Harley-Davidson Lifestyle |
Eigentlich sind Harleys dick und
fett.
Zum Rennenfahren taugen Text&Fotos: Winni Scheibe |
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Das Klischee sitzt tief. Harleys symbolisieren das "American Way of Life" Feeling, sozusagen Easy Rider pur. Besonders die Big-Twins. Der dicke V-Motor böllert wie ein Mississippidampfer, und ganz gleich wo man rumfährt, die "Route 66" ist in greifbarer Nähe. Im Harley-Programm gibt es allerdings auch Sportmodelle: Die Sportster mit 883 und 1200 Kubik. Doch gegen die Superbikes vom Schlag Kawasaki ZX-10R, Yamaha R1 oder Ducati 999R sehen die Kampfrösser aus dem Amiland alt aus. Verdammt alt sogar. Einen Blumentopf lässt sich mit ihnen wohl kaum gewinnen. Aber das sollen sie ja auch gar nicht. Sportlichkeit wird in den USA, oder genauer gesagt bei der Harley-Davidson Motor Company sowieso ganz anders geschrieben. Und somit wäre das Thema Power, Speed und Aktion "Made by Harley" auch schon abgeschlossen. Aber schon hört man laute Schreie aus der Manege. Ganz entsetzt ruft die Knieschleiferfraktion: und was ist mit Buell? Ist der Brenner etwa kein echter Sportler? Sicherlich, doch das ist wiederum ein ganz anderer Film. |
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Der Streifen, den wir uns inbrünstig ansehen wollen, wurde in Salzgitter gedreht. Regie führten Paul Stanick und Klaus Heller, der Hauptdarsteller ist eine Renn-Harley und der Titel lautet: "XR 1200". Das XR steht eigentlich für die Werksrennmaschinen aus Milwaukee, doch damit hat der Brenner aus Niedersachsen nicht die Bohne gemein - auch wenn er so aussieht, vielleicht sogar noch etwas besser. Was würde wohl Willie G. zu der "Art of racing" sagen? Sofort alle Rechte aufkaufen und eine Kleinserie auflegen? Eine spannende Frage. Ob es aber je so weit kommen wird, steht in den Sternen und solange bläst Paul Stanick mit seinem Hammer über diverse Rennstrecken in Zeltweg, Assen, Oschersleben oder sonstwo. Denn das hat seinen berechtigten Grund: "Auf öffentlichen Straßen rumheizen ist mir einfach zu gefährlich", gibt der Hobby-Racer unumwunden zu, fügt aber gleich hinzu, "da ich aber immer noch gern kräftig am Gasgriff drehe, kommen für mich eben nur noch Rennstrecken in Frage." |
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Pistenspaß hatte Paul Stanick zuletzt im "German Harley Cup". Mit der 883 Rennsportster vom Harley-Davidson Händler in Braunschweig kam er in der Schlusswertung 1995 auf den 7. und 1996 auf den 11. Platz. In seiner Freizeit bewegte der Harley-Fan seit 1992 eine 883 Sportster und genau aus diesem Exemplar entstand besagte XR 1200. "Die Idee eine reinrassige Harley-Rennmaschine zu bauen, hegte ich schon vor Jahren. Aber erst als der Harley-Cup Ende 1996 wieder eingestellt wurde, gab es für mich fast gar keine andere Wahl als dieses Vorhaben nun doch endlich zu verwirklichen", verrät Paul Stanick. |
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Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Aber noch viel mehr. Noch nie sah eine Renn-Harley so gut aus, handwerklich eine wahre Meisterleistung. Wer anderer Meinung ist, möge es bitteschön erst einmal besser machen. Das Bike wirkt klein und zierlich, nichts steht hervor, keine Ecken und Kanten stören das harmonische Bild. Die GFK-Verkleidung schmiegt sich eng um das Triebwerk, passgenau und wie aus "einer Form" verlaufen die Übergänge zum bananenförmigen Alu-Tank. Von hinten betrachtet sticht die schlanke Wespentaille ins Auge, ein bündiger Knieschluss ist vorgegeben, so etwas gibt es bei keiner anderen Harley. Hinter der Verkleidung klitzeklein machen, das ist es, worauf es bei einer Rennmaschine ankommt. Käme die Maschine von Ducati, würde man sofort begeistert "bella Italia" rufen. Ganz und gar nicht italienisch wirkt dagegen das unter dem Rennhöcker linksseitig herauslugende faustdicke Megaphonrohr. Diese Ausführung könnte wiederum direkt aus der Rennabteilung von Harley-Davidson stammen. Auch die Kastenschwinge mit den beiden schräg angestellten White-Power Federbeinen, sowie die Speichenräder gehören im Prinzip in die Zeit, als hang-off und Slickreifen noch Fremdwörter waren. Doch das ist von den beiden Erbauern bewusst so gewollt. Schließlich will Paul Stanick die XR 1200 im "BOT Classic-Racing" einsetzen. Und damit sie in der "Ducati und Co."-Liga nicht allzu "obsolete" aussieht, haben die Edelschrauber dem Motor und Fahrwerk mächtig auf die Sprünge geholfen. |
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Dass die Harley-Kraftwerke keine hochgezüchteten Drehorgeln sind, ist hinreichend bekannt. Und dass Hubraum durch nichts zu ersetzen ist, weiß schließlich auch jeder. Was lag also näher, als 95 mm dicke Wiseco-Kolben mit den dazugehörigen Alu-Zylindern zu montieren. Bei gleichbleibendem Hub von 96,8 mm resultieren daraus beachtliche 1340 Kubikzentimeter Hubraum, soviel wie die Harley Big-Twins haben. Zum richtigen Motor-Tuning gehört jedoch noch einiges mehr. Und so wurde der Kurbeltrieb um vier (!) Kilogramm erleichtert, mit sündhaft teuren Carrillo-Pleueln bestückt und abschließend feingewuchtet. Ebenfalls viel Fleißarbeit steckt in den Zylinderköpfen. Die Kanäle sind überarbeitet, Ventilsitze penibel angepasst. Auf der Einlassseite sorgt ein Mikuni-Flachschiebervergaser mit 42 mm Durchmesser für eine füllige Aufbereitung des Kraftstoff-Luftgemisches, die Entsorgung der Abgase übernimmt eine selbstgebogene und zusammengeschweißte, entgratete und verputzte Edelstahl-Auspuffanlage. Verantwortlich für die verschlungene Führung des Rohrwerkes ist Klaus Heller, der, so Paul Stanick, wie kein anderer für solche Arbeiten "goldene Hände" hat. Gleiche Fähigkeiten zeigen sich auch bei der Ausführung der 4,5 Liter fassenden Ölwanne aus 2 mm starkem Alublech. Der exakt in die unteren Rahmenrohre eingepasste großzügig verrippte Vorratsbehälter ist eine Augenweide schlechthin. Um das getunte Triebwerk möglichst von vielen überflüssigen Pfunden zu befreien blieben beim Zusammenbau des Motors Lichtmaschine und Anlasser im Regal liegen. Lohn aller Mühen: 106 PS bei kommoden 6500/min drückt das Hinterrad auf die Prüfstandsrolle. |
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