Motorrad-Marken


NSU 601 OSL
Baujahr 1937

"Spardose"

Mehr Hubraum und höhere Leistung bei gleichzeitig niedrigem
Spritverbrauch waren stets ein gutes Verkaufsargument.
Die NSU 501 OSL machte da keine Ausnahme.
Ende 1937 erweiterte man den Hubraum auf 562 ccm,
die Leistung stieg von 22 auf 24 PS, der Kraftstoffverbrauch
lag dabei weiterhin bei knapp 3,5 l/100km.

Text&Fotos: Winni Scheibe




Rückblickend war man Mitte der 30er Jahre der Zeit bereits meilenweit voraus. Neben anständiger Motorleistung und guter Straßenlage wurde auch immer wieder der geringe Spritverbrauch in Testberichten und Werbetexten deutlich herausgestellt. Zwar dachte damals noch kein Mensch an Umweltschutz, dafür wurden die Kosten für Unterhalt groß geschrieben. NSU in Neckarsulm konnte damit besonders gut angeben. Das Einzylinder-ohv-Topmodell 501 OSL lag mit 2,9 l/100 km sogar noch unter der heute landauf, landab geforderten "3-Liter-Marke". 
Eine Erklärung für die guten Fahrleistungen bei so günstigen Verbrauchswerten lieferte man auch gleich mit: die jahrelange Rennerfahrung. Und auf die konnten die Neckarsulmer mit ihren Einzylinder-dohc-Königswellen-Rennmaschinen wirklich stolz sein. Am Ende der Saison 1937 verbuchte das Werk zahlreiche Erfolge: Deutscher Motorrad-Meister in der 350er Klasse, Schweizer Motorrad-Meister in der Gespannklasse bis 1000 ccm, 9 Rekorde, 10 Bestzeiten, 90 Erste Plätze und 179 Goldmedaillen, 45 Mannschafts-Preise sowie national wie international 279 weitere Auszeichnungen.




Vorbild für das gefragte OSL-Modell war die siegesträchtige Einzylinder-Rennmaschine. Im Großserienbau bediente man sich allerdings bescheidenerer Mittel. Anstelle der technisch kostspieligen Steuerung der beiden obenliegenden Nockenwellen via Königswelle, musste sich das Standard-Triebwerk mit einer einfachen ohv-Ausführung begnügen. Trotzdem, der 501 OSL-Motor verblüffte mit einer auffälligen Ähnlichkeit zum Werksrennmotor. NSU Chefkonstrukteur Walter William Moore hatte nämlich rechts am Motor die beiden Stoßstangen in einem verchromten Hüllrohr untergebracht, die über zwei unten liegende Nockenwellen, Schlepphebel und Kipphebel die Ventile betätigten. Dieser Trick ließ den Betrachter zunächst vermuten, hier handele es sich um einen Königswellenantrieb. Unverkennbar war dagegen die enge Verwandtschaft zum klassischen englischen Motorenbau. Auch kein Wunder. Bevor der britische Ingenieur Moore im Herbst 1929 von den Schwaben am Neckar angeheuert wurde, hatte er bei Norton die neuen Königswellen-Motoren konstruiert. Und diese Handschrift setzte sich natürlich in der OSL-Serie fort.

Der stehende Halbliter-Einzylinder war mit 80 mm Bohrung und 99 mm Hub als typischer Langhuber ausgelegt. Für ordentlichen "Bums aus dem Keller" sorgte die gewaltige Kurbelwelle mit Schwungmasse "ohne Ende". Ruckfrei und ohne sich zu verschlucken beschleunigte das Kraftpaket die Fuhre selbst im großen Gang aus niedrigem Tempo bis zur Höchstgeschwindigkeit und die lag bei gut 125 Stundenkilometern. Keine andere deutsche 500er Sportmaschine war schneller, andere Verkehrsteilnehmer sahen den OSL-Fahrer daher meist nur von hinten. Lief der Motor ausnahmsweise aber mal im Leerlauf, ließ sich jeder Takt mitzählen. Fachleute schätzten die Motordrehzahl dann auf höchstens 200 Umdrehungen pro Minute!

