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Honda CB900F "Bol d`Or"

Kampf um die "goldene Schüssel"

Das härteste 24-Stunden-Langstrecken-Rennen der Welt ist die
"Bol d`Or". Ende der siebziger Jahre gewann Honda gleich
dreimal nacheinander den Kampf um die "goldene Schüssel"
Diesen Erfolg nahm das japanische Werk zum Anlass und präsentierte
1978 auf der IFMA in Köln die CB900F Bol d`Or.

Text: Winni Scheibe
Fotos: Scheibe, Honda, Archiv



Honda RCB-Werksrennmaschine aus den siebziger Jahren


Eine unheimliche Spannung lag über der Hondabox. Nervös beobachteten japanische Manager, wie die Mechaniker das Werkzeug griffbereit zurecht legten. Neugierige Journalisten wurden höflich, aber direkt, zur Seite geschoben. Gleich drei RCB-Werksrennsmaschinen lagen auf Platz eins, zwei und drei. Die Vorbereitungen für den letzten Tankstopp mit Fahrerwechsel liefen auf Hochtouren. Jeder Handgriff musste sitzen. Kaum 20 Sekunden benötigte die Crew, um aufzutanken, die Antriebskette zu schmieren und Öl nachzuschütten. In Windeseile übergab der in Führung liegende Chemarin den kostbaren Werksrenner an seinen Teamkollegen Christian Leon. Mit einem gekonnten Wheelie stürmte der französiche Werkspilot aus der Boxengasse.



RCB-Renner
(Foto: Honda)


Das härteste 24-Stunden-Rennen der Welt, die 42. Bol d`Or auf dem Circuit Paul Ricard in Südfrankreich, ging im September 1978 in die Schlussphase. Angesteckt von der Honda-Siegesfahrt waren die über 100.000 Zuschauer kaum noch zu bändigen. Die Begeisterung war überwältigend. Keiner, weder die Streckenposten noch das riesige Aufgebot der französichen Gendamerie, konnte verhindern, dass wenige Minuten vor Schluss des Rennens die voll aus dem Häuschen geratenen Fans die Piste stürmten. Im Nu war die Start/Zielgerade von einer unübersehbaren Menschenmasse bevölkert. Nur durch vorzeitigen Abbruch des Rennens ließ sich eine Katastrophe vermeiden. Nach 603 Runden, was 3504 Kilometern entspricht, siegte das französische Hondateam Leon/Chemarin. Ebenfalls auf Honda belegten Luc/Rigal und Woods/Williams die Plätze zwei und drei. Zum dritten Mal hintereinander gewann Honda den Kampf um die "goldene Schüssel", die Bol d`Or. Die Sensation war perfekt.


IFMA Sensation 1978:
Honda CB900F Bol d´Or


"Von der Rennstrecke auf die Straße"


Honda CB 900 F Bol d`Or


Zeitgleich präsentierte der japanische Motorradgigant auf der IFMA in Köln die CB900F Bol d`Or. Nach dem Motto: "Von der Rennstrecke auf die Straße" war die 900er ein echtes Superbike. Nach dem Vorbild des erfolgreichen Langstreckenrenners sollte sie die sportlichen Motorradfahrer ansprechen. Das von Honda als "Euro-Style" bezeichnete Outfit ließ die CB900F schlank und gefällig erscheinen. Ausgesprochen sportlich zeigte sich die Sitzposition, die Hände umfassten geschmiedete Stummellenker und dem Anspruch auf Renntauglichkeit entsprechend hatte man die Fußrasten zurück versetzt. Über die Sportlichkeit hinaus vergaßen die Hondatechniker aber nicht den Sozius. Die Sitzbank bot genügend Komfort für zwei Personen, und selbst lange Touren ließen sich zu zweit problemlos bewältigen. Der Kompromiss, eine Sportmaschine mit Alltagstauglichkeit auf die Räder zu stellen, war Honda vortrefflich gelungen.





Ohne Verkleidung ausgestattet zeigte das Bike ganz offenherzig, welche technischen Finessen es zu bieten hatte. Das Triebwerk war eine Wucht. Der quicklebendige Vierzylinder-Viertakt- Reihenmotor mit zwei obenliegenden Nockenwellen und vier Ventilen pro Zylinder leistete gesunde 95 PS bei 9.000 Umdrehungen pro Minute. Kraftvoll zog er die Fuhre bereits aus der Leerlaufdrehzahl ruckfrei vorwärts. In der Sprintprüfung benötigte das Bike gerade 4,2 Sekunden bis 100 km/h und weniger als 12 Sekunden um 180 km/h zu erreichen. Einmal auf Trab gebracht, rannte die Bol d`Or mit angelegten Ohren gut 220 Sachen.



