle drei Räder wimmern.
Eine echte Daniel-Düsentrieb-Konstruktion ist der "Rückwärtsgang". Ein exzentrisch gelagerter Autoanlasser mit Reibrolle wird über ein Gestänge und einen langen Handhebel an das Seitenwagenrad gepresst. Im Schritttempo lässt sich so in und aus Parklücken rangieren. Den Strom für den Rückschub liefert eine dicke Autobatterie, die Roland Herbig im Kofferraum untergebracht hat.
Bei soviel Finessen braucht nach der Reifeprüfung beim TÜV nicht lange gefragt zu werden: mit Bravour bestanden!

"Rund 2000 bis 3000 Euro kostet solch ein Behindertenumbau, wobei dies nur als Anhaltswert betrachtet werden darf", betont Roland Herbig. "Jede Behinderung ist anders und schließlich ist jedes Motorrad auch anders. Aber keine Angst, ich bringe (fast) jeden auf´s Motorrad."

 

 


Adresse:

M-design Herbig
Geilenkirchener Straße 431
52134 Herzogenrath

Tel.: 0031 45 5 46 20 99
Fax: 0031 45 5 67 11 00

www.r-herbig.de

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