Die Honda-Story
"Vom Mopedbastler zum Multi-Weltmeister"
Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich Japan
zur
führenden Industrienation. Eine sensationelle Karriere
schaffte
Soichiro Honda. Aus seiner "Hinterhof-Garage" von
1946
wurde der weltgrößte Motorradhersteller.
Text:
Winni Scheibe
Fotos: Winni Scheibe, Archiv-Honda
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Wer
von "Meilensteinen" spricht, meint Hondas. Mit pfiffigen Ideen
hat Soichiro Honda die Motorradtechnik revolutioniert und mit cleverem
Spürsinn den Weltmarkt erobert. Dabei fing alles ganz bescheiden an.
Seinen "Ein-Mann-Betrieb" nannte er 1946 stolz "Honda
Technical Research Institute". Gewerkelt wurde in einer winzigen
Holzbaracke. Hier montierte der bereits 40jährige Firmengründer kleine
50 ccm-Zweitakt-Motoren an Fahrräder. Das Geschäft lohnte sich, im
zerstörten Nachkriegsjapan wurde an allen Ecken und Enden dringend
motorisierte Fahrzeuge benötigt.
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Soichiro Honda
(Foto: Archiv-Honda)
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Seine Kfz-Mechanikerlehre
absolvierte der 1906 in Komyo geborene Soichiro Honda in Tokio. Nach der
Ausbildung machte er sich 1928 in seiner Heimatstadt Hamamatsu
selbständig. Zunächst wurde repariert, was in die Werkstatt kam. Nach
einem schweren Autorennunfall mußte Soichiro Honda jedoch über seine
berufliche Zukunft nachdenken. Für zwei Jahre besuchte er nach der
Genesung die technische Hochschule und begann danach Kolbenringe
herzustellen. Es dauerte nicht lange und er war in Japan der
Kolbenring-Spezialist. Kurz vor Kriegsende wurde seine Firma durch
US-Bombenabwürfe schwer beschädigt, kaum vom Schock erholt, zerstörte
Anfang 1945 ein schweres Erdbeben die verbliebenen Überreste.
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Erstes Honda "Motor-Fahrrad" von 1946
(Foto: Archiv- Honda)
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Soichiro Honda hatte 1946 aufs
richtige Pferd gesetzt, im Wettbewerb der über 100 Moped- und
Motorradhersteller im Inselreich lag seine Firma bald an der Spitze. Mit
seinem Partner Takeo Fujisawa wurde im September 1948 die "Honda
Motor Company" gegründet, und 1950 trugen knapp die Hälfte aller
im Land gebauten Motorrädern das Honda-Logo am Tank. Anfang der 50er
Jahre ging der agile Firmenboss auf Geschäftsreise und kaufte in den
USA und Europa für über eine Million US-Dollar hochmoderne
Fertigungsmaschinen. Gleichzeitig besuchte er auch die großen
Fahrzeughersteller. Besonders beeindruckt war Honda-san (san, jap. Herr)
vom NSU-Werk in Neckarsulm und den hochtourigen Viertakt-Rennmotoren des
damals weltgrößten Zweiradproduzenten.
Es dauerte nicht lange, und der Ausflug trug Früchte. Ende 1951 brachte
Honda sein erstes 150er Viertakt-Motorrad auf den Markt, das allerdings
sehr stark an bekannte Maschinen aus Deutschland erinnerte. Auch die
nächsten 250er und 350er Einzylinder-Motorräder hatten große
Ähnlichkeit mit der deutschen Horex Regina.
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Vorbild Zündapp: Honda Typ E von
1952
(Foto: Archiv- Honda) |
Vorbild Horex: Honda 250 Dream
1956
(Foto: Archiv- Honda) |
Von "Abkupfern" war bei
Honda aber bald keine Rede mehr. Die 250er Dream C70 von 1957 war eine
100prozentige Eigenentwicklung. Der OHC-Twin leistete 18 PS, und diese
Konstruktion sollte Vorreiter vieler weiterer Honda-Modelle werden. Das
war aber bloß der Anfang. Das nächste Highlight war 1960 die 24
PS starke 250er Dream CB 72 Super Sports, und 1965 kam die
Dream CB 450. Der 43 PS starke 450er DOHC-Twin hatte es faustdick hinter
den Ohren. Locker erreichte der "Black Bomber" 180 Sachen. Nur
Maschinen in der Königsklasse über 500 Kubik brachten damals solche
Fahrleistungen.
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"Black Bomber": Dream
CB450 von 1965
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Millionen-Ding: Super Cub von
1958
(Foto: Archiv- Honda) |
Es sollte aber noch viel besser
kommen. Doch zunächst ein kurzer Einschub. Bevor nämlich Honda
weltweit bekannt wurde, machte man das große Geschäft mit Mopeds. Der
Verkaufsschlager war das Super Cub. 1958 kam das Viertakt-Fünfzigerle
auf den Markt und seit dieser Zeit haben rund 35 Millionen (!) Cubs das
Werk verlassen. Und ausgerechnet mit diesem 50 ccm-"Hüpfer"
begann der agile Firmenboss 1959, den Weltmarkt zu erobern! In diesem
Jahr gründete Honda eine Werksniederlassung in Los Angeles/USA. Mit
einem rund zwei Millionen Dollar teuren Reklamefeldzug eroberte man das
Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Der Werbeslogan "You
meet the nicest people on a Honda" ging in die Geschichte
ein.
