BMW-Klassiker

BMW R50 - R69S Modellgeschichte

"Königlich beschwingt"

Ab Mitte der fünfziger Jahre bis 1969 verfügten die Maschinen
aus München über komfortable Vollschwingen-Fahrwerke.
Diese Radführung sorgte bei den Reisenden für einen in der
damaligen Zeit ungeahnten Luxus und verschaffte, in Verbindung
mit dem zuverlässigen Boxer-Triebwerk, BMW weltweit den
Ruf als "King of the Road".

Text: Winni Scheibe
Fotos: Scheibe, Fromm, Archiv-BMW


BMW R69S "King of the Road"
(Foto: Fromm)


Bereits Anfang der fünfziger Jahre beschäftigte man sich bei BMW mit einem revolutionären Rahmenkonzept. Anstelle einer Telegabel und der Geradweg-Federung übernahmen Schwingen die Federarbeit fürs Vorder- und Hinterrad. Erste Teste erfolgten im Rennbetrieb. Bis die BMW-Kundschaft allerdings in den Genuss des neuen Chassis kommen sollte, wurde es Frühjahr 1955. Auf dem Brüsseler Automobilsalon präsentierte BMW die aktuelle Boxer-Generation R50 und R69 mit Vollschwingenrahmen. Fahrfertig brachte die R50 nur 195 kg, und die R69 lediglich 202 kg auf die Waage. Wie eh und je diente ein Schwingsattel als Sitzposition für den Fahrer und - abgesehen von den weißen Zierstreifen - waren die Krafträder, wie damals üblich, schwarz lackiert.



BMW R51/3 von 1951

Im Vergleich zu den Vorgängermodellen R51/3 und R68 vermittelte das neue Vollschwingen-Chassis den Passagieren einen nie erahnten Fahrkomfort. Wie in einer Sänfte schwebten sie über alle Fahrbahnunebenheiten hinweg. Die neuen BMWs trafen genau den Geschmack der Touren- und Gespannfahrer.




Traum aller Seitenwagenfreunde: BMW R50 und R69-Gespann



BMW R69S Schnittmotor
(Foto: Werksbild)


Kraftmeier: BMW R69S-Motor mit 42 PS


Basis für das R50 Triebwerk war der bewährte R51/3 Motor mit 494 ccm. Mit gezielter Weiterentwicklung ließ sich die Motorleistung von 24 PS auf 26 PS steigern. Der 35 PS starke R69 Motor war im Wesentlichen der Nachfolger des R68 Triebwerkes. Das Vierganggetriebe war bei beiden Modellen identisch. Optisch glichen sich die beiden Kräder wie einem Ei dem anderen, nur an ihren Ventildeckeln ließen sie sich unterscheiden. Der R50 Ventildeckel hatte sechs Rippen und der von der R69 nur zwei Rippen.



BMW Werbung-Prospekt
(Archiv-BMW)


Herausragendes Merkmal der Boxer-Aggregate war das breite Drehzahlband mit "mächtig Kraft aus dem Keller". Sportlich angehauchte Solofahrer waren dagegen weniger von dem "soft-weichen" tourenfreundlichen und komfortablen Schwingenrahmen angetan. "Rennmässige Fahrweise" setzte hohes Können voraus. Nur geübte Fahrer waren wirklich in der Lage, "die Kuh richtig fliegen zu lassen". Äußerst empfindlich reagierte das Fahrwerk auf falsch eingestellte oder verschlissene Kegelrollenlager. Wer die Wartung und Pflege der Schwingenlagerung vernachlässigte, hatte nur wenig Freude mit seiner BMW. Das von seiner Konstruktion her perfekte Schwingen-Fahrgestell verwandelte sich dann in eine bleierne "Gummikuh". Grundsolide war dagegen die Motortechnik. Die R50 erreichte gut 140 km/h, und die R69 war mit 165 km/h damals eine der schnellsten Motorräder auf dem Markt.



Vorbild der neuen Schwingenmodelle: BMW Rennmaschine von 1954
(Foto: BMW)

Ohne nennenswerte Änderungen rollten die Kräder in den nächsten Jahren vom Fließband. Erst ab 1960 wurde das Schwingenprogramm geändert und erweitert. Rechtzeitig zur IFMA (Internationale Fahrrad- und Motorrad Ausstellung), die damals in Frankfurt stattfand, präsentierten die Münchner gleich vier neue Maschinen: die R50/2, R60/2, R50S und R69S. Trotz weltweit rückläufigem Zweiradgeschäft - wer etwas auf sich hielt, fuhr Auto - glaubten die verantwortlichen BMW-Manager weiter an das Motorrad und setzten besonders auf den Export in die USA. Im Land der "unbegrenzten Möglichkeiten" genossen die BMWs einen enorm guten Ruf und waren der Inbegriff für deutsche Qualität und Zuverlässigkeit. Für die sportlichen Motorradfans in Europa, aber besonders für die leistungsorientierten BMW-Fahrer in Amerika waren die beiden "S"-Modelle vorgesehen.


