Motorrad-Marken

 


Bimota SB5
Modelljahr 1985

Single Emotionen für Zwei

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as Highlight 1985 aus der  Edelschmiede Bimota ist die SB5.
Normalerweise gibt es die Superbikes aus Rimini nur mit Einzelrennsitz.
Erstmalig lässt sich mit einer Bimota wahlweise solo Asphaltsurfen oder
gemeinsam mit der Liebsten spazieren fahren. Den Speed-Test hat die SB5
allerdings ohne Sozius absolviert. Mit sensationellen 264 Stundenkilometern
rauschte die italienische Primaballerina durch die Lichtschranke. Neben
unvergessenen Erlebnissen hinterließ die außergewöhnliche Sportmaschine
bei der Testcrew jede Menge Emotionen.

Text&Fotos: Winni Scheibe

 


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"Due-Infernale"
Tester und Fotofahrer Peter Frohnmeyer mit Beifahrerin Marina

 


Mit  randvollem Tank und gut geschmierter Kette starte ich im Hochsommer 1985 an einem Sonntagabend  um 20:30 Uhr im hessischen Arolsen nahe Kassel. Nach gut vierzig Kilometern geht's auf die Autobahn A7 in Richtung Würzburg. Bis Stuttgart sind es nun noch 360 Kilometer, für mich und die Bimota SB5 ein Klacks. Der geringe Verkehr an diesem warmen Abend lässt ein extrem hohes Tempo zu. Richtig kleingemacht hinter der schnittigen Rennverkleidung steht schon nach wenigen Wimpernschlägen die Tachonadel auf 260. Die Autos auf der rechten Fahrbahn erscheinen mir wie Dauerparker. Auch kein Wunder. Mit 260 Sachen fliegt man mit 72 Meter pro Sekunde über den Asphalt. Gleich nach dem Kasseler-Südkreuz auf dem Bergabstück klettert die Tachonadel sogar auf 270! Wenn das so weiter geht, schießt es mir durch den Kopf, brauche ich ja kaum mehr als zwei Stunden bis Stuttgart! Zehn Minuten später in einer Baustelle ist die Geschwindigkeit auf 80 km/h begrenzt. Im fünften Gang mit rund 3500 Touren rollt die Bimota mit mir (im Rahmen der gesetzlichen Toleranz) durch die "Schikane". Danach ist wieder freie Fahrt angesagt. Mit gewaltiger Kraft schiebt der 120 PS starke 1135 Kubikzentimeter große Suzuki GSX1100E Motor vorwärts. Der Spruch "Leistung und Hubraum ist durch nichts zu ersetzen" kommt mir in den Sinn.

 



"Breite Schlappen"
Bimota SB5 von 1985 mit den 16-Zoll Pirelli-Gürtelreifen der neuen Generation

 


Die dreispurige Autobahn nach Bad Hersfeld lässt wieder volle Fahrt zu. Ganz leicht liegen die aus Alu geschmiedeten Stummellenker in meinen Händen. Wie auf Schienen zieht die Bimota ihre Bahn. Der leichte Seitenwind ist kaum zu spüren. Nur die vom vielen LKW-Verkehr ausgefahrenen Spurrillen werden auf das Fahrwerk mit den neuen, nur 16-Zoll grossen Rädern, sehr direkt übertragen. Die Pirelli-Gürtelreifen der aktuellen Generation reagieren viel empfindlicher als die gewohnten, viel dünneren 19 und 18 Zoll-Räder mit herkömmlichen Diagonalpneus auf Fahrbahnunebenheiten und Längsrillen.
Doch hier auf der Bimota ist alles auf die hochmoderne Kleinrad-Technik ausgelegt und fein abgestimmt. Deshalb kommt bei mir auch kein Gefühl der Unsicherheit auf. Die SB5 lässt sich ohne Nervosität selbst bei einer Geschwindigkeit von über 240 km/h von einer Autobahnseite auf die andere dirigieren.

 



"Der Solist"
Bimota SB5 beim Landstraßen-Test

 


Die Strecke zwischen Kassel und Stuttgart, die ich sehr gut kenne und auch im Traum fahren könnte, erscheint mir vollkommen neu. Es kommen Kurven auf mich zu, die ich vorher noch nie bewusst als Kurve wahrgenommen habe. Mit Schaudern denke ich an die Anfang der 1980er Jahre gemachten Erfahrungen mit der Honda CB900F Bol d`Or  zurück. In den  langgezogenen Autobahnkurven entwickelte bei Tempo 200 das Bol d`Or-Chassis  ein beängstigendes Eigenleben.  Nur mit viel Schneid und Ausnutzung der ganzen Straßenbreite ließ sich diese Herausforderung meistern. Um hier keinen falschen Eindruck  zu erwecken, diese Übung hat nichts mit mutigen Heldentaten zu tun. Das Ausloten von Fahrwerksqualitäten gehört zum Testalltag.
Mit der SB5 bei 260 km/h sieht die Welt ganz anders aus. Nichts wackelt, kein Schlingern, wie Pattex klebt der Edelrenner auf dem Asphalt. Die einer Rennmaschine ähnliche Sitzposition hält jeglichen Winddruck vom Fahrer fern. Ja, ich empfinde die Sitzhaltung sogar als richtig entspannt. Nur hin und wieder erinnert mich ein Blick auf den Tacho an das tatsächliche Karacho.

