Motorrad-Marken


DIE BUELL TECHNIK IM DETAIL
Modelljahr 2005
Quelle: Buell



Bei der Konzeption der XB Baureihe beschritt Buell einmal mehr eigene Wege. „Alles wurde in Frage gestellt," erläutert Firmengründer Erik Buell, „vom Benzintank bis hin zur Bremsscheibe." Wohl keine andere Neuvorstellung der letzten Jahre wartete mit einer größeren Vielzahl von technischen Individuallösungen auf.


Motor, Getriebe und Kupplung



Das Herz der XB Typen ist der Buell V-Twin, eine Neukonstruktion, die ihr Debüt im Jahr 2002 feierte. Zu den Hauptzielen der Buell Ingenieure zählten ein hohes Drehmoment über einen breiten Drehzahlbereich, eine perfekt beherrschbare Leistungsentfaltung und eine gute Drehfreudigkeit. 
Für das Modelljahr 2005 wird das Kraftwerk in zwei Hubraumvarianten – mit 984 cm³ und mit 1.203 cm³ – hergestellt.  Die Version mit 984 cm³ ist der neuen Lightning CityX XB9SX vorbehalten. Das Triebwerk entwickelt eine Leistung von 84 PS (61,9 kW) bei 7.400 U/min und ein maximales Drehmoment von 86 Nm bei 5.600 U/min.  Der 1.203 cm³ große Motor treibt die Modelle Lightning XB12S und Firebolt XB12R an. Er leistet 101 PS (74,6 kW) bei 6.600 U/min und entwickelt ein maximales Drehmoment von 110 Nm bei 6.000 U/min. 
Die substantiellen Konstruktionsmerkmale sind bei beiden Motorvarianten identisch. Es handelt sich um luftgekühlte Zweizylinder-Viertakt-V-Twins mit 45 Grad Zylinderwinkel. Vier untenliegende Nockenwellen steuern über Stößelstangen zwei über Kipphebel betätigte Ventile pro Zylinder. Der Ventilspielausgleich erfolgt automatisch über Hydrostößel. 
Eine leichte Kurbelwelle, leichte Kolben, Kolbenringe und ebenso kräftige wie leichte Pleuel tragen zur Drehfreude und Drehzahlfestigkeit der Buell Motoren bei. Schlanke Ventilschäfte und besonders leichte Ventilfedern tun ein Übriges. Um ein hohes Drehmoment über einen möglichst breiten Drehzahlbereich  zu erzielen, entwickelten die Buell Ingenieure ein verlustarmes Ansaugsystem und sorgten für dessen optimale Abstimmung mit der Auspuffanlage. Daraus resultierten spezielle Zylinderkopfformen mit erhöhtem Gasdurchsatz und Nockenwellenprofile mit geringer Ventilüberschneidung, die eine optimale Kraftentfaltung im mittleren Drehzahlbereich sicherstellen.


