Harley-Davidson Lifestyle |
Mit einer
Harley-Davidson verreisen, ist das eine. Text: Winni Scheibe |
|
|
|
Zeit
ist relativ, keine Frage. Für Leute die eine Harley-Davidson fahren,
sowieso. Keiner käme je auf die Idee, mal schnell irgendwo hinzufahren.
Bekanntlich ist in diesen erlauchten Kreisen der Weg das Ziel und das
braucht Zeit. So weit, so gut. Und trotzdem. Es gibt aber tatsächlich
Harley-Treiber, denen kann es einfach nicht schnell genug gehen.
Falscher Film? Mit nichten. Im Dragster-Rennsport dreht sich
schließlich alles um Sekunden, und wenn es um die Wurst geht, sogar um
Tausendstelsekunden. Die Fahrstrecke lässt sich bequem zu Fuß abgehen,
sie ist entweder eine 1/8 Meile oder eine ¼ Meile lang. Mit den
Sprintflitzern dauert der 200-Meter-Spuk dafür gerademal 6,484
Sekunden, für die 400-Meter-Strecke werden 10,080 Sekunden benötigt.
Das sind jedenfalls die Rekordzeiten von Harley-Davidson Speed-Man
Martin Hüning. Und weil der schnelle Dragsterpilot in der Saison 2003
eine Klasse für sich war, kann er sich gleich als dreifacher Champion
feiern lassen. Der Berliner gewann das Deutsche Dragracing Masters vom
DMV, die All-Harley-Drags Clubmeisterschaft des E.D.B.A. e.V. (European
Drag Bike Association e.V.) und die Street Twins Meisterschaft in
Holland. |
|
Eigentlich
bin ich bereits seit fast 10 Jahren vom Dragsterbazillus befallen. 1994
habe ich zum ersten Mal mit meiner Sportster beim All-Harley-Drags
Rennen auf dem Nürburgring teilgenommen und habe gleich den 3. Platz
belegt", verrät der sympathische Champion. Die Ausbildung zum
Unfallchirurgen sowie die Familienplanung hat in den nächsten Jahren
das neue Hobby, von einigen spontanen Auftritten einmal abgesehen,
zunächst jedoch auf Eis gelegt. Dafür gings dann aber 2002 richtig
los. In der DMV Dragracing Street Harley Klasse wurde er auf Anhieb
Deutscher Vize-Meister, in der All-Harley-Drags Serie kam er in der
Endabrechnung auf den 6. Platz, dazu gab es die Auszeichnung
"schnellster Newcomer 2002" und 2003 wurden in der Klasse
"Street Harley" erstmalig alle drei zu vergebenden Titel von
Martin Hüning gewonnen. |
|
|
|
Die
Dragsterszene wird bei uns in drei Kategorien unterteilt: in die so
genannte seriennahe Klasse "Street Harley", die "Modified
Harley", und die "Super Twin Top Gas", die als
Königsklasse gilt. Bei den "Modified Harley" und den
"Super Twin Top Gas", hier tauchen auch präparierte Ducatis
sowie spektakuläre Eigenbau-Twins auf, darf getunt werden, bis die
Heide wackelt. Bei diesen Dragstern handelt es sich um reinrassige
Rennmaschinen. Sie sind lang und flach, haben Kraft ohne Ende und einen
dicken Hinterradschlappen, um die Power überhaupt auf den Asphalt zu
bringen. |
|
|
|
|
|
|
|
In
der Praxis bedeutet das aber, dass wir unsere Dragster schon lange nicht
mehr auf der Straße fahren. Wenn sie einmal für die Rennerei umgebaut
sind, ist der Aufwand, sie danach jedesmal für den Straßenbetrieb
wieder zurück zu rüsten, einfach viel zu groß", lässt
Teamkollege Stefan Graff, Tuner und als Champion 2001 selbst ein sehr
erfolgreicher Dragsterpilot, wissen und fügt hinzu, "im Wettbewerb
dürfen wir mit Rennauspuff und offenem Vergaser, ohne Blinklichtanlage,
Rücklicht und hinterer Radabdeckung an den Start gehen. Für die
Reduzierung des Fahrzeuggewichtes, werden entsprechend des Reglements,
alle überflüssigen Bauteile entfernt. Das gilt auch für den
Hauptständer und so stehen unsere Bikes genau wie die
Straßenrennmaschinen im GP-Fahrerlager auf Schnellständern. Es wird
mit tankstellenüblichem Super Plus Kraftstoff gefahren, und wenn
während der Saison nichts Außergewöhnliches passiert, sind außer den
routinemäßigen Inspektionen und dem Wechsel des speziellen
Dragster-Hinterradreifens keine nennenswerten Arbeiten
erforderlich." |
|
Der
Aufbau von meiner Street Harley hat mich etwa 20.000 Euro gekostet,
hinzu kommen rund 3000 Euro Reisekosten und das Renngeld für die
insgesamt sechs Rennen, die ich in der vergangenen Saison gefahren
bin", verrät Martin Hüning. Viel Leidenschaft ist also nötig
für einen faszinierenden Sport in dem sich die Jagd nach Sponsoren fast
ebenso schwierig gestaltet wie die Fahrt auf dem Drag-strip. |
|
|
|
|
|
Abschlussveranstaltung und Siegerehrung der Dragster-Saison 2003 fand am Wochenende 17. bis 19. Oktober bei der Custom Performance-Messe in Bad Salzuflen statt. Alles, was Rang und Namen hatte, war da. Man stellte die Dragster aus, die Piloten standen für jegliche Fragen Rede und Antwort, es wurden Autogramme geschrieben und es gab hinter den Messehallen auf einem Parkplatz Aktionen mit Show-Vorführungen der blitzschnellen Flacheisen. |
|
|
|
![]() |
![]() |
Für
einen Proberitt auf seiner Street Harley Siegermaschine lud mich
Champion Martin Hüning ein. Ein Angebot, das man sich nicht zwei mal
machen lässt und eine Erfahrung, die mir in meiner langjährigen Praxis
als Motorradtester noch fehlte. Bevor es aber losging, erzählte mir
Martin Hüning von seinem Faible für den Dragster-Rennsport. |
|
Als
erstes fährt man gegen sich ganz alleine und gegen die Uhr. Beim
Dragstersport entscheidet schon der Start über Sieg oder Niederlage.