Der Ölkreislauf erfolgte über eine Trockensumpfschmierung, für die Zirkulation sorgte eine Zahnradpumpe. Reine Vorsichtsmassnahme war der Absperrhahn unterhalb des Öltanks. Bei längerer Standzeit wollte man damit verhindern, dass das Motorengehäuse mit Schmiermittel volllief und somit das Anspringen unnötig erschwert wurde. Wehe aber, der Besitzer vergaß vor der Ausfahrt den Ölhahn wieder zu öffnen, ein kapitaler Motorschaden war dann automatisch vorprogrammiert. 
Die Kraftübertragung zur Mehrscheibenkupplung übernahm eine Simplex-Primärkette in einem Ölbadkasten aus Leichtmetallguss. Eine zweite Kette im Primärkasten brachte die direkt hinter dem Zylinder sitzende Bosch-Batteriezündlichtanlage auf Trab. Das fußgeschaltete Vierganggetriebe war in einem separaten Gehäuse hinter dem Motor platziert, die rechtsseitige Anordnung des Schalthebels war damals absolut üblich. Der Erste wurde nach oben, zweiter, dritter und vierter Gang nach unten geschaltet. Gut geschützt lief die Antriebskette zum Hinterrad in einem blechernen Kettenkasten, für Schmierung des Gliederwerkes sorgte die Motorenentlüftung, die direkt im Kasten mündete.

Seine Arbeit verrichtete der ohv- Langhuber in einem unten offenen Einrohrrahmen, der gemufft und hart zusammengelötet war. Die Führung des Vorderrades übernahm eine ungedämpfte Trapezgabel, das Hinterrad musste sich dagegen ohne Federkomfort begnügen. Nach Auffassung vieler damaliger Fachleute war dies sowieso nur die einzige Art vernünftiger Hinterradführung, eine Federung würde zwangsläufig zur Verschlechterung der Straßenlage betragen.


Vorder- und Hinterrad waren mit den Abmessungen 3.50-19 gleich groß, die Verzögerung übernahmen Halbnaben-Trommelbremsen. Bei den Lenkerarmaturen vertraute NSU auf Außenzughebel, die Bowdenzüge verliefen im Lenkerrohr. Der rechtsseitige Gasdrehgriff war Standard, weitere wichtige Hebeleien rechts am Lenker waren Zündverstellung sowie der mechanische Schalter zum Umschalten des Auf- und Abblendlichts und links am Lenker der Kompressionsausheber und die Kaltstart-Luftregulierung am Vergaser. Zündschloss und Tacho waren in der Lampe untergebracht. 
Bereits seit 1934 gab es die beliebte 501 OSL, die im Laufe der Jahre zahlreiche Modifikationen erfahren hatte. Zu einer der wichtigen Änderungen gehörte Ende 1937 der neue Leichtmetall-Zylinderkopf. Anstelle der freiliegenden Haarnadel-Ventilfedern war der Doppelport-Kopf, der Einzylinder hatte jeweils rechts und links einen Schalldämpfer, nun öldicht vollgekapselt. Ölverschmierte Bauteile, sowie frühzeitig verschlissene Ventilschäfte, gehörten ab sofort der Vergangenheit an. Beachtenswert war die exzentrische Kipphebellagerung, die über zwei außenliegende Einstellscheiben mit Skala das Einjustieren des Ventilspieles einfach und im Handumdrehen ermöglichen sollte. In der Praxis zeigte sich allerdings, dass diese Wartungsarbeit nur handwerklich geschickte und erfahrene OSL-Besitzer zustande brachten. Wer sichergehen wollte, dass das Ventilspiel auch tatsächlich stimmte, musste vordere und hintere Abdeckkappen abschrauben und mit der Fühlerlehre das Spiel prüfen.