Buell-Auspuffsystem

Die Buell Triebwerke werden von einer elektronischen Einspritzanlage (Buell Dynamic Digital Fuel Injection DDFI) gespeist, die ein Maximum an Laufruhe und Drehmoment sicher stellt. Das System überwacht kontinuierlich die Betriebsbedingungen innerhalb und außerhalb des V2. Berücksichtigt werden Gemischzusammensetzung, Luftdruck, Luftfeuchtigkeit, Luft- und Motortemperatur sowie Abgaswerte. 
Zu den erwähnenswerten elektrischen Features der Buell Motoren zählt außerdem der Dreiphasen-„Trident"-Drehstromgenerator, der eine hohe Lichtmaschinenleistung bei minimaler Schwungmasse liefert. 
Die Buell XB Motoren verfügen über eine Trockensumpfschmierung mit einem in die Schwinge integrierten Ölvorrat von 2,4 Litern. Ein Membranventil führt überschüssiges Öl aus dem Zylinderkopf ab, um einen Öleintritt in die Luftfiltereinheit zu verhindern. Zudem verfügt der Motor serienmäßig über einen Ölkühler, eine im Windkanal entwickelte Kühlluft-Strömungsführung und eine effiziente Zwangsbelüftung mit thermostatisch geregeltem Hochleistungs-Kühlgebläse für den hinteren Zylinder. Ab einem bestimmten Öldruck wird zur zusätzlichen Kühlung Öl unter die Kolbenböden gespritzt. Ferner bürgen großzügig dimensionierte Kühlrippen an Zylindern und Zylinderköpfen für einen gesunden Temperaturhaushalt. 
Dank der Unterbringung des Tanks im Rahmen steht der gesamte Raum oberhalb des Motors für das Ansaugsystem – eine große Airbox mit High Flow Luftfilterelement – zur Verfügung. Die Gemischführung erfolgt über Fallstrom und eine Staudruckaufladung, welche die Luftzufuhr und damit die Kraftentfaltung bei hohen Geschwindigkeiten steigert. 
Zugunsten eines tiefen Schwerpunkts und zugunsten der Zentralisierung der Massen ordnete Buell den Schalldämpfer unter dem Motor an. Um ein Maximum an Leistung zu erzielen, ist er besonders voluminös ausgelegt. Seine computerberechneten, versetzten Krümmerrohrlängen steigern das Drehmoment und die Kraftentfaltung im mittleren Drehzahlbereich. 
Alle Buell Modelle verfügen über eine schwingungsgedämpfte Kupplung, die präzise Schaltvorgänge und eine gute Traktion sicherstellt und die dank geringer Federkraftbelastung den Kraftaufwand zur Betätigung des Kupplungshebels reduziert. Über das Fünfganggetriebe mit leichtgewichtigem Schaltmechanismus und den kevlarverstärkten Zahnriemen wird die Kraft auf das Hinterrad übertragen. Der Sekundärantrieb mittels Zahnriemen erwies sich als ideale Lösung zwischen dem Kardan mit seinen Lastwechselreaktionen und seiner gewichtsintensiven Klobigkeit einerseits und der schmutzigen sowie wartungsintensiven Kette andererseits. Er arbeitet nicht nur ausgesprochen leise, er benötigt auch keinerlei Wartung. In Kombination mit der gegossenen Antriebsriemenscheibe trägt er zur deutlichen Senkung der ungefederten Massen am Hinterrad bei. 
Bei der Lightning CityX misst der Sekundärantriebsriemen wie bei den XB12 Typen 14 Millimeter in der Breite. Jeder einzelne der 12 Gewebestränge des Riemens wäre ohne weiteres imstande, eine Zugbelastung von mehr als 300 Kilogramm zu verkraften. Der Buell Zahnriemen ist für eine extrem hohe Laufleistung ausgelegt und kostet nicht mehr als eine hochwertige O-Ring-Kette. Dank der praxisorientierten Rahmenkonstruktion ist er bei Bedarf leicht zu wechseln. 
Bei allen XB Modellen ist der Buell Zahnriemenantrieb mit einer intelligent positionierten Spannrolle ausgestattet, die unabhängig von der Bewegung der Schwinge eine konstante Spannung des Riemens sicherstellt. 
Durch diese neuartige Konfiguration werden die bekannten Vorteile des Zahnriemenantriebs noch gesteigert. Hauptvorteil der neuen Technik ist jedoch der völlige Wegfall von Spiel im Antriebsstrang, was die sehr direkte Umsetzung von Gasbefehlen ermöglicht. Außerdem wird durch die konstante Riemenanlenkung der Einfluss des Sekundärantriebs auf die Hinterradfederung verringert. Ein Nachspannen des Riemens ist weder erforderlich noch vorgesehen, was den Wartungsaufwand, die Anzahl der Teile sowie das Gewicht der Hinterachseinheit deutlich reduziert. 