Honda CB900F DOHC-Triebwerk mit Vierventil-Technik
(Zeichnung: Honda)


Gab es an den Fahrleistungen kaum etwas auszusetzen, so forderte jedoch das Fahrverhalten ab Tempo 180 dem Piloten einiges an Mut ab. Auftretende Fahrwerksunruhen konnten ihm Angst und Schrecken einjagen. Und so kam es, dass die Testberichte in der Presse sehr zwiespältig ausfielen. Großes Lob erhielt das Triebwerk, dagegen musste sich das Fahrwerk einiges an Kritik gefallen lassen. Verantwortlich für die schlechte Straßenlage waren die Kunststoffbuchsen für die Schwingenlagerung und die zu schwache Vordergabel mit nur 35mm dünnen Standrohren. Auch die Reifendimensionen genügten der Motorleistung kaum. Vorn sorgte ein 3.25V19 Pneu und hinten ein 4.00V18 Reifen für den Kontakt zur Fahrbahn.



Honda CB900F Bol d`Or von 1979
(Foto: Archiv)


Zwar waren die neuen schlauchlosen Dunlop Reifen auf moderne ComStar-Alufelgen montiert - Speichenräder gehörten mittlerweile der Vergangenheit an -, doch bei extremer Fahrweise und besonders auf nasser Piste neigten die japanischen Pneus zum Wegschmieren. Auch die 30 Verstellmöglichkeiten des Federbeines halfen wenig, um das Pendeln in den Griff zu bekommen. In der Praxis zeigte sich, dass viele Biker mit der richtigen Einstellung schlichtweg überfordert waren. Das Bestreben, die Bol d`Or möglichst leicht zu bauen, fruchtete auch nicht. Vollgetankt brachte sie satte 254 Kilogramm auf die Waage. Trotz der Doppelscheibenbremse am Vorderrad musste man kräftig am Handbremshebel ziehen, um die Fuhre aus hoher Geschwindigkeit abzubremsen.

Ungeachtet aller Fahrwerkskritik in den Motorradfachzeitschriften traf die Bol d`Or genau den Geschmack der sportlich orientierten Motorradfahrer. Das knapp 9.000 Mark teure Bike etablierte sich ab dem ersten Tag zum Verkaufshit und rangierte in der Zulassungsstatistik für Big Bikes an erster Stelle.
Sehr schnell reagierten die Hondaingenieure in Japan auf die Fahrwerksschwächen. Bereits im Modelljahr `80 spendierten sie dem Rahmen Kegelrollenlager im Steuerkopf und verschleißfeste Nadellager für die Hinterradschwinge. Überarbeitete und verstärkte ComStar-Felgen, das Speichen-Profil war nun nach außen gedreht, sollten den Laufrädern mehr Steifigkeit geben. Dagegen blieb das Triebwerk, um es hier gleich vorwegzunehmen, bis Ende der Modellreihe 1984 absolut unverändert.
Im nächsten Jahr wurde die Gabel überarbeitet. Die Standrohre hatten nun 37 Millimeter Durchmesser und per Luftpolster ließen sie sich individuell abstimmen. Neue Doppelkolben-Bremssättel sorgten für deutlich bessere Verzögerungswerte.
Für das Modelljahr 1982 musste sich das Bike noch einmal einer ordentlichen Modifikation unterziehen. Der Durchmesser der Gabelstandrohre betrug nun 39mm, und ein einstellbares Anti-Dive sollte beim Bremsen das Eintauchen der Gabel verhindern. Noch einmal wurden die Felgen geändert. Breite Niederquerschnittsreifen, vorn 100/90V18 und hinten 130/90V18 gewährleisteten den Kontakt zum Asphalt. Um die lästigen Motorvibrationen zu eliminieren, hatte man das Triebwerk in Silent-Blöcke gelagert. Nach diesen Änderungen wurde die Bol d`Or endlich ihrem Namen gerecht. Die Straßenlage hatte sich nachhaltig verbessert, und die erwartete sportliche Fahrweise ließ sich nun auch ohne Schweißtropfen auf der Stirn umsetzen. Von allen Einsatzmöglichkeiten war es immer wieder die Rennstrecke, auf der die Bol d`Or auftauchte.


AMA-Superbike-Serie


Honda-Werksfahrer: Freddie Spencer



Team Honda America

Besonders große Erfolge feierte sie in den USA. Nach dem Superbike Reglement der AMA (American Motorcycle Association) mussten die Rennmaschinen technisch und optisch der Serie entsprechen. Ab Anfang der achtziger Jahre setzte Honda-Amerika die CB900F Supersport - für die USA wählten die Hondamanager diesen Verkaufsnamen - in der Meisterschaft ein. Einer der Rennfahrer war Freddie Spencer. Ohne sich vor der Konkurrenz zu fürchten, zeigte der erst 19jährige "Fast Freddie"  allen, wo der Hammer hing.