 



"Superstopper"
Brembo-Serie Gold-Line

 


Ein paar Mal muss ich wegen ausscherender Autos das Tempo auf 180 km/h herunterbremsen. Im Ansprechverhalten und Wirkung ist die Brembo-Bremsanlage sogar aus dieser hohen Geschwindigkeit heraus tadellos.
Das Hinweissschild "Raststätte Rhön 5 km" fliegt an mir vorbei. Wird der Sprit bei diesem Speed noch bis zur übernächsten Tankstelle reichen? Seit dem Start liegen knapp 200 Kilometer hinter mir. Um kein unnötiges Risiko einzugehen, steuere ich die Rastanlage an. Ein Blick auf die Uhr zeigt 21:30. Der Tankwart bestätigt mir die Zeit. Auf dem sehr genau anzeigenden Tacho ist die Tages-km-Rolle bei "200" angelangt. Ich habe also 200 Kilometer in nur einer Stunde zurückgelegt!
Inzwischen sind 15 Liter Super in den Tank geflossen. Nie hätte ich mir träumen lassen, dass es im öffentlichen Verkehr möglich ist, einen 200er Schnitt zu fahren - mit nur 7,5 Liter auf 100 km.

 



"Superbike vom Fließband!
Kawasaki GPZ900R von 1984

 


Mir schießen allerhand Gedanken durch den Kopf. Die Diskussionen Anno 1985 über Motorräder mit mehr als 100 PS. Nachdem 1978 Honda die CBX1000 mit 105 PS und ebenfalls 1978 Kawasaki die Z1300 mit 120 PS auf den Markt gebracht hatten, einigten sich Importeure und Hersteller  auf ein "Gentlemen`s Agreement" keine Maschinen mit mehr als 100 PS in Deutschland zu verkaufen. Die Vorsichtsmaßnahme war berechtigt. Es gab Gerüchte, dass die Bundesregierung beabsichtigte, demnächst aus Sicherheitsgründen nur noch Maschinen mit maximal 75 PS zuzulassen.  Auch gab es immer wieder Stimmen, die eine  Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahn und mehr  Spritsparen forderten. Dazu fragten andere, wer Superbikes für über 35.000 Mark braucht, und, und, und...
Dagegen steht die faszinierende Realität, dass man nur durch einen kleinen Dreh am Gasgriff solch enorme Geschwindigkeiten erreichen kann. Ungewollt vergleiche ich die Bimota SB5 mit der 115  PS starken Kawasaki GPZ900R und der Yamaha FJ1100 mit  125 PS. Beide Motorräder hatte ich in der entdrosselten Version getestet, beide laufen auch um die 240 Sachen. Doch hier handelt es sich um Großserienprodukte. Gebaut für den Alltag, für zwei Personen mit Gepäck. Sie kosten kaum die Hälfte der Bimota. Bei der SB5 zählen einfach andere Werte. Detailverarbeitung, Fahrleistungen, Fahrsicherheit, Optik, das Fahrgefühl und nicht zuletzt das schlecht definierbare "Prestige" machen eine Bimota zu dem, wofür sie gedacht und gebaut wurde. Zum schnellen Motorrad fahren ohne wenn und aber und ohne Kompromisse.
Sicher, es gehört eine Menge Fahrpraxis dazu, sich die nötige Weitsicht für 260 km/h anzugewöhnen, ein siebter Sinn. Ich muss jede Verkehrssituation in Sekunden- bruchteilen richtig einschätzen. Aber auch eine gewisse Kaltschnäuzigkeit braucht der Fahrer, um diese Herausforderung anzunehmen. Das ist eine der Hauptvoraussetzungen für das Fahren mit einer Bimota: Wach muss man sein, voll konzentriert und körperlich topfit. Nur so kommt es zu dem Fahrerlebnis, das man sich erhofft. Inzwischen habe ich Würzburg erericht und es wird dämmrig.

