Münch-Weltrekordmaschine:
Daytona-Bombe
"Das
Kraftwerk"
Mit der Daytona-Bombe
wollte die Firma Münch 1970
einen Weltrekord aufstellen. Mit
sagenhaften 284 Stundenkilometern
donnerte Ferdinand Kaczor durchs
Speedway-Oval in Daytona Beach
Florida. Die Münch-Technik machte diese
Strapazen klanglos mit,
nur der Hinterradreifen war der gewaltigen
Belastung nicht gewachsen.
Nach ein paar Vollgasrunden flogen
Profil-Blöcke aus dem Gummi.
1995 erinnert sich Friedel Münch an das damalige Unternehmen.
Text: Winni Scheibe
Fotos: Scheibe, Archiv-Münch |
Kraftmaschine: 1370 ccm und 125 PS
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Die Werbung hat George Bell nicht erfunden.
Doch weiß der junge Münch-Firmenboss, dass für eine effektive
Vermarktungskampagne in den USA etwas Außergewöhnliches passieren
muss. Ende der sechziger Jahre ist die Münch Mammut einzigartig, sie
ist das größte, stärkste und schnellste Serienmotorrad der Welt, das
genügt ihm aber nicht. Ein sensationeller Weltrekord muss her, die
Mammut muss alles Dagewesene in den Schatten stellen. Bei der Idee soll
es nicht bleiben. Den Einstunden-Weltrekord hält MV Agusta, aufgestellt
mit 233 km/h von Mike Hailwood. Erklärtes Ziel ist es, diesen Wert zu
überbieten.
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"Auf den Tag war es genau vor 25 Jahren, als wir 1970 in Daytona
Beach unsere Rekordmaschine startklar machten", erinnert sich
Friedel Münch im März 1995 an seine erste USA-Reise. "Nach den
ersten Versuchsfahrten waren wir fest überzeugt, dass unser Fahrer
Ferdinand Kaczor mühelos die MV-Rekordmarke von 233 km/h brechen
kann," erzählt er weiter. "Auf Anhieb erreichte Kaczor sage
und schreibe 284 Stundenkilometer. Doch als er einige Vollgasrunden auf
der Hochgeschwindigkeits-Rennstrecke von Daytona gefahren war, flogen
ihm die Profil-Blöcke vom Hinterradreifen um die Ohren, und er rollte
auf der Leinwand ins Fahrerlager zurück. Sofort haben wir andere Reifen
organisiert und sie ausprobiert. Doch das brachte auch keinen Erfolg.
Spätestens wenn Kaczor vier Runden am Stück gefahren war, löste sich
der Hinterradreifen in seine Bestandteile auf. Damals gab es noch keinen
Reifen, der auf Dauer dieses hohe Tempo standhielt, und wir mussten
unser Unternehmen leider abbrechen. Als Trost haben wird damals aber den
Beweis erbracht, dass Kazcor mit der 284 km/h schnellen Maschine den
bestehenden Rekord in Grund und Boden gefahren hätte - hätte nur der
Hinterradreifen die Schinderei mitgemacht."
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Friedel Münch
(Foto: Archiv- Münch) |
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Die Daytona-Bombe basiert auf der 1200er
Münch-4 TTS, ist für die Weltrekordfahrt aber entsprechend umgebaut.
Für die benötigte Leistungssteigerung hat Friedel Münch tief in die
Trickkiste gegriffen. Der Motor ist mit 1370 ccm Aluminium-Zylindern,
geschmiedeten Mahle-Kolben, erhöhter Verdichtung 13:1, erleichterter
und dynamisch ausgewuchteter Kurbelwelle, Doppel-Zündung mit
Batteriebetrieb, vier Dell'Orto, Ø 35mm, SSi-Rennvergasern und vier
offenen Megaphon-Rohren veredelt. Damit die Kraft verlustfrei zum
verstärkten Vierganggetriebe übertragen wird, ist eine
strapazierfähige Sintermetall-Kupplung mit zwölf Lamellen eingebaut.
Der Leistungszuwachs ist enorm, 125 PS bei 8600/min lassen sich am
Hinterrad messen.
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Das Fahrwerk hat Friedel Münch aufs
Wesentliche reduziert. Eine leichte Schwinge aus konisch gezogenen
Präzision-Stahlrohren führt das Speichenhinterrad. Damit sich die
Endübersetzung bei den bevorstehenden Abstimmfahrten schnell wechseln
lässt, läuft die Kette offen. Am Rahmenheck werden dünne Stahlrohre
angeschweißt, sie dienen für die Aufnahme der zurückgelegten
Fußrasten sowie Auspuffhalter und die Befestigungen für die beiden
Koni-Federbeine. Rennverkleidung, Tank und Sitzbank sind aus GFK
gefertigt. Die Diät zeigt Wirkung, nur 210 kg drückt die Daytona Bombe
auf die Waage.
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Friedel Münch und Wilhelm Groh
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Im Herbst 1994 ist der inzwischen
67 Jahre alte Motorradkonstrukteur und "Mammut"-Hersteller
Friedel Münch wieder in Florida. Nun aber mit seinem Freund Wilhelm
Groh. Die Reise gilt einem Besuch des bekannten amerikanischen
Motorentuners und Rennfahrers Richard "Pogo" Evans, der die
"Daytona-Bombe" besitzt. Man wird sich schnell handelseinig
und das Rekordgeschoss kommt zurück nach Deutschland. Ein
Ehrenplatz im "Friedel-Münch-Museum" von Wilhelm Groh
ist ihr sicher.
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