Konstruktive Unterschiede zwischen XB9 und XB12 Motor



Während sich das mit zahlreichen leichtgewichtigen Bauteilen ausgerüstete und mit 88,9 mm Bohrung und 79,4 mm Hub kurzhubig ausgelegte XB9 Triebwerk großer Beliebtheit bei den Fans einer sehr gleichmäßigen Kraftentfaltung über einen besonders breiten Drehzahlbereich erfreut, ist der 1.200er die erste Wahl für alle Fans von bulliger Kraft aus dem Drehzahlkeller. Der Hubraumzuwachs resultiert aus einer Verlängerung des Hubs auf 96,8 Millimeter. Die Bohrung blieb ebenso unverändert wie die Verdichtung von 10:1. Umfangreiche Computerberechnungen führten zum modifizierten Layout der Kolben und Pleuel, die sowohl mit einer geringen Masse als auch mit einer hohen Verschleißfestigkeit aufwarten. 
Um das nutzbare Drehzahlband zu erweitern, rüsteten die Ingenieure den XB12 Motor mit dem Buell InterActive Exhaust aus. Dabei handelt es sich um eine Drosselklappe im Schalldämpfer, die den Abgasstrom reguliert, um optimale Druckwellen zu erzielen. Sie wird in Abhängigkeit von Motordrehzahl und Drosselklappenstellung mittels eines elektrischen Stellmotors vom Steuergerät aktiviert, damit Drehmomentverlauf und Leistungsabgabe dem jeweiligen Fahrzustand bestmöglich angepasst sind. Bei voll geöffnetem Gasgriff und niedriger Drehzahl gibt die Auslasssteuerung den Querschnitt frei, um den Abgasen möglichst wenig Widerstand entgegenzusetzen und ein schnelles Hochdrehen des Motors zu unterstützen. Bei mittleren Drehzahlen schließt sie den Durchlass, um das Drehmoment zu optimieren, und öffnet ihn wieder bei hohen Drehzahlen, damit die maximale Leistung erzielt wird. Im Zuge dieser Modifikation wuchsen die Durchmesser der Auspuffkrümmer von 38,1 auf 44,5 Millimeter. 
Nicht nur auslass-, sondern auch einlassseitig unterscheiden sich die beiden Hubraumvarianten. So verfügt der 1.000er im Vergleich zum 1.200er über einen schlankeren Ansaugtrichter und einen verringerten Durchmesser des Drosselklappenkörpers. Zudem ist die elektronische Kraftstoffeinspritzung DDFI (Buell Dynamic Digital Fuel Injection) für den Einsatz in den jeweiligen Motoren verschieden kalibriert.  
Unterschiedliche Kupplungsfedern und Sekundärzahnriemen tragen den unterschiedlichen Betriebsbedingungen ebenso Rechnung wie die Primärübersetzung. Statt 1,68:1 wie beim XB9 Motor beträgt sie beim XB12 Triebwerk 1,50:1.


Rahmen, Fahrwerk und Bremsen



Kompakter als in den Buell XB Modellen kann ein großvolumiger V-Twin wohl schwerlich verpackt werden. Das innovative Fahrwerk der Buell Motorräder ist ebenso leicht wie stabil und bietet eine sehr gute Fahrzeugbalance: 52 Prozent des Gewichts lasten auf dem Vorderrad. Die extremen Eckdaten – ein Lenkkopfwinkel von 21 Grad, ein Nachlauf von 83 Millimetern und ein Radstand von 1.320 Millimetern – lassen bereits das enorme Potenzial an Fahrfreude und Agilität erahnen, mit dem eine Buell auf kurvigen Landstraßen aufwartet. 
Doch das Buell Fahrwerk überzeugt keineswegs allein mit extremer Handlichkeit, sondern bietet zudem auch höchste Fahrstabilität. Es ist selbst bei Höchstgeschwindigkeit nicht aus der Ruhe zu bringen und garantiert ein zielgenaues Kurvenverhalten sowie eine beeindruckende Schräglagenfreiheit.





Das XB Fahrwerk wartet mit drei Innovationen auf, die Buell im Jahr 2002 erstmals in einem Serienmotorrad zum Einsatz brachte. Dabei handelt es sich um den in den Leichtmetallrahmen integrierten Kraftstofftank, den in die Hinterradschwinge integrierten Öltank und die 375 Millimeter große Zero Torsional Load (ZTL) Scheibenbremse am Vorderrad.


Multifunktionaler Leichtmetallrahmen


Der multifunktionale Leichtmetallrahmen der Buell XB Baureihe verleiht dem Chassis nicht nur extreme Steifigkeit, sondern dient außerdem zur Unterbringung des Kraftstoffs. Diese ungewöhnliche Konstruktion senkt und zentriert den Schwerpunkt und verringert das Trägheitsmoment um Längs- und Querachse. Das Gewicht des Rahmens ist wesentlich geringer als jenes der herkömmlichen Bauteile, die er ersetzt. 
Alle XB Modelle verfügen über die patentierte Buell Uniplanar Motoraufhängung: kompakte Schwingungsdämpferelemente im vorderen und im hinteren Motorbereich sowie zwei Zugstreben. Dabei erhöht der Motor als mittragendes Teil die Rahmensteifigkeit. Das System sorgt dafür, dass Vibrationen im Fahrbetrieb nahezu vollständig eliminiert werden. 
Das Rahmenheck ist an den Hauptrahmen angeschraubt und kann deshalb bei Bedarf leicht ausgewechselt werden. Seine optimierte Struktur gewährleistet sowohl Steifigkeit als auch geringes Gewicht.


