Motorrad-Marken


HONDA CBX 1000
Baujahr 1978/79

"Sexy-Six"

Mit den sensationellen Sechszylinder-Werksmaschinen
holte Honda 1966 und 1967 gleich vier WM-Titel in Reihe.
Als das Werk zehn Jahre später die CBX1000 präsentierte,
war die technische Ähnlichkeit mit dem erfolgreichen Rennmotorrad
verblüffend. Auch die CBX schrieb Motorradgeschichte.
Allerdings nicht als 105 PS starker Kraftmeier, sondern als Urheber
des bei uns damals vereinbarten "100-PS-Limits".

Text: Winni Scheibe
Fotos: Scheibe, Honda





Kraftmaschine


Der Oberst war stinksauer. Bereits zum dritten Mal meldeten ihm die Wachen unbekannte Personen im Sicherheitsbereich. Seine Geduld war nun am Ende, er befahl, sie sofort festzunehmen. Wenig später standen sie vor ihm. Und tatsächlich, die Männer waren Spione. Ausgerüstet mit kleinen High-Tech Tonbandgeräten, auf denen sie klammheimlich die Geräusche der auf dem Militärflugplatz stationierten Phantom-Düsenjäger aufgenommen hatten. Der Offizier ahnte Staatsverrat, wusste, dass den Leuten der Galgen drohte. Doch soweit kam es zum Glück aber nicht. Es stellte sich nämlich heraus, dass die drei Agenten in Wirklichkeit Honda-Ingenieure waren, die im Auftrage ihrer Firma die Jet-Akustik "stibitzen" sollten. Wofür der Krach jedoch gebraucht wurde, erfuhr der Kommandeur vom Hyakuri-Luftwaffenstützpunkt leider nicht. Das wäre schließlich ein Werksgeheimnis, verkündeten die Honda-Techniker stolz und wenn sie das verraten würden, könnten sie gleich Harakiri machen.



Legendäre 350er Sechszylinder-Werksrennmaschine von Mike Hailwood 
(Foto: Honda)

Honda war in Zugzwang gekommen. Alle Welt sprach nicht mehr von der CB750 Four oder gar GL1000 Gold Wing, die Motorradkundschaft balgte sich um die Kawasaki Z1000, Suzuki GS750 und Yamaha XS750. Im gegenseitigen Leistungs-Wettrüsten musste der weltgrößte Motorradhersteller unbedingt ein Brikett nachschieben. Die Order an die Entwicklungsabteilung war daher kurz und bündig: Baut sofort ein Überbike! Ob das neue Superbike vier oder gar sechs Zylinder bekommen sollte, war man sich zunächst nicht einig. Letztendlich fiel die Entscheidung jedoch für das halbe Dutzend. Chefentwickler wurde Soichiro Irimajiri, jener grandiose Ingenieur, der Mitte der Sechziger die Sechszylinder-Werksrenner konstruiert hatte. Mit diesen "Drehorgeln" - das nutzbare Leistungsband lag zwischen 14000 und 18000/min (!) - war "Mike the Bike" Mike Hailwood 1966 und 1967 in der 250er und 350er-Klasse Weltmeister geworden.