IFMA 1960: BMW R69S 



BMW R69S




"Veredelt"
BMW R69S mit US-Lenker, Heinrich-Tank, US-Sitzbank

 


In der Halbliterklasse war es die über 160 km/h flotte R50S, und die 180 km/h schnelle R69S etablierte sich ab diesem Jahr als Paradepferd in dem BMW Boxer-Programm. Das aus der R50 Tourenmaschine übernommene R50S Triebwerk leistete nach intensiver Motorkur 35 PS bei 7650/min. Für die Sportmaschine musste der Kunde 3535 Mark auf die Ladentheke blättern. Jedoch nach 1634 produzierten Maschinen stellte BMW bereits nach zwei Jahren die Fertigung wieder ein, heute ist die R50S ein begehrtes Sammlerstück und wird entsprechend hoch gehandelt.



BMW R50S



Schöne Aussicht:
So sahen Horex, NSU, Adler und Zündapp-Fahrer die BMW-Heizer


Mit Einführung der sportlichen R69S schied 1960 die R69 aus dem Modellprogramm. Zwar basiert der R69S Motor auf dem bekannten R69 Triebwerk, doch für die angestrebte Leistungssteigerung musste sich der Boxer einer ordentlichen Überarbeitung unterziehen. Durch diese Modifikationen kletterte die Leistung von 35 PS auf respektable 42 PS bei 7000/min.



Für den US-Markt wurde die R69S in Weiß und mit komfortabler Sitzbank produziert


     (Zeichnungen Werk)


Mit den neuen "S"-Modellen konnte BMW nun endlich allen Boxerfans sportliche Maschinen anbieten. Ein Motorradfahrer, der Anfang der sechziger Jahre irgendwo mit einer BMW R69S auftauchte, genoss größte Bewunderung und Hochachtung. In dieser Zeit war es unter Motorradfahrern üblich, sich zu grüßen, man hielt zusammen wie "Pech und Schwefel". BMW Fahrer waren im Kreise der Motorradzunft aber ein besonderer Menschenschlag. Nie ließen sie etwas auf ihre Maschine kommen. Sie lobten die Zuverlässigkeit des Boxermotors bis hoch in den Himmel und erzählten jedem, der es noch nicht wusste, wie komfortabel der Schwingenrahmen ist.



BMW R 69 S und BMW R 60/2


Bereits zwei Jahre, bevor die neuen Baureihen R50/5, R60/5 und R75/5 ab 1969 als Nachfolger für die Schwingen-Modelle auf den Markt kamen, rüstete BMW ab 1967 die US-Modelle mit der neuen Telegabel der "Strich-fünf" aus. Bis zum Produktionsende der legendären Schwingen-Reihe 1969 hatte der bayuwarische Motorradhersteller immer wieder einige Detailverbesserungen durchgeführt, doch am grundsätzlichen technischen Aufbau oder der Optik war nichts verändert worden. Längst gehören die Schwingenmodelle zu den klassischen BMW-Boxer-Motorrädern und werden entsprechend hoch gehandelt. Besonders für originalgetreue R69S aus den letzten Baujahren müssen Interessenten bis zu 10.000 Euro und manchmal noch mehr anlegen. Ähnlich hoch stehen topgepflegte oder neu aufgebaute Gespanne in den Verkaufsanzeigen. Bedeutend günstiger sind dagegen unrestaurierte Maschinen, aber auch hier sind kaum welche unter 3000 Euro zu bekommen. Ersatzteilprobleme gibt es für die inzwischen über vier Jahrzehnte alten Maschinen im Großen und Ganzen nicht. Die "Schwingenmodelle" zählen zu den zeitlosen BMW Boxermaschinen. Sie sind begehrte Liebhaberstücke, deren Wert von Jahr zu Jahr steigt.


BMW-Klassiker Experte: 
HBS 
Heinz Bals 
Unter den Eichen 28a 
32423 Minden - Päpinghausen
Tel.: 0571 - 35921
Fax: 0571 - 33930
www.HBS-BMW.de


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