Motorrad-Marken


TITAN-2000

Koloss auf zwei Rädern

1966 baute Friedel Münch seine erste "Mammut". Nach
vielen betrieblichen Höhen und Tiefen stellte der Hesse 1990
erneut ein außergewöhnliches Big-Bike auf die Räder. Als
ehemaliger Münchbesitzer besuchte ich den Konstrukteur in Laubach
und schaute mir den Dinosaurier aus Stahl und Aluminium an.

Text&Fotos: Winni Scheibe




Lange bevor japanische Firmen überhaupt an ein Vierzylinder-Motorrad dachten, präsentierte im Februar 1966 der hessische Kfz-Meister Friedel Münch seine "Mammut". Entgegen dem damaligem Trend, vom Motorrad ins Auto umzusteigen, glaubte Münch fest an die Zukunft des Motorrades. Mit unerschütterlicher Akribie verwirklichte er seinen Traum vom hubraumstarken-gespanntauglichen Langstrecken-Motorrad. Als Antriebsaggregat verwendete der pfiffige Konstrukteur den 1000ccm Vierzylinder-Viertakt-Automotor vom NSU-Prinz. Alle weiteren Fahrzeugteile - vom Rahmen über die Telegabel bis hin zu den Bremsen sowie Tank und vieles mehr - stellte Münch in seiner Werkstatt selber her. Im Vergleich zu den damaligen Maschinen war die Münch-4 ein echtes Überbike. Der Motor leistete 60 PS und beschleunigte die Fuhre auf beachtliche 190 km/h.



Münch-4 TTS 1200 von 1969


Von 1966 bis 1980 wurden insgesamt 478 Münch-4-Motorräder - den Namen "Mammut" durfte das Fahrzeug, da anderweitig geschützt, eigentlich nie tragen - gebaut. Immer wieder erfuhr das urige Big-Bike technische Verbesserungen, so dass von einer Serienfertigung nicht gesprochen werden kann. Hatte Münch den Prototyp noch mit dem 1000er Motor ausgestattet, verwendete er bei den nächsten 30 Maschinen einen 1100 Motor. Ab 1969 diente ein getunter 1200er-NSU-Motor mit 88 PS als Antriebseinheit. Aber nicht nur in Hinsicht der Motorleistung setzte Friedel Münch neue Maßstäbe. Als erster Motorradhersteller verbaute er ein Hinterrad aus Elektronguss, die Antriebskette lief im linken Schwingenholm im Ölbad, ab 1972 konnte die "Mammut" wahlweise mit 1300ccm und Einspritzanlage geordert werden.

Ähnlich aufregend wie die technische Entwicklung verlief die Geschäftsführung der kleinen Motorradfirma. Münch, zweifellos ein hochbegnadeter Techniker und Konstrukteur, war aber nie ein guter Kaufmann. Nach zwei amerikanischen Geldgebern übernahm Anfang `70 die Firma Hassia die Geschäftsführung und nach einem zweiten Konkurs kaufte `74 der Frankfurter Großhändler Henke die Münchfabrik auf. Ab dieser Zeit war Friedel Münch nur noch Angestellter in seinem ehemaligen eigenen Betrieb. Diese Zusammenarbeit währte aber nur bis Ende `76.

 


Winni Scheibe 1972 auf seiner "Mammut"


Doch Friedel Münch ließ sich nicht unterkriegen und gründete die Horex-Motorrad GmbH. Er kümmerte sich fortan um seine ehemaligen Kunden. Aber auch das Motorradbauen konnte er nicht lassen. Von einem Adligen - der Name ist nur Friedel Münch bekannt - erhielt er 1987 den Auftrag, ein Motorrad zu bauen, das alle Normen sprengen sollte. Nach dem Motto "Machen, was machbar ist" begab er sich an die Arbeit. Als Basis für den Motor entschied sich Münch wieder für das NSU TT 1200 Triebwerk. Doch viel blieb nicht übrig. Da nach Münchs Meinung Hubraum durch nichts zu ersetzen ist, fertigte "der Hansdampf in allen Gassen" den Zylinder mit 2000 ccm aus einem Alublock. Die vier Laufbahnen ließ er Nicasil beschichten und die geschmiedeten Kolben lieferte Mahle. Bei der Wahl des Zylinderkopfes griff er ins Ersatzteillager und baute für den geplanten Einsatz einen VW-K70-Zylinderkopf um. Anstelle der Wasserkühlung sorgten drei Liter Öl für die Wärmeabfuhr. Für die Aufbereitung des Kraftstoff-Luftgemisches griff der Tüftler tief in die Trickkiste und rüstete das Triebwerk mit einer mechanischen Benzineinspritzung aus. Doch nicht genug des Guten. Um kurzzeitig die Leistung von 108 PS auf über 150 PS zu steigern, spendierte er dem Triebwerk einen elektro-mechanisch zuschaltbaren Wankel-Halbwalzen-Kompressor.






Ebenfalls vom NSU-TT 1200 stammt das Viergang-Autogetriebe mit Rückwärtsgang. In Anbetracht des Gewichtes von 368 kg ist der zusätzliche Gang sicherlich berechtigt. Für die Betätigung der Schaltung hat sich Münch wieder etwas Außergewöhnliches einfallen lassen. Über ein ausgeklügeltes elektro-pneumatisches Hebelsystem werden die Gänge per Fußhebel geschaltet.