"Fast Freddie"



In den USA hieß die "Bol d´Or" CB900F Supersport


Ob als CB900F Supersport oder als bis zur "geht-nicht-mehr" getunten Superbike-Rennmaschine, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gab es noch eine weitere Variante. Mit Hochlenker, Tropfentank, Stufensitzbank, Vierrohr -Auspuffanlage, dickem Hinterradreifen und - man wirds kaum glauben - Zehnganggetriebe sowie Kardanantrieb, warb die CB900C (das C steht für Custom) um die Gunst der Highway-Rider. In Europa machte das japanische Werk sich erst gar nicht die Mühe, den 84 PS starke Softchopper auf den Markt zu bringen.
Bei uns war Sportlichkeit gefragt. Der Zubehörmarkt bot alle erdenklichen Umbauten und Tuningkits an. Die Liste reicht von Halb- und Vollverkleidungen, über Aluschwingen, Lenkungsdämpfer, Leistungssteigerungen, Sportrahmen, 4-in-1 Auspuffanlagen und vielem anderen mehr oder weniger erforderlichen Kram.



Egli-Honda


Das leistungsstarke Triebwerk war bei Tunern sehr beliebt. Vom japanischen PS-Zauberer Pops Yoshimura konnte man alle möglichen Motorteile kaufen. Je nach Geldbörse ließen sich zusätzliche Pferdestärken mobilisieren. Fahrwerksspezialist Fritz W. Egli in der Schweiz verpflanzte gleich das ganze Aggregat in sein Chassis. Ob als Straßenbike oder Rennmaschine, Fahrwerksschwächen, die so manchem Bol d`Or-Besitzer das Leben schwer machten, kannte die Egli-Honda nicht. Wie auf Schienen zog eine Egli-Honda in allen Geschwindigkeitsbereichen ihre Bahn. Das tadellose Fahrgestell vom eidgenössischen Fahrwerksbauer mit dem ausgereiften Honda Motor bildete eine unschlagbare Einheit.



AME-Chopper


Aber auch die Chopperspezialisten von AME im nordhessischen Schauenburg entdeckten die 900er für ihre Zwecke.

Ganz gleich ob im Serienzustand für den täglichen Gebrauch, für die Urlaubsreise zur Tourenmaschine umgebaut, "getunt" für den Sporteinsatz, oder als Chopper, die 900er glänzt durch Zuverlässigkeit und Langlebigkeit. Motoren, die weit über 100.000 Kilometer ohne ein technisches Problem erreichten, waren keine Seltenheit. Von 1979 bis 1984 verkaufte Honda-Deutschland über 20.000 Motorräder vom Typ CB900F Bol d`Or. Wird von der Honda Bol d`Or geredet, ist in 99,9 Prozent aller Fälle die Ur-Bol d`Or gemeint. Neben ihr gibt es nämlich noch fünf weitere Modelle, die sich mit dem Zusatznamen Bol d`Or schmücken dürfen.


Modell-Kunde
"Bol d´Or"


Honda CB900F2 Bol d`Or


Die CB900F2 war serienmäßig mit einer Verkleidung ausgestattet und kam den Bedürfnissen der Tourenfahrer entgegen.



Honda CB750F Bol d`Or



Honda CB750F2


Nach unten rundete die kleine Schwester CB750F und CB750F2, die wie bei der Großen mit einer Verkleidung ausgestattet war, die Modellpalette ab.



Honda CB1100R Bol d´Or


Flaggschiff war unbestritten die CB1100R, für 15.300 DM. Der auf 1.062 Kubik Hubraum aufgebohrte 900er Motor leistet in der offenen Version 115 PS, muss sich aber für den deutschen Markt auf 100 PS drosseln lassen. Von der CB1100R wurden nur 3.000 Maschinen gebaut.



Honda CB1100F Bol d`Or


Krönung der Baureihe war 1984 die CB1100F. Genau wie bei der ersten Bol d`Or von 1979 verzichteten die Hondaleute auf eine Verkleidung. Diese Maschine wurde nur in diesem Jahr angeboten.



"Ur-Bol d`Or" CB900F von 1978


Von allen Bol d`Ors ist die CB900F aber das Original. Bereits heute gehört dieses Superbike zu den modernen Klassikern und wird je nach Zustand zu beachtlichen Gebrauchtpreisen gehandelt.


Technische Daten
Honda CB900F Bol d`Or 
Modelljahr 1979

 

Motor:
Luftgekühlter Vierzylinder-Viertaktmotor, zwei über Kette angetriebene, obenliegende Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder. Vier Keihin-Vergaser,  kontaktlose Zündanlage, 12 Volt. Bohrung x Hub 64,5 x 69,0 mm, Hubraum 901 ccm, Leistung 95 PS bei 9000/min

Kraftübertragung:
Mehrscheibenkupplung im Ölbad, Fünfganggetriebe, Sekundärantrieb über O-Ring-Kette

Fahrwerk: 
Doppelrohrrahmen aus Stahl, hydraulische Telegabel, Federweg 160 mm, hinten zwei Federbeine, Federweg 95 mm. Vorne Doppelscheibenbremse 275 mm, hinten Scheibenbremse 295 mm. Räder und Reifen Honda Comstar-Alufelgen, 3.25V19 vorne, 4.00V18 hinten 

Maße und Gewicht: 
Radstand 1515 mm, Nachlauf 115 mm, Sitzhöhe 810 mm, Gewicht 254 kg.

Höchstgeschwindigkeit:
220 km/h

Bauzeit:
1978 bis 1984


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