Motorrad-Marken


New-Map 350 BYS von 1931

Vive la France

Frankreich ist für seinen exzellenten Wein, die gute Küche und eine
beneidenswerte Lebensqualität bekannt. Auch französische Autos genießen
einen guten Ruf. Bei uns weitgehend unbekannt sind dagegen die weit über
1400 (!) Motorradmarken, die es zwischen den 1920er und 1930er Jahren
in Gallien gab. Eigentlich schade. In ihren technischen Ausführungen und
Qualitäten brauchten sich die Maschinen hinter keinem Mitbewerber aus
Deutschland, England und den USA zu verstecken.

Text: Winni Scheibe
Fotos: Scheibe, Werk



Falko mit seiner New-Map 350 BYS von 1931



Urlaubsregion Scharmützelsee


Bad Saarow, am idyllischem Scharmützelsee im östlichen Brandenburg gelegen, ist nicht nur ein beliebtes Naherholungsgebiet für die Berliner. Ein reichhaltiges Freizeitangebot lässt bei Feriengästen kaum Langeweile aufkommen. Ideal für Wassersportler, Radler, Naturfreunde und Wanderer. Die Gegend ist aber auch zum Motorradfahren hervorragend geeignet, so jedenfalls preist Oldtimerfan Falko, Jahrgang 1960, seine Heimat und verrät: "Für mich gibt es kaum etwas Schöneres als Sonntagsmorgens mit Freunden eine Oldtimer-Ausfahrt zu unternehmen und dabei vom Alltagsstress abzuschalten."



Mit der New Map 350 BYS zurück in die 1930er Jahre

Das war allerdings nicht immer so. Erst 1991, als Späteinsteiger, wie sich der bodenständige Handwerker selbst bezeichnet, kam er zu dem Oldtimer-Hobby: "Bei einer Altbausanierung entdeckte ich eine verwaiste Simson SR2. Als der Besitzer merkte, dass ich mich für das Moped interessierte, schenkte er sie mir. So bin ich zu meinem ersten Restaurationsobjekt gekommen. Das erforderliche Geschick für die Bastelei habe ich mir dann im Laufe der Zeit angeeignet. Nur wenn es um ganz knifflige Arbeiten geht, bringe ich Motorteile zu meinem Spezi Lothar Goldmann in Fürstenwalde."


Sammler mit Herz für französische Motorräder

 



Bei der Simson sollte es nicht bleiben. Kaum stand das Moped tipptopp restauriert in der Werkstatt, hielt Falko nach der nächsten Herausforderung Ausschau. Längst hatte er sich in der Szene kundig gemacht und war auf die französische Motorradindustrie der 1920er und 1930er Jahre gestoßen: "Zunächst konnte ich es kaum glauben, wie wenig über diese Szene bei uns bekannt ist und dass es in Deutschland nur vereinzelt Maschinen gibt. Das Thema reizte mich auf Anhieb und ich habe mir regelrecht einen Bazillus für französische Motorräder eingefangen."
Dann ging es Schlag auf Schlag. In Frankreich wurden Oldtimer-Märkte und Treffen besucht, Kontakte geknüpft, Freundschaften geschlossen, die erste Maschine gekauft. Inzwischen ist eine beachtliche Sammlung zusammengekommen. Neben Motorrädern von den Marken Dresch, Peugeot, Soyer und Monet-Goyon nehmen die Maschinen von New-Map für Falko einen besonderen Stellenwert ein.
Immer wieder kommt es vor, dass ich auf meine nun bald 80 Jahre alte New-Map 350 BYS. angesprochen werde. Normale Passanten, aber auch selbsternannte Experten gratulieren mir zu dem toll restaurierten englischen Oldtimer. Dann verweise ich auf das Schild vorne auf dem Kotflügel und erkläre gerne, dass es sich um ein französisches Motorrad mit 350er ohv-Einbautriebwerk von MAG aus der Schweiz handelt“, lässt der sympathische Bad Saarower mit einem verschmitzten Schmunzeln wissen.