 



"Versteckspiel"
Motor und Technik verbergen sich hinter der Verkleidung

 


Mit Tagesausgang bricht auch die technische Unlust über die rotweiße Maschine. Ohne jegliche Vorwarnung fällt die Motordrehzahl abrupt ab. "Benzin, Zündkerzen, Motoröl, Elektrik?" checke ich alle erdenklichen Fehlerquellen blitzschnell durch. Doch nichts geht mehr. Zur nächsten Notrufsäule hin lasse ich die Bimota ausrollen. Es ist mittlerweile stockfinstere Nacht. Die vorbeiflitzenden Autos machen nur für Sekundenbruchteile Licht. Ich fummle im Dunkeln herum. Die Zündkerzenstecker sitzen fest, Sprit ist drin, die Batterie angeschlossen, mehr ist im Moment nicht zu überprüfen. Am Straßenrand auf Hilfe zu harren scheint aussichtslos und dazu gefährlich. Zum Glück ist die Autobahnraststätte "Ob der Tauber" nur noch fünf Kilome­ter entfernt. Es tut- mir in der Seele weh, die Bimota mit stotterndem Motor über die Autobahn zu quälen. Im Neonlicht der Raststelle suche ich nach dem Defekt. Da poltert ein Twin herein, eine Yamaha TR1. Der Fahrer betrachtet meine Bimota und ich erzähle ihm vom Missgeschick. Keine Spur von Häme, sofort bietet er mir seine Hilfe an. Recht schnell finden wir heraus, dass die linke Zündspule keinen Strom bekommt. Doch ohne Prüfgerät weiter nach dem Fehler zu suchen, ist nicht möglich. Die Bimota muss hier bleiben, der Tankwart verspricht ein Auge auf die Kostbarkeit zuwerfen. Kurzerhand steige ich als Beifahrer auf die TR1. Josy Gläser bringt mich bis Stuttgart. Es gibt also doch noch Zusammenhalt unter Motorradfahrern...

 


Eine Lappalie war an der Panne schuld


"Schatzkammer"
Bimota Importeur Höly in Schriesheim

 


Bereits am nächsten Nachmittag holen wir die Diva wieder vom Importeur Höly in Schriesheim ab. Seit Anfang 1984 ist Wolfgang Höly für den Bimota-Import in Deutschland verantwortlich. Er hat die Maschine sofort von der Autobahn geborgen. Die technische Seite betreut Peter Weigold. Wer beide kennt, weiß sich gut beraten. Als ausgesprochenen Ausnahmefall beschreibt mir Peter Weigold den Grund meiner Panne. Ein Stromzuleitungskabel in der Zündbox war von der Lötstelle abvibriert. Ein Schaden, der in fünf Minuten behoben werden konnte.

 



"Juttas Solovorstellung"
Normalerweise gibt es die Edelbikes aus Rimini nur mit Einpersonen-Rennsitzbank


"Kleider machen Motorradfahrer"
Bimota Collection

 


Wer bisher vom Bimotavirus befallen war, konnte seine Fahrerlebnisse anderen Personen nur erzählen, aber keinen Sozius mitnehmen. Nun, diese SB5 ist soziustauglich. Und damit auch jeder sofort erkennt zu welcher Fraktion man gehört, bietet die italienische Edelmarke hochwertige Motorradbekleidung an.

 


 


Die Welt aus einer anderen Perspektive


Co-Testerin Marina.
Die beste Beifahrerin der Welt

 


Ich bin eine begeisterte Sozia, ohne viel von der Technik zu verstehen. Etwas vollkommen Neues war für mich daher die Ausfahrt mit dem derzeitig schnellsten Motorrad, der Bimota SB5. Auch habe ich noch nie vorher so extreme Schräglagen selbst erlebt. Winni hatte mich seelisch darauf vorbereitet: "Einfach auf dem Sitz ruhig hocken bleiben" hat er gesagt, "du darfst keine Angst haben, wenn der Horizont vor deinen Augen mehr als 45 Grad schräg wird." Dennoch konnte ich nur ahnen, was auf mich zukommt. Winni nickte mir noch einmal über die Schulter zu und meinte, "gut festhalten jetzt".
Es ging schneller als ich denken konnte. Ich meinte, wir müßten jeden Moment abheben und fliegen. Und plötzlich wurde alles um mich herum total unwichtig: die Autos, die Straße, die Straßenbegrenzung. Nur weit vorne sah ichHimmel, Wolken und Landschaft. Ich fühlte mich dem allem so verbunden.Trotz des Windschattens hinter dem Rücken meines Fahrers musste ich mich einsstemmen. Ich spürte, wie die Haut unter dem Helm zieht. Obwohl wir nur einige Kilometer mit einer Geschwindigkeit von über 240 km/h fuhren und schon bald wieder an Autos mit "nur" 160 Sachen vorbeituckerten, schien es doch 'ne kleine Ewigkeit zu sein. Jetzt wurde auch die Umwelt wiedergreifbar und übersichtlich. Ein Blick ins Auto neben uns, ein Sekundenflirt mit dem Fahrer, ein Lächeln - sonst nichts; schon blickte der nächste kurz zu uns 'rüber. Weil ich an nichts dachte und alles einfach so kommen ließ, konnte ich die Fahrt richtig genießen. Erst als wir von einem Stau abgebremst wurden, zwischen Autoschlangen nur langsam vorwärts kamen, machten sich mein Rücken und mein wertes Hinterteil bemerkbar. Und als ich nach 280 Kilometer am Ziel absteigen konnte, mich streckte und dehnte, war ich begeistert und freute mich ganz riesig auf die Fotofahrt mit Peter Frohnmeyer, die für den nächsten Tag geplant war. Marina