Beim Fahrwerk verwirklichte der eigenwillige Konstrukteur auch neue Ideen. Der Zentralrohrrahmen mit zwei Unterzügen ist so ausgelegt, dass der Motor als mittragendes Teil dient. Die Telegabel hat er selber gebaut und mit einem pneumatisch-hydraulischem Dämpfersystem ausgestattet. Für einwandfreie Stabilität sorgen Standrohre mit 50 mm Durchmesser, und die hohlgebohrte Vorderachse ist 35 mm dick. Gleich vier Zweikolben-Bremszangen sorgen für die Verzögerung des Vorderrades. Die Führung des Hinterrades übernimmt eine Schwinge aus Elektron-Guss, wobei der linke Holm gleichzeitig die Aufgabe als Kettenkasten übernimmt. Um dem Besitzer das Aufbocken zu erleichtern, lässt sich der Hauptständer wahlweise mechanisch oder hydraulisch betätigen. Die Betätigung der Hilfseinrichtungen gewährleistet eine Hydraulikpumpe und ein Luftkompressor.


Hydraulische Hauptständerbetätigung



Friedel Münch im Sommer 1990 und sein Titan 2000


Insgesamt werkelt der Hesse über zwei Jahre an der TITAN-2000. Friedel Münch, inzwischen 64 Jahre alt, hat in dieses Big-Bike sein gesamtes Wissen und Können gesteckt. Zwar gibt es wieder Gerüchte, dass er demnächst eine Kleinserie der legendären "Mammut" auflegen will, doch vorerst bleibt die TITAN-2000 das letzte Big-Bike aus der Werkstatt von Friedel Münch.


Technische Daten

Modelljahr 1990 
Münch-Titan-2000 
Projekt-Studie 2000

Leistuning:
108 PS ( 80 kW) bei 7200/min im Saugbetrieb,
kurzzeitig elektro-magnetisch umschaltbar auf Kompressorbetrieb 154 PS (114 KW) bei 7200/min (max. Ladedruck 0,8 bar über By-Pass geregelt)

Motor:
Fahrtwind/ölgekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor (Basis NSU TT 1200). Zylinderkopf von VW K 70 -ölgekühlt- zwei Ventile pro Zylinder, über eine obenliegende, kettengetriebene Nockenwelle über Kipphebel betätigt. Zylinderblock selbst gefertigt, Zylinderlaufbahnen Nicasil-beschichtet, geschmiedete Mahle-Kolben, Bohrung x Hub 86 x 86 mm, Hubraum 1997 ccm, Verdichtung 7,5, Nasssumpf-Druckumlaufschmierung, Ölinhalt 8,5 Liter zur Schmierung, 3,0 Liter zur Kühlung

Kraftstoffaufbereitung:
Mechanische Benzineinspritzung, offener Ansaugtrichter, elektro-mechanisch zuschaltbarer Wankel-Halbwalzen-Kompressor, Ladedruck 0,8 bar 


Elektrische Anlage:
Kontaktlose-Zündanlage, Drehstromgenerator 360 Watt, Batterie 12 V/ 18 Ah. Elektrostarter

Kraftübertragung:
Primärantrieb über schrägverzahnte Zahnräder, über Seilzug betätigte Dreischeiben-Sintermetallkupplung. Vollsynchronisiertes NSU-Auto-Vierganggetriebe mit Rückwärtsgang, elektro-pneumatische Fußschaltung. Endantrieb über im Ölbad laufende Rollenkette, mit hydraulischem Kettenspanner

Fahrwerk:
Vernickelter Zentralrohr-Rahmen mit Unterzügen, Motor ist mittragendes Teil. Münch-hydraulisch-pneumatische-Telegabel, 50 mm Standrohrdurchmesser, Federweg 120 mm, Schwinge aus Elektronguss, der linke Holm ist gleichzeitig Kettenkasten, zwei Koni-Federbeine, Federvorspannung dreifach - Dämpferzugstufe vierfach verstellbar, Federweg 80 mm

Räder:
Leichtmetall-Gussräder. Metzeler Bereifung vorn 110/70 VB 18 V 260 ME1, hinten 170/60 VB 18 V 260 ME1

Bremsen:
Hydraulisch betätigte Scheibenbremsen, gelocht. Vorn  280 mm mit vier Brembo-Zweikolben-Bremszangen, hinten 280 mm mit Zweikolben-Bremszange

Abmessung und Gewicht:
Radstand 1520mm, Nachlauf 118mm, Sitzhöhe 790mm, Leergewicht vollgetankt 368 kg. Tankinhalt 38 Liter, davon 8 Liter Reserve

Ausstattung:
Lenkerfeste Halbverkleidung mit Doppelscheinwerfer, H 4 Licht, zwei zusätzliche Nebelscheinwerfer, abnehmbarer Einzelsitz, Packtaschenhalterung, Motorsturzbügel, hydraulisch oder mechanisch betätigbarer Hauptständer

Höchstgeschwindigkeit:
über 200 km/h

Hersteller:
Friedel Münch
Bürgelweg, 14
6312 Laubach

Fahrzeugwert keine Angabe


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