Motorrad-Marken


Restauration: Münch-4 TTS 1200

"168 lebt!"

Gut fünfzehn Jahre lagen die Brocken in der Ecke.
Teile eines außergewöhnlichen Motorrades: 
Einer Münch Mammut.

Mit Unterstützung des Konstrukteurs und Erbauers
Friedel Münch sorgte Stefan Becker dafür, dass alles
wieder schön zusammenkam. Im Sommer 1997 schenkte
er sich die toprestaurierte Münch-4 TTS 1200 zum 40. Geburtstag.
Herzlichen Glückwunsch!

Text: Winni Scheibe
Fotos: Becker, Scheibe



Münch-4 TTS 1200 als Geburtstagsgeschenk für Stefan Becker (Bild Mitte)


Als Mitte der 60er Jahre der hessische Kfz-Meister Friedel Münch seine Mammut auf die Räder stellte, wurde sie für viele zur Traummaschine. Die Fachpresse machte eine Sensationsmeldung daraus, an Stammtischen und Lagerfeuern diskutierten sich die Motorradfans die Köpfe heiß. So etwas hatte es bis dato eben noch nicht gegeben. Ein Motorrad mit 1000 Kubik Hubraum, Vierzylinder-Auto-Motor, 55 PS stark und 180 Sachen schnell. Wau!
Die Honda CB750 und Kawasaki "Z1" sollten ja erst viel später für Aufregung sorgen, und bis es so weit war, war die Münch Mammut das "Super-Motorrad". Doch mal eben in den nächsten Motorradladen spazieren und eine bestellen, so einfach war's wiederum auch nicht. Die Produktion erfolgte in Kleinserie, Stück für Stück wurde jede per Hand zusammengebaut. Wer eine haben wollte, musste sie bei Friedel Münch bestellen und natürlich auch selbst abholen. Billig war die Mammut allerdings nie. Die erste kostete 6000 Mark, im Vergleich war die BMW R69S für 4200 Mark fast ein Schnäppchen, und für das letzte Exemplar musste man 1980 sage und schreibe 26.000 Mark auf die Ladentheke blättern. In den 14 Produktionsjahren entstanden 478 Maschinen, nicht mehr und nicht weniger.





Wer sich heute für das hessische Superbike interessiert, hat ähnliche Probleme wie früher. Die Münch-4 ist immer noch eine Traummaschine. Eine Gebrauchte, ganz gleich ob gut oder schlecht erhalten, ist kaum zu haben. Fast alle dieser Mammut-Räder befinden sich in festen Händen. Die Besitzer kennen sich, man pflegt Kontakte, viele sind im Münch 4-Club e. V. organisiert. Die Chance aus diesen Kreisen eine loszueisen, ist gleich Null. Bleibt nur noch das Glück oder der Zufall an solch ein seltenes Stück heranzukommen. Dieses Glück hatte Stefan Becker aus Hadamar. Aber nicht nur das. Er konnte Friedel Münch dazu gewinnen, ihm bei der Restaurierung zu helfen. Doch eins nach dem anderen.

Geschichten über Traummaschinen sind fast immer gleich. Schon als Dreikäsehoch werden Spielkarten mit dem angehimmelten Motorradmotiv gesammelt. Später sind es Prospekte, Testberichte, Poster, Aufkleber und wer weiß, was sonst noch alles. Stefan Becker, Optikermeister in Hadamar, hat ein richtig kleines Archiv über seine Traummaschine, nur das Wichtigste fehlte ihm noch: eine lebensgroße Münch Mammut. Es war aber nur eine Frage der Zeit, bis er eine bekommen sollte. Anfang 1996 war er ganz dicht dran. Im "Friedel-Münch-Museum" von Wilhelm Groh stand der Fan mitten zwischen 20 picobello restaurierten Mammuts und konnte sich prompt die Frage nicht verkneifen: "Wissen sie vielleicht zufällig, wer eine verkaufen will?" Für Wilhelm Groh sind solche Wünsche nichts Neues, seit einigen Jahren herrscht eine rege Nachfrage. 