Multifunktionale Leichtmetallschwinge


Ein weiteres innovatives Feature der Buell XB Modelle stellt die multifunktionale Leichtmetallschwinge dar – ein ausgesprochen steifes Bauteil, das an der  Motor-/Getriebeeinheit gelagert ist und zur Stabilität des Fahrwerks beiträgt.  
Von der linken Seite betrachtet, bildet die Schwinge mit dem Rahmen eine durchgehende Linie, die sich vom Lenkkopf bis hin zur hinteren Radachse erstreckt: Form und Funktion gehen eine vollendete Synthese miteinander ein. Die Schwinge dient aber nicht nur der präzisen Führung des Hinterrads, denn zusätzlich wurde der Ölbehälter der Trockensumpfschmierung in sie integriert. Diese konstruktive Maßnahme reduziert die Zahl der Bauteile, das Gesamtgewicht und die Abmessungen des Motorrads, denn sie schafft Raum für eine neue Platzierung anderer Bauteile wie zum Beispiel der Batterie. Ihr Hauptvorteil besteht jedoch in der Zentralisierung der Massen und der weiteren Senkung des Schwerpunkts.


Zero Torsional Load Bremse (ZTL)


Das Vorderrad aller XB Modelle wird von einer innovativen Zero Torsional Load Bremse (ZTL) verzögert. Die gelochte Bremsscheibe misst 375 Millimeter im Durchmesser. Sie ist schwimmend gelagert am äußeren Speichenende unmittelbar an der Felge angebracht. 
Eine kräftige Sechskolbenbremszange greift von innen auf die Bremsscheibe zu. Dank der ungewöhnlichen Anbringung der Scheibe werden die Bremskräfte ohne Umweg über Radnabe und Speichen direkt auf Felge und Reifen übertragen. Dadurch können Radnabe und Speichen deutlich filigraner und leichter ausfallen. Die bei konventionellen Bremssystemen – an der Nabe montierten Bremsscheiben – auf die Speichen einwirkenden Torsionskräfte entfallen. Mithin gewährleistet die Konstruktion hervorragende Verzögerungswerte sowie ausgezeichnete Dosierbarkeit und Rückmeldung an den Fahrer und erlaubt zugleich eine drastische Reduzierung der ungefederten Massen im Bereich des Vorderrads. Das Vorderrad wiegt mit Bremsanlage und Reifen lediglich 10,4 Kilogramm. Das Hinterrad der Buell Modelle wird von einer 240 Millimeter großen Scheibenbremse mit Einkolbenbremssattel verzögert. 
Nicht nur die Vorderradbremsanlage, sondern auch die gesamte Vorderradeinheit wurde im Vergleich zu herkömmlichen Konstruktionen deutlich im Gewicht reduziert. Ein Beispiel dieses minimalistischen Ansatzes ist die Vorderradachskonstruktion, die ein Minimum an Bauteilen umfasst – sie kommt ohne Distanzhalter, Muttern oder Unterlegscheiben aus – zugleich aber ein Maximum an Steifigkeit garantiert. Die geringen ungefederten Massen sorgen dafür, dass der Reifen unter allen Umständen den Kontakt zur Fahrbahn behält, während das niedrige Lenkachsen-Trägheitsmoment eine Schlüsselrolle bei der eindrucksvollen Agilität des Motorrads übernimmt.  
Auch am Hinterrad machen sich die Maßnahmen zur Gewichtsreduzierung und mithin zum Erzielen geringer ungefederter Massen bemerkbar. Die Achsposition wurde dank einer intelligent positionierten Spannrolle fixiert. Letztere stellt die konstante Spannung des Antriebsriemens unabhängig von der Bewegung der Schwinge sicher. Auf herkömmliche federbelastete Spannvorrichtungen konnte deshalb verzichtet werden, und ein Verschieben der Hinterachse und Nachspannen des Antriebsriemens ist weder erforderlich noch vorgesehen – ein Plus an Traktion, Wendigkeit und Wartungsarmut. 

Wie Rahmen, Räder und Bremsanlage wurden auch die Federelemente sorgfältig ausgewählt. Die voll einstellbare Upside-Down-Gabel des renommierten Zulieferers Showa gewährleistet ein Maximum an Verwindungssteifigkeit und sorgt für ein direktes Lenkverhalten bei hohem Komfort und ausgezeichneter Rückmeldung an den Fahrer. Der Standrohrdurchmesser wurde für das Modelljahr 2005 auf 43 mm erhöht. 


Die Hinterradfederung übernimmt ein Showa Zentralfederbein, das zentral in diagonaler Lage zwischen Rahmen und Schwinge montiert ist und damit den auffallend kurzen Radstand der Buell Modelle ermöglicht. Es ist hinsichtlich Federbasis sowie Zug- und Druckstufe der Dämpfung einstellbar.


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