CBX1000-Triebwerk von 1978

RC164-Rennmotor von 1964

Und so darf es auch nicht wundern, dass die technische Verwandtschaft zur erfolgreichen GP-Maschine tatsächlich verblüffend war. Um den 33 Grad nach vorn geneigten Sechszylinder-Motor möglichst schmal zu halten, wurden Lichtmaschine und Zündanlage hinter dem Zylinderblock positioniert. Zwar waren für den Antrieb der beiden obenliegenden Nockenwellen keine Zahnräder wie im Rennmotor zuständig, dafür sorgte eine stabile Zahnkette für präzise Steuerzeiten der insgesamt 24 Ventile. Kunstvoll hatte man die sechs Unterdruck-Vergaser am Zylinderkopf angeflanscht, die gleiche Mühe gab man sich beim Verlegen der 6-in-2-Auspuffanlage. Für jedermann gut sichtbar hängten die Techniker das "Six-Pack" in einen unten offenen Brückenrahmen. Und das mit Absicht. Auf keinen Fall sollte eine Rennverkleidung den Blick auf die technischen Finessen verwehren. Ganz im Gegenteil. Mit großer Sorgfalt hatten Techniker und Stylisten die CBX1000 so konstruiert, dass der Motor voll zur Geltung kam. Selbst bei der Formgebung des Kraftstofftanks entwickelte man erstaunliche Kreativität. Von der Seite wirkte der Tank zierlich, aber von oben betrachtet war er so breit, dass er den gesamten Zylinderkopf überdeckte. Aber längst nicht genug. Auch beim Motorsound wollte man alles Dagewesene übertreffen. Der Auspuffton sollte dem Geräusch eines Düsenjägers gleichen und deswegen saßen besagte Techniker tagelang am Militärflugplatz - bis sie erwischt wurden. Die Aufnahmen durften sie, dem Kaiser sei Dank, dann aber doch mit ins Werk nehmen. Den Ton bekam man tatsächlich so hin. Allerdings nur für den Prototyp. Den Verkaufsmanagern war der Klang zu aggressiv, sie forderten und bekamen einen Sechszylinder-Porsche-Sound.


CBX1000 von 1978

CBX1000 von 1979



In die Werksatt musste die CBX selten - hier nur fürs Foto


M
it der CBX war Honda ein weiterer Meilenstein in der Motorradgeschichte gelungen. Das Bike leistete 105 PS, war 274 kg schwer und brachte es auf 225 Stundenkilometer. Die Leser der Fachzeitung MOTORRAD wählten den Überhammer gleich zum "Motorrad des Jahres", und im ersten Verkaufsjahr 1979 ließen sich rund 1600 Maschinen allein in Deutschland absetzen. Doch den Kuchen mit der "Sechszylinder-Kundschaft" musste sich Honda mit Kawasaki teilen. Japans kleinster Motorradhersteller hatte bei der IFMA 1978 nämlich die Z1300 vorgestellt. In jeder Hinsicht übertraf der Koloss die CBX. Bei der Z1300 war der Sechszylinder-Reihenmotor sogar wassergekühlt, der Hubraum betrug 1286 ccm, die Leistung lag bei 120 PS, das Big-Bike war 318 kg schwer und lief 220 km/h. Die CBX1000 gab es für 11.262 Mark, wer die Z1300 wollte, musste 12.228 Mark ausgeben. Teurer im Motorradangebot 1979 waren nur noch die Münch-4 TTS-E für rund 26.000 Mark und die 1100er MV Agusta für fast 30.000 Mark.

 


Honda CBX 
(Foto: Honda)

Die beiden japanischen Hersteller hatten die Rechnung aber ohne den Wirt gemacht. Nicht, dass das Kartellamt etwas gegen die hohen Preise gehabt hätte, in diesem Fall waren es fachkundige Sicherheitsexperten, die in Deutschland "schwarz auf weiß" belegen können, dass Motorräder, wenn sie mehr als 100 PS Leistung hätten, viel zu gefährlich wären. Auch verdichtete sich das Gerücht, dass die Bundesregierung beabsichtigte, demnächst nur noch Maschinen mit maximal 75 PS zuzulassen. Schöne Aussichten! Damit es aber erst gar nicht so weit kommen könne, trafen sich ganz schnell Sachverständige, Experten, Politiker, Hersteller und Importeure und vereinbarten ein Leistungs-Limit von 100 PS. Motorräder mit mehr Kraft unter dem Tank sollten in Zukunft speziell für den deutschen Markt auf die vereinbarte Leistungsgrenze gedrosselt werden. Ein "Gentlemen`s Agreement", das bis 1998 gelten sollte.