Wider Erwarten könnte er seinem Besucher jedoch etwas anbieten. Der engagierte Münch-Kenner hatte nämlich gerade drei überholungsbedürftige Maschinen an Land gezogen. Eine davon war jedoch total zerlegt, die Brocken hatten rund fünfzehn Jahre vor sich hingegammelt, dementsprechend befand sich das Sammelsurium in einem erbarmungswürdigen Zustand. So allerdings hatte sich Stefan Becker seine Traum-Mammut nun auch wieder nicht vorgestellt. Er bat um Bedenkzeit, "nein sagen" konnte er immer noch. Doch es ließ ihm keine Ruhe. Der nächste Besuch galt Friedel Münch. Und nachdem der große Meister seine Unterstützung zugesagt hatte, gab es kein Zurück mehr. Nur wenig später war er stolzer Besitzer einer in Kisten verstauten Münch-4 TTS 1200 von 1971 mit der Rahmennummer 168. Im Grunde ist das zwar nichts Besonders, zerlegte Oldies werden immer wieder mal so gekauft, doch das Außergewöhnliche an der Sache war, dass der Hersteller höchstpersönlich mit Rat und Tat zur Seite stand. Eine Reparatur- oder Restaurationsanleitung ist für das hessische Superbike nämlich nirgends erhältlich, und es gibt nur wenige Fachleute, die sich mit der Münch-Technik richtig auskennen. Und so war es für Stefan Becker sogar Glück und Ehre, alle Informationen aus erster Hand zu bekommen.


In Friedel Münchs Werkstatt wurde die "Mammut" restauriert


Gemeinsam mit dem Mammut-Schöpfer wurde eine Inventur durchgeführt. Hierfür legte man alle Teile in Baugruppen zusammen. Der pfiffige Motorradkonstrukteur kennt noch jede Schraube, weiß wo was hingehört, hat alle Maße, Ausführungen, Besonderheiten, ja sogar Lagergrößen und Lagernummern wie ein Computer im Kopf gespeichert. Schnell war man sich sicher, dass alles vorhanden war. In welchem Zustand sich die Sachen allerdings befanden, stand auf einem anderen Blatt. Friedel Münch konnte seine Kritik nicht verkneifen: "Es ist eine Schande, wie man ein Motorrad nur so vergammeln lassen kann." Diese Sorglosigkeit hatte nämlich fatale Folgen. Bei genauerem Anschauen der Laufräder fanden sich in der vorderen Bremsnabe wie auch in der Hinterradfelge einige Haarrisse. Beides ist nämlich aus Elektron-Guss gefertigt. Um das Gewicht der ungefederten Massen möglichst gering zu halten, hatte Friedel Münch die Bauteile aus dieser superleichten Magnesiumlegierung herstellen lassen. "Bei allen Vorzügen dieses Materials hat es jedoch einen gewaltigen Nachteil, es ist hochgradig korrosionsempfindlich. Aus diesem Grund muss die Oberfläche immer picobello mit einer Lackschicht versiegelt sein", betont Friedel Münch und fährt fort: "Ist das nicht der Fall, wird der Guss angegriffen und er wird brüchig. Beschädigte Räder dürfen unter keinen Umständen mehr verwendet werden!"


Für Stefan Becker war diese Nachricht alles andere als erfreulich. Schließlich gehörten das vordere 19-Zoll-Speichenrad mit der wunderschönen 250 Millimeter großen Münch-Duplextrommelbremse sowie die hintere Gussfelge mit integrierter 250er Duplextrommelbremse zum unverwechselbaren Markenzeichen der Münch Mammut. Doch Friedel Münch wusste Rat. Der Hansdampf in allen Gassen hatte längst eine neue Räder-Generation produziert. Hierbei handelt es sich für vorne und hinten um Elektron-Guss-Felgen in neuem Design, in die jeweils die 250er Münch-Duplextrommelbremse integriert ist. Ohne lange zu überlegen, wurden die neuen Lauf-Räder geordert.



Soweit, so gut. Mit der eigentlichen Restaurierung konnte es nun endlich los gehen. Für das Auffrischen des Make-ups beauftragte der Hadamarer Münch-Eigner Fachleute. Das Lampengehäuse, der 32-Liter-Stahlblechtank und das selbsttragende Heckteil wurden Ferrari-Rot, der Doppelschleifenrahmen, Hauptständer sowie die beiden Ölkühler schwarz lackiert. Einem Alu-Polierspezialisten gab er Gabeltauchrohre, Gabelbrücken, Steuer- und Lichtmaschinendeckel sowie die beiden Seitenabdeckungen vom Rahmenheck.