Der Start erfolgt über eine Ampelanlage. Wer voreilig bei Gelb
losfährt, hat sich mit diesem Fehlstart bereits eine Disqualifikation
eingebrockt. Die Kunst des Dragster-Starts ist exakt bei Grün
loszufahren. Wir sprechen hier von der Reaktionszeit, die bei guten
Piloten bei etwa einer 1/10 Sekunde liegt, im Idealfall aber bei
"O" Sekunden, dem sogenannten "hole-shot", liegen
sollte. Nach 60 Fuss (18 Metern) steht eine Lichtschranke, die die Zeit
vom Start bis zu diesem Punkt misst. Hier liegen die Topwerte zwischen
1,4 bis 1,5 Sekunden. Wer 2 Sekunden braucht, weiß sofort, dass er den
Start noch fleißig üben muss. Die Balance aus der richtigen
Startdrehzahl, dem Kupplung lösen und dem tatsächlichen Losschießen,
nichts Anderes ist die brutale Beschleunigung, erfordert ein enormes
Feingefühl. Mit Hauruck und brachial durchdrehenden Reifen verschenkt
man nur wertvolle Zeit und kommt nicht vom Fleck. Erst wenn man den
Start beherrscht, kommt der Sprint über die 1/8 Meile oder ¼ Meile,
was dann aber schon von ganz alleine gehen sollte. Das ist die erste
Herausforderung im Dragstersport. Als zweites kommt das Rennen gegen den
Gegner, und hier zählt alleine wer als erster ins Ziel kommt. Trotz
dieses Wettbewerbs begeistert mich immer wieder die ehrliche
Kameradschaft unter den Piloten und die freundschaftliche Atmosphäre im
Fahrerlager", doziert der Champion. |
|
|
|
Nach
diesen Ausführungen darf ich ran. Längst habe ich begriffen, dass die
Burn-outs vor dem Start keine Showeinlagen zur Belustigung fürs
Publikum sind, sondern zum Aufwärmen des Hinterradreifens dienen. Erst
bei einer Betriebstemperatur von etwa 80 Grad hat das Gummi echten Grip
auf dem Asphalt und kann dann auch nur so die gewaltige Motorkraft in
Beschleunigung umsetzen. Artig lasse ich also das Gummi glühen, lasse
den Dragster immer mal etwas vorrollen und freunde mich mit dem
spielerischen Handling der Street Harley an. |
|
|
|
Dann darf ich den ersten Start versuchen. Die Ampel ist mir schnurz, schließlich geht es für mich um nichts. Der erste Gang liegt oben, ich konzentriere mich aufs Gasgeben, den Blick auf den Drehzahlmesser und 5000 Umdrehung gerichtet und dann kommt das Kupplungloslassen. Wisch! Ich schieße nach vorne, mit durchdrehenden Reifen und denke trotzdem, mich hat ein Elefant getreten. Eine Kritik muss ich mir aber gleich gefallen lassen: Kupplung zu schnell losgelassen, länger schleifen lassen. Aber bitte schön, wie lange? Ich versuche es ein zweites Mal. Erster Gang, Gas, Drehzahl bei 5000 und schwupp, Kupplung los. Unvorstellbar wie der Apparat losschießt, dabei habe ich gerade mal 150 Meter auf dem Parkplatz zum Ausprobieren. Selbst im dritten Gang dreht das Hinterrad noch wie verrückt durch, der Motor hat Power ohne Ende. Nach dem vierten Versuch klappt es mit der Kupplung rutschenlassen schon besser, vom Optimum bin ich aber noch Lichtjahre entfernt. Sollte ja auch nur ein Schnupperkurs sein, und jedem vertraut Martin Hüning seine Street Harley ja auch nicht an. Vielen Dank Champion, es hat riesigen Spaß gemacht. |
|
|
|
Motor:
Harley-Davidson Sportster Baujahr 1993, Modifizierter Sportster-Rahmen mit Yamaha
RD350 Telegabel und Eigenbau Stahl-Schwinge; vorne
Dreispeichen-Gußfelge 3.00-17, Bereifung 100/90-17; hinten
Dreispeichen-Gußfelge 6.00x17, Bereifung 190/50x17; vorne und hinten je
eine Scheibenbremse; Sportster Benzintank, modifiziert von Stefan Graff;
Custom-Sitzhöcker
|
|
Harley-Davidson
Dragracing Street Harley "Thunderbutt" Saison 2003 Besitzer und Fahrer: Martin Hüning Tuner und Rennmechaniker: Stefan Graff Rennergebnisse 2003 Lelystadt (Expl. * ) 3. Platz Oschersleben (AHD ** / Expl.) 1. Platz Drachten-1 (AHD/ Expl.) 1. Platz Drachten-2 (AHD/ Expl.) 1. Platz Drachten-3 (AHD/ Expl.) Halbfinale, Regenabbruch Oschersleben (AHD/ DMV ***) 2. Platz * Expl. = Explosion/Holland ** AHD = All-Harley-Drags Champion Deutsches Dragracing Masters
(DMV) |