Lexikon


Modellkunde

"Typen-Rad"


Sich einfach nur "Biker" nennen, kann leicht zu Missverständnissen führen. Längst haben sich Fakultäten gebildet, die haargenau mit dem richtigen Motorradtyp unterwegs sind. Fast zwei Dutzend Betätigungsfelder lassen sich ausmachen.

Text&Fotos: Winni Scheibe


Für jeden und alles gibt es eine "Schublade". Und damit man gleich Bescheid weiß, hat man natürlich auch die richtigen Fachausdrücke dafür. Leute, die gern laufen, sind "Jogger", wer mit bloßen Händen Felswände hochkraxelt, ist "Freeclimber" und wer sich mit einem Drahtesel durchs Gelände quält, ist "Mountain-Biker".
In der Motorradszene ist es mit der Zuordnung kaum anders. Die schnöden Bezeichnungen Touren-, Sport- oder Geländemaschine genügen schon lange nicht mehr. Die Einordnung erfolgt nach Einsatzzweck. Und der ist wahrlich vielseitig. Schön für unser Hobby. Keiner braucht sich mehr mit einem Kompromiss abgeben. Ganz gleich was man anstellen möchte, für jedes und alles gibt es das richtige Bike.
Wer seine "Schublade" bereits gefunden hat, darf sich beruhigt zurücklehnen. Wer noch nicht, hat die Qual der Wahl: gut zwei Dutzend Spielplätze lassen sich orten.


"Spaß im Gelände"


Trialsport


Trial wird gerne als die hohe Schule des Motorradfahrens bezeichnet. In dieser Sportart kommt es nämlich nicht auf Power und Speed an. Was zählt, ist einzig und allein das Geschick. Wo die Physik sagt, "da kommt keiner hoch", Trialisten schaffen es. Im Wettbewerb entscheiden über Erfolg oder Niederlage, die ergatterten Strafpunkte. Fahrfehler erhöhen maßgeblich das Punktekonto. Wer am Schluss die wenigsten Zähler hat, ist Sieger.
So einfach ist das!

Bis in die Sechziger war die Sache klar: Es gab Straßen- und Geländemotorräder. Die Amis kamen dann plötzlich auf die Idee, mit ihren Bikes auch "Off Road" zu fahren. Die Hersteller reagierten und hatten umgehend sogenannte "Scrambler" parat. Im Prinzip Straßenmodelle, jedoch für den Geländeritt leicht modifiziert. Dazu gehörten Stollenreifen, hochgelegter Auspuff und breiter Lenker. Aus diesen Schotterschleudern entwickelte sich im Laufe der nächsten Jahre die Enduro-Generation.
Alles hatte mal einen Anfang.




Scrambler

 

Endurosport

Für die echten Pistencracks waren Scrambler weder Fisch noch Fleisch: zu schwer, zu behäbig, schlechte Geländequalitäten. Also mussten Spezialmotorräder her. Leicht, handlich, mit langen Federwegen, hochgesetzte Radabdeckungen, kräftiger Motor mit Dampf aus dem Keller und so aufgebaut, dass im Falle eines Falles nicht so viel kaputtgehen konnte. Was blieb, war der Anspruch auf Asphalt- und Geländetauglichkeit. Der Weg dahin war steinig, aber es hat sich gelohnt. Heute hat fast jeder Hersteller Enduros im Programm. Kleine, mittlere, schwere und natürlich Super Enduros, letztere auch Abenteuer- oder Reise-Enduros genannt. Nur eins sucht man vergeblich: Gelände zum Rumackern. Und daher werden gut 98 Prozent der Off-Roads über Asphalt gescheucht.
Greenpeace kann aufatmen!

 

Gleich vorweg: diese Sportart ist nichts für Weicheier und Hosenmätze. Moto Cross sind beinharte Gelände-Rennen. Der Fahrer muss topfit sein, durchtrainiert bis zum letzten Muskel, muss Mut und Ausdauer besitzen. Moto-Crossfahren geht auf die Knochen. Schwindelfrei ist ebenfalls Voraussetzung. Wenn es nämlich nicht steil bergauf oder bergab oder durch Anlieger geht, wird gesprungen. Meist dauert der Flug ewig. Damit es dabei aber nicht zu langweilig wird, werden dem Publikum Kunststücke gezeigt. Zum Beispiel Hände vom Lenker loslassen, im Schneidersitz sitzen, auf die Sitzbank steigen oder sonst eine Turnvorführung darbieten. Neben Lärm, Staub und Geschwindigkeit, gehört das Spektakel inzwischen zum Moto-Cross, wie Thomas Gottschalk zu "Wetten dass...".
The Show must go on!
Moto Cross Rennen