 







New-Map 350 links mit ohv-Steuerung und rechts mit sv-Steuerung


Im damaligen New-Map Angebot war die 350 BYS die Sportmaschine; die 350er mit sv-Steuerung, die ebenfalls bereits fertig restauriert ist, galt als Tourenmotorrad. „Um diese Modellreihe abzurunden, fehlt mir nun noch die Supersportmaschine New-Map 500 BYSS“, verrät Falko. Über Langeweile kann er sich nicht beschweren.


In der 1920er und 1930er Jahren gab es in Frankreich
weit über
1400 (!) Motorradhersteller bzw. Konfektionäre

 


Terrot Werbung von 1930
(Foto: Werk)


Es gibt Motorradmarken aus den 1920er und 1930er Jahren, einige davon existieren noch heute, die haben sich im erlauchten Kreis der Oldtimer-Experten fest ins Gedächtnis gebrannt. Denken wir nur an DKW, Wanderer, NSU, BMW und Zündapp. Oder die legendären Maschinen von der grünen Insel, allen vorweg Triumph, BSA, Norton, AJS und HRD-Vincent. Große Namen haben auch die italienischen Hersteller Benelli, Moto Guzzi und Gilera. Und dann sind da noch die amerikanischen Traditionsschmieden Harley-Davidson, Indian und Henderson. Um diese Maschinen ranken Mythen und Legenden, wer hier mitreden will, kennt sich in der Materie meist bestens aus.
Und was ist mit Frankreich? Hier braucht man kaum jemanden nach irgendwelchen Marken zu fragen. Bei uns lässt sich über dieses Thema nur wenig deutschsprachige Literatur finden und bei Oldtimer-Treffen und Rallyes sieht man Krafträder von unserem westlichen Nachbarn so selten wie die englische Queen am Timmendorfer Strand.

 


Terrot Super Sport Maschine von 1930
(Foto: Werk)

Dabei ist die französische Motorrad-Geschichte genauso spannend wie die englische, amerikanische oder deutsche. Als nach dem Ersten Weltkrieg die Massenmobilität via motorisierte Zweiräder so richtig in die Gänge kam, entstanden auch in Gallien fast an jeder Ecke Motorradfirmen. Wollte man alle aufzählen, kämen gut und gerne weit über 1400! Motorradhersteller bzw. Konfektionäre (kein Druckfehler) zusammen.
Meist waren es kleine Werkstätten oder mittelständische Betriebe, die als Konfektionäre in der damals noch jungen Fahrzeugindustrie ihr Glück versuchten. Das Angebot umfasste Leichtmotorräder, sowie Maschinen mit 350, 500, 600 und 1000 Kubikzentimeter Hubraum. Vertraute man aus Kostengründen in den unteren Klassen auf Zweitakt-Triebwerke, kamen bei den Motorrädern dagegen meist Viertaktaggregate mit sv- oder ohv-Steuerung zum Einsatz. Namhafte Motorenlieferanten waren Villiers, JAP, MAG, Chaise und Blackburne, bei den Schaltgetrieben hatte meist Burman die Nase vorne. Auch weitere Fahrzeugkomponenten wie etwa Gabeln, Sättel, Lenker und Armaturen sowie Lichtmaschine und Beleuchtungseinrichtung bezogen die Unternehmen von Zulieferfirmen aus dem In- und Ausland.


Gnome Rhône 500 ohv-Einzylindermotor von 1920


Zu den Favoriten mauserten sich damals Peugeot, Motobécane, Monet Goyon, Gnome Rhône und Terrot. Diese Firmen waren groß genug, um Motoren in Lizenz zu fertigen oder auch gleich eigene Triebwerke zu entwickeln. In der Regel waren es robuste Einzylinder-Motoren mit sv- oder ohv-Steuerung. Aber auch großvolumige V2-Triebwerke sowie in geringer Stückzahl drehmomentstarke Boxer-Motoren und
agile Vierzylinder-Reihenmotoren dienten als Antriebseinheit. Das schier kaum überschaubare Angebot reichte von preiswerten "Butter und Brot" Krädern über flotte Sportmotorräder bis zu teuren Luxusmaschinen.



