Lexikon |
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Als die Motorradtechnik noch in den Kinderschuhen steckte, war vieles ganz anders. Fahren bedeutete in erster Linie ankommen. Und das möglichst ohne viele technische Probleme und ohne ständige Reifenpannen. Ordentlich beschleunigen, mit Topspeed über die Chaussee brettern, in atemberaubender Schräglage durch die Kurven wetzen und ständig auf der letzten Rille in die Eisen steigen - daran war noch lange nicht zu denken. Die Straßen glichen befestigten Feldwegen und die Pneumatiks, so wurden um die Jahrhundertwende Reifen genannt, hatten noch nicht einmal Profil. Dafür waren sie aber farbig: schneeweiß oder später vergilbt "gelb". Erst als man um 1904 bei der Herstellung Ruß beimischte, wurde das Gummi nicht nur pechschwarz, sondern auch bedeutend strapazierfähiger und erheblich langlebiger. Was das Motorrad-Laufwerk bis heute durchgemacht hat, darf getrost, als sensationell bezeichnet werden. Wobei aber die eigentliche Hauptentwicklung erst seit etwa Anfang der 80er Jahre stattgefunden hat. High-Tech im Reifenbau bedeutet jedoch längst nicht immer, nur was brandaktuell ist, ist auch immer das Beste. Gerne erinnert man sich an die guten alten Zeiten. |
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Vor
der Diagonalreifengeneration, die es mittlerweile seit etwa 1930
serienmäßig bei den Motorrädern gibt, wurden die sogenannten Wulstreifen auf den Felgen montiert. Und
das weltweit erste Motorrad, der "Reitwagen" von Gottlieb
Daimler und Wilhelm Maybach, rollte 1885 sogar noch auf
eisenbeschlagenen Holzspeichenrädern. Nicht besonders fortschrittlich,
dafür hatte das Feuerross aber zwei kleine Stützräder, es konnte
wenigstens nicht umkippen. |
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Dabei hatte der Engländer Robert William
Thomson bereits 1845, also genau 40 Jahre früher, sich einen
sogenannten "Luftreifen" patentieren lassen. Doch für sein
Werk gab es noch keine Verwendung. Das Fahrrad steckte in den
Kinderschuhen, Autos und Motorräder waren noch gar nicht erfunden
worden. Thomsons Idee und Patent gerieten somit in Vergessenheit. |
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Etwas über 40 Jahre später konstruierte der schottische Tierarzt John Boyd Dunlop ebenfalls einen "Luftreifen". Als Testfahrzeug diente das Dreirad seines kleinen Sohnes. 1888 meldete Dunlop seine "Idee" zum Patent an. Der Schutz währte allerdings nur zwei Jahre. Im Nachhinein stellte sich nämlich heraus, dass bereits Thomson auf diese Erfindung das Patent bekommen hatte. Und so wurde die Herstellung von "Pneumatikreifen" für alle daran interessierte Firmen frei. Ein neuer Wirtschaftszweig war geboren. Firmen wie Dunlop, Continental, Metzeler, Michelin, B.F.Goodrich, Phoenix, Firestone, Excelsior, Universal, Pirelli und Avon, um hier nur die größten zu nennen, produzierten bald Wulstreifen für Motorräder. |
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Die Hochdruckreifen mit Leinwandkarkasse waren für die damaligen Kradler eine geradezu teure Angelegenheit. Vielfach waren die Pneumatiks bereits nach 500 Kilometer verschlissen. Aber auch die immer wieder vorkommenden Plattfüße trübten das Fahrerlebnis. Eine deutliche Verbesserung leitete Mitte der 20er Jahre die neue Cord-Karkasse ein. Die bisherige Leinwand, deren gekreuzte Fäden sich im Laufe der Zeit gegenseitig zersägten, wurde durch strapazierfähiges Cord-Gewebe ersetzt. Der Wechsel vom Hochdruck- zum Niederdruckreifen, auch Cord-Ballonreifen genannt, mit einem Querschnittsverhältnis Höhe/Breite von 0,98 bewirkte eine wesentliche Verbesserung des Fahrkomforts, aber auch der Fahrsicherheit. |
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Der nächste Entwicklungsabschnitt, der gleichzeitig das Ende des Wulstreifens einleitete, war eine neue Reifengeneration mit Stahldraht im Wulst. Für diese Decke war gleichzeitig ein neuer Felgentyp, die sogenannte Tiefbettfelge, erforderlich. Gegenüber dem Wulstreifen, bei dem sich die beiden Reifenwulste wie Krallen in die Felgenhörner einhakten, lagen beim neuen Drahtreifen die drahtseilverstärkten Wulste nun an den Felgenhörnern an. Für sicheren Sitz sorgte der zwischen 1,5 bis 2 bar aufgepumpte Schlauch. Eine weitere Neuerung war die Maßgenauigkeit. Wurden Wulstreifen manuell hergestellt, Toleranzen im Reifenumfang von bis zu zwei Zentimetern galten als normal, erfolgte die Fertigung der Drahtreifen nun "auf den Millimeter genau" maschinell. |