Bei der Generalüberholung des Triebwerkes sowie der Hinterradschwinge brachte Friedel Münch sein Know-How ein. Hierbei erfuhr Stefan Becker gleich Geschichtsunterricht in Sachen Münch Mammut aus erster Hand. "Als ich 1965 den NSU-Auto-Motor für meine Mammut entdeckt hatte, musste ich leider sehr schnell erkennen, dass davon nur wenig zu gebrauchen war. Lediglich der Motorrumpf ließ sich verwenden. Und so musste ich alle benötigten Bauteile entweder von woandersher besorgen, oder, und das war das größte Stück Arbeit, selbst konstruieren und dann selber bauen oder für teures Geld in Fachbetrieben herstellen lassen", beschreibt Friedel Münch die damalige Situation. Rückblickend kann seine damalige Leistung überhaupt nicht hoch genug bewertet werden. Ohne reichen Vater, Sponsor oder Bankkredit verwirklichte der Hesse seinen Traum vom "Büffel auf zwei Rädern". 

Nach dem Motto "geht nicht, gibt es nicht" fand er für jedes Problem eine Lösung. Einen Rahmen für das Vorhaben hatte er bereits. Das nach dem legendären Norton-Federbettrahmen gebaute Doppelschleifen-Chassis war eigentlich für eine Kleinserie mit Horex- Imperator-Motor gedacht gewesen. Nun war aber der NSU-Motor an der Reihe. Um den Automotor zum Motorrad-Triebwerk umzufunktionieren, musste sich Friedel Münch aber einiges einfallen lassen. Er benötigte eine Ölwanne, ein Gehäuse für den Primärantrieb samt Kupplung und Getriebekasten. Abgesehen vom Primärkasten aus Alu-Guss ließ Friedel Münch alle anderen Gehäuseteile aus dem leichten, aber sündhaft teuren Elektron-Guss fertigen. Als Primärantrieb entschied sich der windige Tüftler für schrägverzahnte Stirnräder. Diese Zahnräder ließ ich bei Hurth fertigen. Das Antriebsrad auf der Kurbelwelle hat 49, das Zahnrad am Kupplungskorb 73 Zähne. Hierbei handelt es sich um eine korrigierte Verzahnung, das heißt, die Zahnräder dürfen nur paarweise verwendet werden. Während der gesamten Bauzeit hat sich hier nichts verändert," erzählt Friedel Münch.


"Geht nicht, gibt es nicht", 
Friedel Münchs Lebensmotto 


War bei den ersten Maschinen eine Mehrscheiben-Trockenkupplung von der NSU-Max verbaut, folgte bald eine Ortinghaus-Trockenkupplung, die wiederum ab 1970 durch eine verstärkte und modifizierte Ortinghaus Mehrscheiben-Trockenkupplung ersetzt wurde. Fast alle bis dahin gebauten Münch-4 erhielten nachträglich die neue Kupplung mit entsprechend geänderten Primär- und Kupplungsgehäuse. Im klassischen Stil englischer Motorradbaukunst sitzt das klauengeschaltete Vierganggetriebe vom System Hurth in einem separaten Gehäuse hinter dem Motorblock. Um das Laufspiel der Primärräder von etwa einem Zehntel Millimeter einzustellen, lässt sich der Getriebekasten nach Lösen der Haltebolzen vor oder zurück verschieben. Die Getriebewellen sind in Kugellager gelagert, alle Getriebezahnräder sowie das Ritzel für den Hinterradantrieb laufen in Nadellagern. Mit der zusätzlichen Abstützung des Kettenritzels wollte Friedel Münch die immense Belastung auf die Getriebeausgangswelle verringern. Beim Restaurierungsobjekt waren alle diese Innereien noch tadellos in Schuss. Trotzdem entschied man sich, sämtliche Lager zu erneuern. Hierbei handelt es sich um Normteile, die sich problemlos besorgen lassen. Etwas ganz Besonderes bei der Münch ist die aus Elektron-Guss gefertigte und in Kugellagern gelagerte Hinterradschwinge, bei der der linke Schwingholm gleichzeitig Ölbadkettenkasten ist. Die 5/8 x 3/8 Zoll-Rollenkette wird ständig von 0,6 Liter SAE 50-Getriebeöl umspült. Das verringert maßgeblich den Verschleiß und erfordert das Nachspannen der Kette nur alle 500 bis 1000 km. Zum Nachspannen der Kette hatte sich Friedel Münch was Einfaches ausgedacht. Im unteren Kettenkasten sitzt eine Stellschraube mit Spannvorrichtung und Ritzel, über die sich das Kettenspiel einstellen lässt. Die Abdichtung des Ölbadkettenkastens zum Getriebegehäuse übernimmt ein Gummi-Faltenbalg, zum Hinterrad ein 140 x 165 x 12 mm großer Simmerring. Im Rahmen der Verjüngungskur wurden Kettenräder, Kette sowie die Abdichtungselemente erneuert. Um auch für optisch frischen Glanz zu sorgen, hatte man natürlich zuvor alle Guss-Gehäuseteile gestrahlt und, wie es bei Münch gang und gäbe war, Hammerschlag-silbern lackiert.