Peugeot 500 Rennmaschine, dohc-Zweizylinder-Motor, Vierventil-Zylinderkopf von 1913
(Foto: Werk)

Besonders große Mühe gab man sich in den Entwicklungsabteilungen bei der Konstruktion von Rennmaschinen. Bei Peugeot entstand zum Beispiel bereits 1913 ein 500er Zweizylinder-Renntriebwerk mit zwei obenliegenden Nockenwellen und Vierventil-Zylinderkopf. Wie überall auf der Welt dienten auch in Frankreich Langstreckenfahrten und Rennveranstaltungen, um die Leistungsfähigkeit der Motorräder unter Beweis zu stellen. Siege und Erfolge waren die beste Werbung für den Verkauf der Straßenmotorräder. Dabei blieb man allerdings weitgehend unter sich.
Anders als britische oder deutsche Hersteller, die im internationalen Rennsport reihenweise beachtenswerte Erfolge nach Hause brachten, konnte sich keine französische Marke auf diesem Parkett einen glorreichen Namen aufbauen.
Dazu kam, dass nach Deutschland, vor dem Zweiten Weltkrieg immerhin weltweit bedeutendster Motorradproduzent, nur sehr wenig französische Motorräder gelangten. Bei uns gab es keine oder nur ausnahmsweise Händler, die sich um dieses Geschäft kümmerten. Entsprechend unbekannt blieb die Markenvielfalt und das reichhaltige Angebot. Hinzu kam die Meinung, dass französische Motorräder nichts taugen. Ein bei uns weit verbreitetes Klischee, das jedoch in keinster
Weise zutraf. Hinsichtlich Qualität und Ausstattung konnten es die Maschinen von unserem Nachbarn mit jedem aufnehmen.


New-Map, eine ureigene französische Marke mit englischem Namen


New-Map Werbung von 1932
(Foto: Werk)

Im Land der ungezählten köstlichen Käsesorten hatte New-Map ein ausgezeichnetes Image. Was auf den ersten Blick jedoch überhaupt nicht zusammen passte: Ein französisches Produkt mit einem englischen Namen. Das Institut de Langue Francaise wachte nämlich darüber, dass die Muttersprache von nicht-französischen Einflüssen frei gehalten wurde. Hatte das System in diesem Fall versagt oder war es ein geschickter Schachzug? Schon in den frühen 1920er Jahren genossen nämlich englische Motorräder einen hervorragenden Ruf. Vielleicht wollte man mit dem anglizistischen Markennamen New-Map bewusst die Aufmerksamkeit von potentiellen Kunden wecken. Wie auch immer, ob Spekulation oder Zufall, New-Map war schon bald gut im Geschäft.

Von 1926 über mehr als 30 Jahre lang baute New-Map in der Avenue Lacassagne 122-124 in Lyon an der Rhône als Konfektionär Motorräder von 175 ccm bis 500 ccm Hubraum. Die Motoren kamen von den etablierten Herstellern MAG, JAP, Blackburne, LMP, Anzani, Chaise und Zurcher, um hier nur die Wichtigsten zu nennen. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges hielt sich das Werk gemäss der wirtschaftlichen Situation im Lande mit preisgünstigen Mopeds und 125er Leichtmotorrädern, die überwiegend mit Zeitakt-Motoren von Ydral, AMC, Sachs und Mistral auf Trab gebracht wurden, über Wasser. 175er Modelle und eine 250er mit Opti Motor des deutschen Konstrukteurs Richard Küchen (!) rundeten das Angebot nach oben ab. 1958 ging nichts mehr, wie in ganz Europa lag auch in Frankreich das Zweiradgeschäft am Boden. Maschinen von New-Map wollte keiner mehr haben, das Werk schloss für immer die Tore.


Buch-Tipp
Französische Motorräder
Hans-Jürgen Huse
192 Seiten
ISBN 3-9804987-6-X
39.- EURO


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