100 Jahre
Harley-Davidson
1903 - 2003
Modellkunde
"Power-Station"
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(Foto: Werk)
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Zu Harley-Davidson gehört der V-Motor
wie zu
Washington das Weiße Haus!
Text: Winni Scheibe
Fotos: Scheibe, Werk |
Nach dem Produktionsstart 1903 mit
einem Einzylinder-Aggregat verwendet die "Motor Company" ab
1909 V-Triebwerke. Im Laufe der Jahrzehnte wurde dieses Baumuster
ständig weiter entwickelt. Als "Flathead",
"Knucklehead", "Panhead", "Shovelhead"
und "Evolution- Motor".
Bemerkenswert, über 90 Jahre lang waren die technischen Eckdaten
weitgehend gleich: Luft gekühlter 45-Grad-Zweizylinder-V-Motor mit zwei
Ventilen pro Zylinder.
Bis Mitte 2001. Da ließen die HD-Macher in Milwaukee die Katze aus dem
Sack und präsentierten die neue V-Rod mit Wasser gekühltem
60-Grad-V-2-Motor, 1130 ccm, zwei obenliegenden Nockenwellen und vier
Ventilen pro Zylinder, Einspritzanlage und einer Leistung von 117 PS.
Trotzdem: diese "Revolution" macht dem "Mythos auf zwei
Rädern" keinen Abbruch. |
Die erste Einzylinder-Maschine
funktionierte nach dem französischen "De-Dion-Prinzip". Das
gleiche System wurde 1907 in den neu entwickelten 810 ccm V-Motor
übernommen. Das Einlassventil war ein sogenanntes
"Schnüffelventil", das stehende Auslassventil wurde direkt
von einer untenliegenden Nockenwelle gesteuert. Ausgestattet mit diesem
Triebwerk kam 1909 das "Modell 5-D" auf den Markt, es wurden
aber nur rund zwei Dutzend Maschinen in diesem Jahr gebaut.
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(Foto: Werk) |
Der Rahmen der ersten
Harley-V2-Generation zeigt genau wie in der Einzylinder-Baureihe noch eine starke Verwandtschaft mit dem
Fahrrad. Er hatte aber schon eine Schwing-Vorderradgabel, dafür war das
Hinterrad ungefedert. Auf eine Vorderradbremse verzichtete man, damalige
Fachleute waren sogar der Meinung, eine Bremse fürs Vorderrad sei für
den Fahrer viel zu gefährlich.
Der gut 7 PS starke V-Motor transportierte seine Leistung ohne Kupplung
und Getriebe direkt über einen Riemen ans Hinterrad. Streikte er,
konnte der Fahrer allerdings in die Pedalen treten und per pedes nach
Hause radeln.
Erste Harley-Davidson von
1903
(Foto: Werk) |
Erste Harley-Davidson
"Model 5-D" mit V-Motor 1909
(Foto: Werk)
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"i.o.e. Steuerung"
(Foto: Werk) |
Für bessere Leistung erhielt der
V-Motor ab 1911 die sogenannte "i.o.e"-Steuerung - "inlet
over exhaust", Einlass- über Auslass-Steuerung oder auch als
Wechselsteuerung bezeichnet. Neu bei dieser Viertaktsteuerung war die
mechanische Betätigung des Einlassventils über die untenliegende
Nockenwelle, Stößelstange und Kipphebel; das stehende Auslassventil
wurde weiterhin direkt von der untenliegenden Nockenwelle aktiviert.
Bereits 1912 erhöhten die HD-Techniker den Hubraum von 810 ccm auf 1000
ccm. Der "i.o.e."-Steuerung blieb Harley-Davidson beim 1000er
Motor mit 11 PS bis 1936 treu, der 24 PS kräftige 1200er V-Motor war
von 1922 bis 1930 damit ausgestattet. |
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Fahrwerksmäßig war die
Harley-Davidson inzwischen ein ausgewachsenes Motorrad geworden. Der
stabile Einrohrrahmen war seitenwagentauglich, die Springergabel sorgte
für Fahrkomfort, Vorder- und Hinterrad-Trommelbremsen für
Fahrsicherheit. Wozu man sich noch nicht durchringen wollte, war eine
Hinterradfederung. Wieder waren es die Experten, die aus
Sicherheitsgründen davon abrieten. Zum Standard gehörten bald
Kupplung, handgeschaltetes Dreiganggetriebe und Kettenantrieb zum
Hinterrad. |
(Foto: Werk)
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"Flathead"
(Foto: Werk)
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1929 brachte das
Werk eine neue 750er mit s.v.-Motor auf den Markt. Die "s.v.-Steuerung",
"side valves", seitliche Ventile oder auch Seitensteuerung
genannt, erfolgte über vier untenliegende Nockenwellen, auf denen
direkt die Ventile standen. Die eigenwillig aussehenden Zylinderköpfe
gaben der Maschine den Spitznamen "Flathead".
