Rennmotorräder und Proprider haben etliche Gemeinsamkeiten.
Der
Berliner Manfred Loth kennt die Parallelen in- und auswendig.
Im
internationalen Straßenrennsport war er Anfang der Siebziger
sehr erfolgreich. Auf dem Wasser knackte er mit König-Rennbooten
jedoch später
alle Rekorde. Er wurde zwölfmal Deutscher Meister,
fünfmal
Europameister und dreimal Weltmeister.
Text:
Winni Scheibe
Fotos: Archiv-Loth, Scheibe |

VIPs bei der Herbstfahrt
"Berlin-Brandenburg" der Sportgemeinschaft Deutscher
Bundestag:
Rennboot-Weltmeister Manfred Loth, Schauspieler Rainer Hunold,
Gespann-Champion Ralph Bohnhorst
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Den 10. September 1967 wird Manfred Loth, Jahrgang
1943, so schnell nicht vergessen. An diesem Sonntag wurde sein Sohn
Matthias geboren. Aber noch etwas passierte an diesem Tag. Mit einer
125er Bultaco gewann er das Avus-Rennen. Es war sein erster Sieg
überhaupt und gleichzeitig auch sein bisher spektakulärster Erfolg.
Rund 30.000 Schlachtenbummler verfolgten das Rennen. Besonders den
Berliner Fans ging Manfred Loths Sieg wie Öl runter, schließlich war
er der erste Berliner, der ein Motorradrennen auf der Avus gewonnen
hatte. Und noch dazu auf dem legendären Kurs mit der saugefährlichen
Klinkerstein-Steilwandkurve vor Start und Ziel. Einen Tag später ging
sein Sieg ins Geschichtsbuch ein. Ab dem 11. September 1967 wurde die
"Avus"-Steilwandkurve abgerissen, der Streckenabschnitt
entschärft und mit einer Asphaltdecke versehen.
Trotz des Erfolges blieb "Manne", wie er meist
im Fahrerlager genannt wurde, weiterhin Privatfahrer. Mit dem
Motorradrennsport ließ sich damals noch nicht das große Geld
verdienen. Da vertraute er lieber auf seinen erlernten Beruf als
Heizungs- und Sanitär-Techniker. Den er, um es hier gleich
vorwegzunehmen, ausnahmslos während seiner gesamten Motorsportlaufbahn
ausgeübt hat. In seiner Freizeit beschäftigte sich der Wahlberliner,
ihn zog es 1963 vom schwäbischen Kirchheim-Teck in die damals noch
geteilte Metropole, allerdings mit seinem Hobby: Motorrädern. Und das
waren in der Regel Zweitakter. Der 125er Bultaco folgte 1968 eine 250er
Bultaco-Rennmaschine. Ab 1971 fuhr er in der 250er und 350er Klasse mit
Productionracern von Yamaha.
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1973: Manne Loth auf 350er Yamaha
(Foto: Archiv-Loth) |
Als Doppelstarter beteiligte sich Manne in der
Deutschen Meisterschaft, startete bei internationalen Rennen in Holland
und England und fuhr im Ostblock, vornehmlich in der Tschechei, Ungarn
und Jugoslawien.
"Damals bin ich pro Jahr zu rund 30 Veranstaltungen
quer durch Europa gefahren, wobei An- und Abreise jedes Mal die gleiche
Tortur bedeutete," erinnert sich Manne Loth. "Egal wohin wir
West-Berliner wollten, wir mußten immer zwei Grenz-Kontrollstellen
passieren und auf der Transitautobahn durch die DDR durfte man niemals
schneller als 100 Sachen fahren. Oft wurden die Kontrollen an den
Grenzübergängen verzögert, sie dauerten dann stundenlang."
Von den willkürlichen Schikanen der ostdeutschen
Grenzer und der DDR-Volkspolizei auf der Autobahn möchte er dagegen
lieber nichts erzählen. Für ihn ist das Thema längst abgehakt, aber
nicht vergessen. Schließlich ist es ein Teil deutsch-deutscher
Geschichte. Aber deswegen zurück in den Westen ziehen, kam für ihn
damals nie in Frage. Ganz im Gegenteil. Längst war er mit Herz und
Seele Berliner geworden und das Häuschen, das er sich inzwischen gebaut
hatte, stand so dicht an der Grenze, dass zur Südseite kein Zaun
gebraucht wurde, das Grundstück reichte nämlich direkt bis an "die
Mauer".
Bis Mitte der siebziger Jahre war Manne Loth in der
250er und 350er Klasse immer für Top-Platzierungen gut. Viele Rennen hat
er gewonnen, oft stand er auf dem Siegerpodest und einmal wurde er in
der Deutschen Meisterschaft Dritter. Auch ein Sponsor unterstützte ihn,
der Berliner Motorradhändler Klaus Bischoff. Trotzdem, in sein Hobby
steckte der Privatfahrer Jahr für Jahr jede Menge Geld. Soviel, wie er
sich eben leisten konnte, um aber an das wirklich schnelle Material zu
kommen, war es meist jedoch zu wenig. Und da, wo es fehlte, sorgte er
durch fahrerischen Einsatz für den Ausgleich. Talent und Mut waren
vorhanden, dass es dabei aber oft bis zum Limit, und auch manchmal
darüber ging, blieb nicht aus. Narben von Sturzverletzungen erinnern
ihn noch heute an die draufgängerische Rennerei. Mit 32 Jahren gab es
für ihn 1975 kaum noch eine Chance ein Angebot als Werksfahrer zu
bekommen. Und so war es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, bis er
Helm und Lederkombi an den Nagel hängen würde.
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Mitte 1975 war es dann auch fast so weit. Allerdings
nur was den Motorradrennsport betraf. Vom Berliner
Bootsmotorenhersteller Dieter König bekam er die Gelegenheit ein
Rennboot, einen sogenannten "Proprider", zu testen.Gleich nach diesem Erlebnis war mir klar, dass ich
eine neue Herausforderung gefunden hatte," lässt der Zweitaktfan
wissen und fügt mit einem verschmitzten Schmunzeln hinzu, „zwar war
es nur ein 250er Rennboot, doch wenn man zum ersten Mal in einem
Proprider liegt und so bei gut 150 Sachen mit der Nasenspitze nur knapp
über die Wasseroberfläche rauscht, kann von Langeweile keine Rede
sein." |