Mit dem neuen Zylinderkopf hatte Walter William Moore der deutschen Industrie, aber auch seinen englischen Kollegen, eindrucksvoll bewiesen, zu was er fähig war. Im Motorradland England verfügten in jener Zeit allerhöchstens hochkarätige Rennmaschinen über Leichtmetall-Zylinderköpfe, im Serienbau gehörten Grauguss-Köpfe zur Tagesordnung. Mit der modifizierten 501 OSL hatte NSU eine luxuriöse Halbliter-Sportmaschine im Programm, die ausgereift war und über eine sagenhafte Zuverlässigkeit verfügte.
Das war allerdings auch dringend erforderlich. Die Konkurrenz war nämlich stark. Aber was noch viel gravierender war, die direkten Mitbewerber BMW, Horex, Tornax, UT und Zündapp hatten längst großvolumige Modelle mit 600 ccm im Programm. Dazu kam, dass die Wehrmacht ebenfalls nach kräftigen, aber vor allen Dingen seitenwagentauglichen, Maschinen verlangte.




Bei NSU war man sich dessen bewusst, schon 1936 begann man einen neuen 600er ohv-Motor, intern 601 OSB genannt, zu entwickeln. Entgegen der klassisch englischen Bauweise war diese Konstruktion nun aber als Einzylinder-Blockmotor ausgelegt. Die Zeit drängte allerdings und noch bevor das neue Triebwerk endgültig die Serienreife erlangt hatte, wurde das Projekt wieder eingestellt. Was blieb, war die Weiterentwicklung der bewährten 501 OSL. Ein neuer Grauguss-Zylinder mit 85 statt 80 mm Bohrung vergrößerte den Hubraum von 494 auf 562 ccm. Die Leistung kletterte von 22 auf 24 PS bei 5000/min. Ein neues Fahrwerk gab es zunächst noch nicht und daher wurden rund 50 Maschinen vom neuen Typ 601 OSL mit dem unveränderten Chassis der bekannten 501 OSL ausgestattet.

Die auf diesen Seiten gezeigte Maschine stammt genau aus dieser Zwischenzeit, oder auch Vorserie. Erst später wurde das neue, vom Rennrahmen der 500 SS abgeleitete, Einrohrfahrwerk fertig. Das unten geschlossene Chassis war auf den harten Gespannbetrieb ausgelegt und der Rahmenunterzug diente bei den Wehrmachtsmaschinen gleichzeitig als Motorschutzbügel.

 


Die 601 OSL war das hubraumgrößte Einzylinder-Motorrad, das bei NSU je gebaut wurde. 24 PS stark, 180 kg schwer, 130 km/h schnell, ein exzellentes Tourensport-Motorrad und gleichzeitig aber auch eine ideale Gespannmaschine, 1250 Reichsmark teuer, dafür im Spritverbrauch genügsam. Je nach Fahrweise konsumierte der Motor zwischen 2,5 bis 3,6 Liter pro 100 km. 


Entsprechend dem Kürzel OSL, obengesteuerte Sport-Luxusausführung, hatte man an der Ausstattung nicht gespart. Auf Wunsch gab es eine hochgezogene Auspuffanlage, viele Teile waren liebevoll lackiert, andere verchromt, was einerseits edel aussah, anderseits in der damaligen Zeit aber auch einen kostengünstigen Korrosionsschutz darstellte. In den Genuss dieser stattlichen Sportmaschine kamen kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges allerdings nur noch wenige Privatpersonen, die meisten 601 OSL Maschinen verließen das NSU-Werk als Wehrmachtsausführung. 




Technische Daten

NSU 601 OSL
Baujahr 1937
(Übergangsmodell von der 501 OSL zur 601 OSL)


Luftgekühlter Einzylinder-ohv-Viertaktmotor, 562 ccm, 24 PS bei 5000/min. offener Einrohr-Stahlrahmen, vorne und hinten Halbnaben-Trommelbremse, 180 kg

Text-Archiv: NSU

Bilder-Archiv: NSU 601 OSL


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