Nach dem Motto "Hubraum ist durch nichts zu ersetzen" gab es
den Flathead-Motor ab 1930 bis 1952 mit 1200 ccm und ab 1936 bis 1944
sogar mit 1340 ccm. Der 750er s.v.-"Small-Block" blieb als
Triebwerk für das Servi-Car, ein Vorläufer heutiger Trikes, bis 1974
im Programm. |
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Beim Rahmen konnte man fast schon
von Tradition reden. Weiterhin nahm der Einrohrrahmen das V-Triebwerk
auf. Vorne vertraute man auf die bewährte Springergabel, hinten auf das
"hard tail", das ungefederte Hinterrad. Fürs Anhalten waren
vorne und hinten Halbnaben-Trommelbremsen zuständig. Typisch für
Harley war der bequeme Schwingsattel, die breite Lenkstange, die
Trittbretter sowie die mächtigen Kotflügel.
Auf Nummer Sicher gingen die HD-Techniker beim 1340er Big-Twin. Dem 34
PS starken Boliden spendierte man einen Doppelschleifenrahmen. |
"Knucklehead"
(Foto: Werk)
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1936 kam das "Modell E" auf
den Markt. Der 1000er V-Motor hatte nun eine "o.h.v.-Steuerung",
"overhead valves" - obenhängende Ventile. Die Betätigung der
Ventile erfolgte über eine untenliegende Nockenwelle, Stößelstangen
und Kipphebel. Da die Zylinderköpfe zwei geballten Fäusten ähnelten,
nannten die HD-Fans den Motor bald "Knucklehead".
Die 1000er Knucklehead mit 40 PS gab es bis 1948, das 48 PS starke
1200er Modell wurde von 1941 bis 1948 gebaut.
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So revolutionär der neue ohv-Motor für
Harley-Davidson nun auch war, beim Fahrwerk dachte man sich dagegen
nichts Besonderes aus. Da die "Big Twin Flathead" weiterhin
vom Fließband lief, steckte man das ohv-Triebwerk einfach in das
vorhandene Chassis.
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"Panhead"
(Foto: Werk)
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Zwölf Jahre nach Einführung der
Knucklehead-Modelle wurde 1948 der o.h.v.-Motor gründlich überarbeitet
und bekam im gleichen Arbeitsgang Zylinderköpfe mit neuen
Ventildeckeln. Diese pfannenähnlichen Abdeckungen brachten dem Big-Twin
die Bezeichnung "Panhead" ein. Die 1000er
Panhead wurde von 1948 bis 1952 und die 1200er Panhead mit beachtlichen
50 PS von 1948 bis 1965 produziert. Ab 1953 war der Motor mit
hydraulischem Ventilspielausgleich ausgestattet. Das regelmäßige
Einstellen des Ventilspiels war ab sofort nicht mehr nötig.
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Zum Fahrwerk gibt es nicht viel zu
sagen, nur: "es lebe die Tradition". Alles blieb beim Alten.
Bis 1949. Ab diesem Jahr verbaute die "Motor Company" in der
Panhead erstmalig eine hydraulisch gedämpfte Vorderradgabel. Der
offizielle Name für das nun 60 PS starke Big-Bike lautete daher "Hydra-Glide".
1958 erfuhr das Fahrwerk eine grundlegende Verbesserung. Ab diesem
Baujahr sorgte eine Hinterrad-Schwinge mit zwei hydraulisch gedämpften
Federbeinen für Fahrsicherheit und Fahrkomfort. Das Bike hießt nun "Duo-Glide".
Als 1965 neben dem Kickstarter auch ein moderner E-Starter - das
Bordnetz leistete nun 12 Volt - das Anlassen ermöglichte, änderte sich
die Modellbezeichnung in "Electra Glide".
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Panhead von 1948 mit
Springergabel und Starrrahmen |
Panhead "Hydra-Glide" ab 1949 mit Telegabel,
aber weiterhin mit Starrrahmen
(Foto: Werk) |
Panhead "Duo-Glide" ab
1958 mit Hinterradschwinge
und Panhead "Electra Glide"
ab 1965 mit E-Starter
(Foto: Werk) |
... und mit Abstand die berühmteste Panhead von "Captain America" aus Easy
Rider...
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"Shovelhead"
(Foto: Werk)
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Mitte der Sechziger schrien die Biker
lauthals nach "more Power" und "more Speed". Der
1200er o.h.v.-Panhead-Motor wurde kräftig überarbeitet. Optisch ist
das modifizierte V-Triebwerk ab 1966 an seinen neuen Zylinderköpfen zu
erkennen, die ihm den Spitznamen "Shovelhead"
einbrachten. Die Shovelhead gab es erst mit 1200 ccm und ab 1980 bis
1983 mit 65 PS und 1340 ccm Hubraum.
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Beim
Fahrwerk blieb man, dank Baukastensystem, beim Altbekannten. Auf eine
Verbesserung muss allerdings hingewiesen werden, ab Anfang der 70er
Jahre spendierte man den Bikes Scheibenbremsen.