Erstes Bootrennen noch im Motorradkombi
(Foto: Archiv-Loth)
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Überzeugende Argumente kamen dem
"Frontwechsel"
entgegen. König-Motoren waren nicht nur auf dem Wasser
außergewöhnlich erfolgreich, seit Anfang der Siebziger engagierte man
sich mit dem 500er drehschiebergesteuerten
Vierzylinder-Zweitakt-Boxermotor auch in der Motorrad-WM.
Versuchsingenieur und König-GP-Pilot Kim Newcombe wurde 1973 in der
500er Klasse, hinter Phil Read auf MV Agusta, Vize-Weltmeister. Noch
besser schnitten Steinhausen/Huber ab. Die Dreiradakrobaten gewannen mit
ihrem König-Gespann 1975 und 1976 die Seitenwagen-WM.
Ähnlich wie im Straßensport war auch auf dem Wasser
die richtige Abstimmung des Zweitakt-Aggregates eine immens wichtige
Angelegenheit. Und in dieser Materie kannte sich Manne Loth bestens aus.
Schließlich war er in seiner Zweiradkarriere Fahrer und Cheftechniker
in einer Person gewesen. Ebenfalls begeisterte ihn die Fahrtechnik des
Rennbootes. "Um mit einem Proprider richtig schnell zu sein, ist
enormes Fingerspitzengefühl und das richtige Set-up erforderlich. Je
nach Kurs, Austragungsort und Wasserbeschaffenheit stehen bis zu 30
unterschiedliche Antriebspropeller zur Auswahl," verrät Loth. „Bei
Vollgas gleitet man auf dem Luftpolster zwischen Bootsrumpf und
Wasseroberfläche, nur Propeller und Stabilisierungsflosse sind noch im
Wasser. Auch das Einlenken in die Wende ist eine Kunst für sich. Um die
Kurve optimal zu nehmen muss man auf dem flachen Wasser, Anhaltspunkte
gibt es hier nicht, genau wissen, wo man das Gas zudreht.
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In allen Klassen schnell
(2 Fotos: Archiv-Loth) |
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Man braucht ein gutes Gefühl für Geschwindigkeit,
Weg und Zeit und hierbei kam mir meine Motorradrennerfahrung sehr zu
Gute."
Ab 1976 stieg der Berliner nicht mehr auf seine
Rennmaschinen, sondern legte sich "bäuchlings" in den 250er
Proprider. Am Ende seiner ersten Saison auf dem Wasser war er in der DM
Dritter. Was in den nächsten Jahren folgte, wurde zum sensationellen
Aufstieg des erfolgreichsten Rennbootfahrers der Welt. Bei manchen
Veranstaltungen startete Manne Loth in der 250, 350 und 500er Klasse,
bei anderen Rennen in der 350er und 700er Klasse. Insgesamt fuhr er in
vier Klassen, und immer mit umweltfreundlichen Methanol betriebenen
König-Zweitakt-Motoren.
Der 250er Proprider leistete 70 PS und war 160 km/h
schnell, das 350er Boot hatte 95 PS und ging knapp 170 km/h, die 500er
und 700er Boote hatten rund 150 PS und kamen auf fast 200
Stundenkilometer. Seine Erfolge gingen sogar ins Guinnessbuch ein:
zwölfmal Deutscher Meister, fünfmal Europameister, dreimal
Vize-Weltmeister, dreimal Weltmeister und "so nebenher" gewann
der schnelle Berliner als Punktbester europäischer Fahrer viermal die
"Trophae Bussey".
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(3 Prospekt-Bilder: Archiv-Loth)
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Die Bootsrennerei brachte ihn rund um die Welt, er
lernte Land und Leute kennen, schloss viele Freundschaften. Nach 28
Jahren Rennsport, 14 Jahre mit Motorrädern und 14 mit Propridern
beendete der sympathische Vollgaspilot 1989 seine Sportlerkarriere.
Langweilig ist es ihm bisher allerdings nicht
geworden. Endlich kann sich der Berliner wieder seinem Motorrad-Hobby
widmen. Nach und nach kaufte er seine ehemaligen Rennmaschinen zurück,
restaurierte sie und stellte sie in das hierfür extra hergerichtete
Dachzimmer.
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Auch die vielen Urkunden, Pokale und Siegerkränze
bekamen nun einen standesgemäßen Platz, immerhin sind es über 2000
Trophäen!
Seiner Leidenschaft für schnelle Bikes ist er treu
geblieben, mit einer BMW R1100S düst er nach Most,
nach Oschersleben und zum Sachsenring.
Am 7. November 1998 war Manne beim 23.
Rennsport-Meeting vom Fan-Club Sachsenring. Hier traf der Berliner den
achtfachen Weltmeister Phil Read und den sechsfachen Weltmeister Jim
Redman, über was sich die drei Vollgaspiloten unterhalten haben,
dürfte klar sein... |

Gemeinsam 17 WM-Titel: Phil Read, Jim Redman, Manne Loth
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