Von Volvo PKW entlieh sich Friedel Münch den Zündverteiler. Er sitzt vor dem Motorblock, den Antrieb übernimmt eine 3/8 x 7/32 handelsübliche Rollenkette mit Kettenspanner. Zum Einstellen des Zündzeitpunktes wird der 1. Zylinder auf 4 bis 6 Grad vor OT gestellt. Stimmt die Chose nicht, muss man die Haltemutter vom Zahnrad auf der Verteilerwelle lösen und die Sache so verdrehen, bis die Prüflampe in der vorgegebenen Position aufleuchtet. Da Verteiler und Kabelstrang dem Spritzwasser ausgesetzt sind, hat Friedel Münch eine Manschette mit Rohrführung aus Gummi, die bis hoch zum Zylinderkopf reicht, anfertigen lassen. Das Beschaffen von Ersatzteilen für diese Bauteile stellt keine Probleme dar.




Auch dem Kraftspender, dem ab 1968 verwendeten 1177 ccm NSU TT-Motor und von Friedel Münch mit Teilen vom NSU 1000 TTS auf 88 PS getunten Kraftpaket, wurde Aufmerksamkeit gewidmet. Laut Tacho hatte er zwar erst 36500 km auf dem Buckel, doch ob man so etwas Glauben schenken darf, ist grundsätzlich immer fraglich. Zum Glück waren hier aber nur mechanische Arbeiten erforderlich. Kurbeltrieb, Zylinder und Kolben befanden sich im guten Zustand, man spendierte nur frische Kolbenringe. Der Zylinderkopf selbst hätte auch wieder montiert werden können, doch aufs Nachfräsen der Ventilsitze und neuer Ventile wollte die Crew nicht verzichten. Das optische Auffrischen wurde via Strahlarbeit bewerkstelligt, die Zylinder erhielten eine frische, schwarze Lackschicht. "Im Gegensatz zu den Münch-Gussteilen, die alle noch lieferbar sind, ist die Ersatzteilversorgung für die original NSU-Teile inzwischen sehr schwierig geworden. Abgesehen von Kolben sind neue Sachen kaum noch zu bekommen, in der Regel handelt es sich um gebrauchte Brocken, die entsprechend aufgearbeitet werden müssen", lässt Friedel Münch wissen. 




Aber auch für die Mammut gibt es längst nicht mehr alles. Zum einen sind es die original Weber DCOE-19 Doppelvergaser, und auch bei der Auspuffanlage muss man mit dem Vorhandenen leben. Keine Schwierigkeiten gibt es bei der Beschaffung neuer Dichtungen sowie der Halteadapter zwischen Zylinderkopf und Vergaser. Denn auch diese sind aus dem korrosionsempfindlichen Elektron-Guss gemacht und waren bei der Beckerschen Münch reif für den Mülleimer. Bei den Nebenaggregaten wie Drehstromlichtmaschine, Batterie, Anlasser, Benzinpumpe, Regler, Relais, Schalter, Hebel und Instrumenten kann jeder gut sortierte Auto- und Motorrad-Shop helfen, denn diese Sachen stammen von den namhaften Firmen Bosch, Hella, VDO, Magura und Harting. Ebenfalls einen berühmten Namen hat der Hersteller der Vordergabel: Rickman. Die in Schrägrollenlagern gelagerte Gabel ist leicht, aber extrem verwindungssteif und verfügt über 41,3 mm dicke Standrohre. Außer neuen Dichtringen brauchte sie nur eine frische Dämpferölbefüllung.




Gut ein Jahr dauerte die Restauration der Münch-4 TTS 1200. Beim Zusammenbau fühlte sich der Altmeister in eine längst vergangene Epoche versetzt. "Wenn ich genau nachdenke, kann ich mich an jede der 478 Maschinen, die hergestellt wurden, erinnern. Schließlich entstand jedes Motorrad in liebevoller Handarbeit. Kundenwünsche haben wir immer berücksichtigt. Das begann bei der Form und Größe des Benzintanks, Einzel- oder Doppelscheinwerfer, Ein- oder Zweipersonensitzbank und endete bei der Lackierung. Stefan Becker hat sich beim Wiederaufbau seiner Münch für die neuen Laufräder, neue Armaturen und das Ferrari-Rot entschieden. Alles andere entspricht exakt dem, so wie diese TTS 1200 die Münch-Fabrik in Altenstadt im September 1971 verlassen hat", betont Friedel Münch.

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