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Die Kombination Niederdruckreifen mit Drahtkern und Tiefbettfelge ist Urahne des bis heute gefertigten Diagonalreifens. Wobei die Ablösung des Wulstreifens zu Drahtreifen nicht von einem Tag auf den anderen erfolgte. Noch 1929 konnten BMW-Kunden bei der Bestellung einer R 62 oder R 63 wählen, ob sie die Maschine mit 26 x 3.00 oder 27 x 3.50 Wulstreifen haben wollten oder die modernen 3.50-19 Drahtreifen bevorzugten. |
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Bis zum Zweiten Weltkrieg passierte bei der Weiterentwicklung der Diagonalreifen nicht viel Aufregendes. Abgesehen vom Rennsport waren Vorder- und Hinterreifen mit dem gleichen Profil ausgestattet. Die Innovation der Pneuhersteller beschränkte sich auf das Reifenangebot für leichte, mittlere, schwere und Gespannmaschinen. Die Ansprüche an die Laufflächen waren in erster Linie eine hohe Lebensdauer. Erst in den 50er Jahren begann eine zweigleisige Entwicklung. Der Vorderreifen erhielt ein Rillenprofil, hinten entstand das Blockprofil. Als Mitte der 70er Jahre ein gewaltiger Motorradboom einsetzte wurden die sogenannten Hochgeschwindigkeitsreifen entwickelt. Das Maß der Dinge waren bis dahin Motorradecken in den Abmessungen 3.25 H 19 fürs Vorderrad und 4.00 H 18 fürs Hinterrad. Motorräder vom Schlage einer Münch-4 TTS 1200, BMW R75/5, Honda CB 750 Four oder Kawasaki "Z1" waren mit diesen Größen ausgestattet. |
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An
superbreite Radial-Gürtelreifen dachte Mitte der 70er Jahre noch
niemand. Auch die Fachleute waren sich einig, dass die im PKW-Bereich
schon längst üblichen Gürtelreifenkonstruktionen, von den
fertigungstechnischen Problemen mal ganz abgesehen, allein schon auf
Grund ihrer weichen Seitenflanken, für Motorräder nie und nimmer in
Frage kämen. Doch das rigorose Wettrüsten zu immer größeren,
stärkeren und schnelleren Maschinen forderte die Reifenindustrie zu
neuen Taten heraus. Zunächst wurde aus dem
"Normalquerschnitt-Reifen" der
"Niederquerschnitt-Reifen", zum Beispiel aus dem 4.00 H 18 ein
4.25/85 H 18 Pneu. In den 90er Jahren wurde dann die zöllige Maßangabe
für den Reifenquerschnitt durch metrische Größen ersetzt. So wurde
aus der Dimension 4.00 H 18 bzw. 4.25 H 18 der 120/90 H 18 bzw. 130/90 H
18 Pneu. Die Zahlenkombination 130/90 gibt den Querschnitt an.
Das heißt, der Reifen ist 130 mm breit und die Zahl 90 hinter dem
Querstrich steht für das prozentuale Verhältnis von Höhe zur Breite.
In diesem Fall 90 Prozent von 120 mm Reifenbreite ist 108 mm
Reifenhöhe. Dieser Trick brachte mehr Gummi auf den Asphalt, und die
Motorpower ließ sich jetzt besser auf die Straße bringen. Was sich
nicht änderte, war die Deckenverformung bei Höchstgeschwindigkeit. Die
hohen Fliehkräfte ließen den Mantel "wachsen", die
Aufstandsfläche wurde kleiner, der Verschleiß nahm rapide zu. |
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Anders als im PKW-Bereich hat der Radial-Gürtelpneu die altbekannte Diagonalausführung jedoch noch nicht vom Markt verdrängt. Ganz im Gegenteil. "Von den rund 1,5 Millionen Motorraddecken pro Jahr, sind immer noch gut die Hälfte Diagonalreifen," betont Helmut Dähne, seines Zeichens legendärer Metzeler-Reifenexperte und Nürburgring-Rekordhalter. Der Reifenspezi muss es wissen. In der Motorradszene ist Metzeler ein fester Begriff. Das Metzeler-Angebot ist gewaltig. Ganz gleich, ob für Oldtimer, Klassiker oder für aktuelle Bikes.
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Deutschlands Oldtimer-Reifen-Experte Nr. Eins: |
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Der Vollständigkeit halber soll aber auch noch erwähnt werden, dass etliche Motorradhersteller und Tuningfirmen im Laufe der Jahre eine Reihe von Umrüstfreigaben erstellt haben. Um beim Beispiel 3,25 H 19 und 4.00 H 18 für die Serienbereifung zu bleiben, dürfen danach auch Niederquerschnittsreifen in den Dimensionen 100/90-19 57H TL und 120/90 - 18 65H TL gefahren werden. Die als TL (Tubeless=Schlauchlos) produzierten Niederquerschnittsreifen dürfen nur mit Freigabe des Herstellers auf die, für Schlauchreifen ausgelegten, Felgen montiert werden. |
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Schlauchreifen: |
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1 Handelsname |
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Avon |
Continental |
Barum |
Bridgestone |
Dunlop |
Heidenau |
Michelin |
Metzeler |
Pirelli |