Doch zurück zum CBX-Wunderwerk. 
Der Motor war eine Wucht. Ohne Vibrationen schickte er seine enorme Power seidenweich via Fünfganggetriebe und Kette an den 4,25 V 18 Hinterrad-Reifen. Nichts gab es am Triebwerk auszusetzen. Und dennoch war die CBX nicht das Gelbe vom Ei. So viel Mühe man sich mit dem Motor auch gegeben hatte, das Fahrwerk kam da nicht mit. Eine Telegabel mit nur 35 mm Standrohrdurchmesser, die in Kunststoffbuchsen gelagerte Hinterradschwinge und mäßige Federbeine waren in erster Linie für das Desaster verantwortlich. Besonders beim Topspeed wackelte die "Six" wie ein Lämmerschwanz. Da halfen auch die neuen ComStar-Felgen mit den erstmals verwendeten schlauchlosen Reifen wenig, die man zunächst zum Sündenbock erklärte. Für das Modelljahr 1980 wurde die CBX1000 überarbeitet. Zu dieser Kur gehören geänderte ComStar-Räder, das "Speichenprofil" zeigte nun nach außen, eine luftunterstützte Telegabel sowie nadelgelagerte Schwinge. Optisch unverändert blieb die CBX weiterhin das Flaggschiff im Honda-Programm.

                CBX-Brückenrahmen


              Hondas ComStar-Felgen

1981 kam als Weiterentwicklung die CBX1000 ProLink auf den Markt. Bei dieser Maschine sprach man nun nicht mehr vom Supersportler, sondern vom GT "Gran Turismo" - Modell. Und wie es sich für einen echten 100 PS starken Supertourer gehörte, war die neue CBX mit einer Oberteilverkleidung versehen. Eine stabile Telegabel mit jetzt 39 mm Standrohrdurchmesser und die moderne Pro Link-Hinterradführung mit einem zentral angeordneten Federbein sorgten für angemessene Fahrstabilität. Die Neuauflage war allerdings auch um etliches schwerer, vollgetankt drückte sie 293 kg auf die Waage, und wer unbedingt den Sechszylinder-Brummer wollte, durfte nun dafür 14.165 Mark vom Konto holen. Doch die Tage der CBX1000-Generation waren längst gezählt. Wer eine sportliche Honda haben wollte, holte sich die neue CB1100R, die Tourenfahrer entschieden sich für die Gold Wing. Ende 1982 stellte das japanische Werk die Produktion der Sechszylinder ein.



CBX1000 ProLink

Inzwischen sind etliche Jahre vergangen, die CBX ist zwar noch kein Oldtimer, aber mittlerweile ein begehrter Klassiker. Und wie es nun mal bei "alten" Motorrädern so ist, stehen die CBX-Modelle aus der ersten Garnitur in der Sammlerliste ganz oben. Wichtig ist nur, sie muss im Originalzustand sein. So wie sie 1978 zu uns kam, mit 105 PS im Brief und dem mangelhaften Fahrwerk. Heute bezeichnet man so etwas als Charakter, liebt und schätzt es. Wer rasen will, hat sowieso neben der Sechszylinder von 1978 eine RC45 von 1998 stehen.


Technische Daten
Honda CBX1000 
Baujahr 1978

 

Motor:
Fahrtwindgekühlter Sechszylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei über Zahnkette getriebene obenliegende Nockenwellen, Tassenstößel, vier Ventile pro Zylinder; Bohrung x Hub 64,5 x 53,4 mm, Hubraum 1046 ccm, Verdichtung 9,3:1; 
Leistung 105 PS bei 9000/min. Nasssumpfschmierung mit Ölkühler, 5,5 Liter; 
Sechs Keihin-Gleichdruck-Vergaser, Ø 28 mm; Kontaktlose-CDI-Zündanlage, 
12 Volt Generator.

Getriebe:
Primärantrieb über Zahnkette, Zwischenwelle und Zahnräder, Mehrscheibenkupplung im Ölbad, Fünfganggetriebe, Endantrieb über O-Ring-Kette.

Fahrwerk:
Rückgratrahmen, Motor dient als mittragendes Teil, hydraulisch gedämpfte Telegabel, 
Ø 35 mm Standrohre, Hinterradschwinge mit zwei hydraulisch gedämpften Federbeinen; vorne Doppelscheibenbremse, Ø 272 mm, hinten Scheibenbremse, 
Ø 300 mm; vorne und hinten ComStar-Räder, schlauchlose Reifen, vorne 3.50V18 und hinten 4.25V18.

Abmessungen und Werte:
Radstand 1495 mm, Gewicht 274 kg, Tankinhalt 24 Liter, 
Höchstgeschwindigkeit 225 km/h

Preis 1978:
10.160 Mark

 


Home