Ein Meilenstein im Motorradbau wurde 1980 die 1340er Shovelhead Sturgis.
Als weltweit erstes Großserienmotorrad hatte das 65 PS starke Bike
einen Zahnriemen (Belt Drive) für den Hinterradantrieb.
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"Evolution - Generation"
(Foto: Werk)
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Das Jahr 1984 sollte bei
Harley-Davidson in die Geschichte eingehen. Low Glide, Sport Glide,
Electra Glide und Tour Glide Classic erhielten das neue "Evolution-Triebwerk"
mit Fünfganggetriebe.
Die eigentliche Sensation war allerdings die Softail. Ein echter Chopper
mit langer Gabel, vorverlegten Fußrasten und der Optik eines starren
Rahmens. In Wirklichkeit war die Dreiecksschwinge jedoch gefedert, zwei
Federbeine lagen flach unter dem Motorblock. Für den Antrieb sorgte
ebenfalls der neue, aber ohne die vibrationsmindernden Gummielemente
ausgestattete, direkt im Doppelrohrrahmen verschraubte, "Evo-Motor"
mit Vierganggetriebe.
Das komplett überarbeitete und nach modernsten Erkenntnissen gefertigte
"Evolution-Engine" setzte neue Maßstäbe, ohne aber von dem
seit 1909 bestehenden Erscheinungsbild und den "technischen
Eckdaten" abzuweichen: luftgekühlter 45-Grad-V-Motor, zwei Ventile
pro Zylinder, eine untenliegende Nockenwelle und angeblocktes Getriebe.
Mit Einführung dieses Triebwerkes begann die "Evo-Generation".
Die Leistung lag bei Einhaltung der neuesten gesetzlichen Geräusch- und
Abgasvorschriften bei gesunden 56 PS. |
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Meilenstein in der
HD-Geschichte: 1984 kam die Softail mit Evo-Motor auf den Markt
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"Twin Cam 88 B"
(Foto: Werk)
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Grundlegende Veränderungen
finden in der HD Motor Company bekanntlich nur alle Jubeljahre statt.
1984 kam das "Evo-Triebwerk", 2000 der neue "Twin
Cam 88 B-Motor" als logische Weiterentwicklung
in der Evo-Generation. Herausragende Änderungen waren ein neues
Motorgehäuse mit zwei Ausgleichswellen, zwei untenliegenden
Nockenwellen und integriertem Fünfganggetriebe. Der Hubraum wuchs von
1340 auf 1449 ccm, die Leistung von 56 auf 63 PS. |
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"V-Rod"
Revolution Engine
60-Grad-dohc-Motor
(Foto: Werk)
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Die Entwicklung erfolgte unter
strengster Geheimhaltung, keiner erfuhr etwas. Bis Harley-Davidson Mitte
2001 der Welt die brandneue "V-Rod"
präsentierte. Mit so einem Bike hatte keiner gerechnet. Ein Power
Cruiser mit 117-PS-Sportmotor, der Können und Leistung bereits
nachhaltig in der "VR 1000 Superbike" Rennmaschine bewiesen
hatte. Der 1130 ccm wassergekühlte
60-Grad-dohc-Vierventile-V-2-Motor war für eine Harley-Straßenmaschine
so neu, dass die Motor Company ihn "Revolution Engine"
nannte, und über die „V-Rod" verkündete das Werk stolz: Wir
haben Metall in nie zuvor gesehene Form gebracht.
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Die Küken im V-Progamm
"K - Modell", "Sportster"
und "Evo-Sportster"
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A us der 750er s.v.-Baureihe entstand 1952 das "K
Modell". Das neue 750er Triebwerk hatte einen kompakten
Motorblock, in dem Kurbelwelle, Primärantrieb, Kupplung und
Vierganggetriebe untergebracht waren. Die "s.v.-Motorsteuerung"
erfolgte über vier untenliegende, zahnradgetriebene Nockenwellen und
stehende Ventile. 1954 vergrößerte Harley-Davidson den Hubraum des
s.v-Motors auf 900 ccm. Nach mäßigem Verkaufserfolg brachte die Motor
Company 1957 die neuen XL Sportster 883 mit "o.h.v.-Motor" auf
den Markt. Für die Motorsteuerung waren weiter vier untenliegende
Nockenwellen zuständig, die Betätigung der nun im Zylinderkopf
hängenden Ventile erfolgte aber über Stößelstangen und Kipphebel. Ab
1986 wurde auch die Sportster-Baureihe mit dem neuen Evolution-Motor
ausgestattet.
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HD-Star: Elvis Presley hier 1956
auf seiner 883 Flathead-Sportster
(Foto: Werk) |
1952 brachte Harley-Davidson die
erste Sportster, das "K
Modell" auf den Markt
(Foto: Werk) |
Shovelhead-Sportster XR 1000 von
1983 |
Sportster Hugger 883 mit Evo-Motor
von 1991
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