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Meilenstein in der
Motorradgeschichte: Honda CB750 Four
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Ebenfalls Geschichte wurde der
nächste Streich. Ende 1968 präsentierte das Werk die CB 750 Four. Sie
war die erste Vierzylinder-Großserienmaschine der Welt und mit diesem
Bike wollte Honda nun endlich den Motorradmarkt erobern. Erfahrungen mit
der Massenfertigung hatte man bei Honda genug, bis 1968 waren bereits
über 10 Millionen (!) Maschinen gebaut worden. Aber auch das Know-How
stimmte. Immerhin konnte der Firmenboss bis zu dieser Zeit auf insgesamt
16 WM-Titel in den vier Solo-Klassen, 50 ccm, 125 ccm, 250 ccm und 350
ccm, zurückblicken. Seine Rennmaschinen waren technische Kunstwerke. In
der 50 ccm-Klasse schob man einen Zweizylinder-Renner mit zwei
obenliegenden Nockenwellen, vier Ventilen pro Zylinder, neun Gängen und
14 PS bei 21500/min an den Start. Bei den 125ern setzte Honda eine
DOHC-Fünfzylinder-Viertaktmaschine mit 34 PS bei 20500/min ein, und in
der 250er und 350er Weltmeisterschaft waren es
DOHC-Sechszylindertriebwerke mit 60 bzw. 70 PS. In der Königsklasse bis
500 ccm vertraute Honda auf ein DOHC-Vierzylinderaggregat. Ohne jedoch
den begehrten 500er WM-Titel zu gewinnen, zog sich das Werk Ende 1967
aus dem GP-Rennsport zurück. Den 500er-Titel holte erst 1983 Freddie
Spencer auf der Dreizylinder-Zweitakt-Werksmaschine NS 500. Würde man
alle Titel aufzählen, die Honda-Werksfahrer bis heute im
Offroad-Bereich, im Endurance-Sport in der Superbike-WM und in der
Straßen-WM errungen haben, ließe sich spielend ein dickes Buch
füllen. Rennsport war und ist für Honda eben der beste Werbeträger.
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Erste Vierzylinder-Rennmaschine
von 1959
(Foto: Archiv- Honda) |
Honda-Stars: Phillis; Taveri und
Hailwood
(Foto: Archiv- Honda) |
Sechsfacher Weltmeister: Jim
Redman
(Foto: Archiv- Honda) |
Erster 500er Weltmeister 1983 auf
Honda:
Freddie "Fast" Spencer |
Doch zurück zur CB 750 Four. Mit
diesem Bike gelang Soichiro Honda tatsächlich der Durchbruch. Aber
nicht nur das. Weltweit erlebte Anfang der 70er Jahre der Motorradmarkt
einen ungeahnten Boom, das Motorrad war plötzlich nicht mehr billiges
Transportmittel oder "arme-Leute- Fahrzeug" sondern Spaß, Hobby
und Freizeit-Gefährt. Die CB750 Four wurde zum Bestseller, bis 1978
rollten über eine Million Maschinen vom Fließband! Sie war jahrelang
Klassenprimus, heute ist sie ein Kultbike. Die "Four" war
Hondas erster großer "Meilenstein", und viele weitere sollten
folgen. Off-Roads, Superbikes und Tourenmaschinen, Bikes, mit denen man
bequem und zuverlässig bis ans Ende der Welt fahren kann.
Als die ersten japanischen Motorräder bei uns auftauchten, wurden sie
als billige Massenwaren abgestempelt, und als die Japaner sich
aufmachten, den Weltmarkt zu erobern, sprach man von der "Gelben
Gefahr". Heute ist ein Leben bei uns und anderswo ohne das
japanische Angebot kaum mehr vorstellbar. Nicht auszudenken, was aus dem
Motorradmarkt geworden wäre, wenn es Soichiro Honda nicht gegeben
hätte. Im August 1991 starb der unermüdliche Konstrukteur und
Firmengründer.
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Honda CBX 1978 |
Honda GL 500 Silver Wing von 1983 |
Honda XV750V von 1984
(Foto: Archiv- Honda) |
Honda CBR900RR von 2002 |
Sein Erbe ist in guten Händen.
Weltweit gibt es mittlerweile in 32 Ländern 89 Werksniederlassungen, 20
davon allein in Europa. Jährlich produziert Honda rund 4,2 Millionen
Motorräder, von der legendären "Cub" sind seit 1958 bis heute
gut 35 Millionen Mopeds vom Band gerollt. Das hat weder das Ford
T-Modell noch der legendäre VW Käfer geschafft. Im Rennsport hat Honda
mit über 500 GP-Siegen inzwischen auch alle Rekorde gebrochen und die
Firmenhistorie wird bei allem Erfolg ebenfalls geehrt. Das Honda Museum
in Motegi bietet eine gigantische Erlebniswelt. Im dreistöckigen
Ausstellungsgebäude ist fast alles, was Honda in der über 50jährigen
Firmengeschichte gebaut hat, zu sehen. Eine bessere Stelle, die "Gestern"
und „Heute" so dicht zusammenrückt, lässt sich kaum
vorstellen:
"You meet the nicest
people in the Honda Collection Hall" .
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