 


   
 

"Wahlweise"
Die SB5 ist die erste Bimota die "due" oder "uno" gefahren werden kann

 


 


Mit einem 264 km/h schnellen Motorrad überwiegt der Autobahn-Fahreindruck, ganz klar. Doch auch auf der Landstraße macht die Bimota eine gute Figur, vorausgesetzt natürlich, man sucht sich solche Straßen aus, wo 100 km/h mehr als genug sind und Kurve auf Kurve folgt. 230 Kilogramm wiegt die SB5. Gegenüber einer Suzuki GSX-R 750 mit 200 kg Gewicht liegt die Bimota sehr viel satter auf der Straße, ist längst nicht so nervös wie der Nipponbrenner. Ein passendes Eigengewicht hat durchaus seine Vorteile. Die Sitzposition passt, trotz Stummel-Lenker und zurück-/hoch-gesetzten Fussrasten, von 1,60 bis 1,90 Meter Fahrergröße. Mit Lenkimpuls lässt sich die Bimota, leicht dirigieren. Forcella-Italia Telegabel und deCarbon-Federbein hinten garantieren Fahrbahnkontakt auch dann, wenn andere Superbiker den Hahn zumachen müssen, weil die Räder mehr in der Luft als auf der Straße sind.

 


Technische Daten
Bimota SB5
Modelljahr 1985

 


 


Motor: Basis Suzuki GSX1100E. Leistung ungedrosselt 120 PS (88 kW) bei 8700/min; maximales Drehmoment 108 Nm (10,5 mkp) bei 7500/min. Fahrtwindgekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor. Vier Ventile pro Zylinder, über zwei obenliegende Nockenwellen
und Schlepphebel betätigt. Bohrung x Hub 74 x 66 mm; Hubraum 1135 cm3; Verdichtung 9,7. Vier Mikuni BS36SS Vergaser; kontaktlose Zündanlage. Mehrscheibenkupplung im Ölbad, klauengeschaltetes Fünfganggetriebe, O-Ring-Rollenkette 3/4 Zoll.

Fahrwerk: Gitterrohrrahmen mit abschraubbaren Unterzügen, Steuerkopf im Rahmen integriert und 8-fach abgestützt, verstärktes Rahmenheck mit angeschweißten Beifahrerfußrasten. Forcella-Italia-Telegabel, Standrohr 40 mm, Dämpfung 7-fach einstellbar, Federweg 140 mm. Dreiecksverbundschwinge, ein stehendes deCarbon-Federbein, Federvorspannung stufenlos einstellbar, Federweg 110 mm. Bimota-Verbundräder, Bereifung schlauchlos, Pirelli-Radial, vorn 120/80VR16, hinten 150/80VR16. Bremsanlage Brembo-Serie Gold-Line, vorne Doppelscheibenbremse, hinten eine Scheibenbremse.

Maße und Gewichte:
Radstand 1450 mm; Nachlauf 87 mm; Nachlaufwinkel 61,5 Grad; Sitzhöhe 760 mm; Lenkerbreite 660 mm; Gewicht vollgetankt 230 kg, Zulässiges Gesamtgewicht 411 kg, Tankinhalt 20 Liter.

Messwerte:
0 bis 100 km/h in 3,2 s; 0 bis 150 km/h in 6,2 s; 0 bis 200 km/h in 15,1 s; 0 bis 240 km/h in 32,4 s; 400 Meter in 11,2 s; 1000 Meter in 21,0 s; Höchstgeschwindigkeit 264 kmlh bei 8750/min; Testverbrauch 6,8 Liter Super auf 100 Kilometer.

Prüfstandsmessung:
Leistung am Hinterrad gemessen bei 3000/min = 31 PS; 4000/min 44 PS; 5000/min = 61 PS; 6000/min = 77 PS; 7000/min = 93 PS; 8000/min = 101 PS.

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