"Asphalt feeling"

 

Scooter

Den Durchbruch schaffte Vespa. Als nach dem Krieg das Geld knapp war, wurde in Italien "das Auto des kleinen Mannes" erfunden: der Roller. Der freie Durchstieg vereinfachte das Platznehmen, Beinschilder schützten vor Regen und Straßenschmutz, kleine Räder erleichterten das Rangieren. Die "Bienen" wurden zur Weltanschauung, zum Kultvehikel.
Heute reden nur noch die "Alten" vom Roller, alle anderen nennen sie Scooter. Die Dinger mit den kleinen Kullerreifen sind mehr denn je gefragt. Die Scooter-Manie ist voll im Gange. Auch kein Wunder. Die Bedienung ist kinderleicht, draufsetzen, Gas geben, ab geht die Post. Kuppeln und Schalten ist out. 
Go easy!

 


Ü
ber diese Motorräder gibt es eigentlich nicht viel zu sagen. Sie sind nämlich so wie immer. Maschinen ohne Verkleidung, ohne Firlefanz, mit Technik zum Durchgucken. Genau wie "früher". Als man das Wort "Plastik" noch nicht kannte, jeder die technischen Daten auswendig aufsagen konnte, man noch wusste, wie weit der Sprit im Tank reicht und was ein Hinterradreifen kostet.
Es lebe die Tradition.

 

Purist

Tourer

Motorradfahrer waren schon immer auf Abenteuer aus. Jedenfalls einige. Mit der Maschine bis ans Ende der Welt fahren, das wär's. Doch wohin mit Proviant und Hausrat? Also erfand man Tankrucksack, Packtaschen und Topcase. Um sich vor Wind und Wetter zu schützen, bastelte man eine breite Verkleidung ans Bike.
Alles Schnee von gestern. Heute gibt es perfekt ausgestattete Reisebikes von der Stange. Sie sind komfortabel, zuverlässig und langlebig. Mit einem Tourer zu verreisen macht Spaß. Und wenn es am Wochenende nur bis zum Edersee ist.
Pack die Badehose ein...

 

Für die einen sind sie abgrundhässlich, für die anderen unverzichtbar: Die Wohnmobile auf zwei Rädern. Nichts fehlt: Gewaltige Vollverkleidung, Trittbretter, Radio, CD-Player, Handy-Halter, Gegensprechanlage, heizbare Griffe, Dosenhalter, Tempomat, bequeme Sitzkissen mit Rückenlehne und Anhängerkupplung. Als Gespann hat man den Stauraum eines Kleintransporters. Das Fahrgefühl ist wie im Straßenkreuzer, rangieren lässt sich die Chose wie ein LKW. Und weil alles zusammen fast eine Tonne wiegt, gibt es bei einigen Bikes sogar einen Rückwärtsgang.
Nur der ICE kann mehr bieten.


Super-Tourer

Sportler

Wer zügig vorwärtskommen will und dabei auch noch Spaß haben möchte, braucht eine Sportmaschine. Man sitzt versammelt "im" Bike, die Verkleidung schützt vor dem lästigen Fahrtwind, aufs Fahrwerk, Bremsen und Pneus kann man sich verlassen. Sportmaschinen werden in der Regel erst bei hohen Drehzahlen lebendig.
Gib dem Mustang die Sporen!



A
ls vernünftig kann man sie weiß Gott nicht bezeichnen. Wie direkt von der Rennstrecke abgebogen, kommen sie daher. Ohne Lampe, Spiegel und Nummernschild könnte man sogar jedes Rennen damit gewinnen. Aber auch mit dem Kram kriegt einen keiner. Jedenfalls die nicht, die wie TT-Champion Joey Dunlop über die Landstraße heizen. Den Fahrleistungen echter Rennmaschinen stehen sie kaum nach. Das ist für den Adrenalinspiegel wichtig. Glück braucht man allerdings auch. Wer nämlich bei diesem Karacho geblitzt wird, ist seine Fahrkarte auf Jahre los.
Fast by Ferracci.

Superbike



Neoklassiker


A
ussehen tun sie wie echte Oldtimer. In Wirklichkeit sind sie aber futschneu. Die Idee Altbekanntes mit Neuem zu vermixen, schlug wie eine Bombe ein. Die Schöngeister zeigten mit dem Finger drauf und riefen: eine Horex, eine Thunderbold, eine Z1!
Endlich wieder was fürs Herz. Manche können sich kaum dran satt sehen. Und richtig fahren tun sie auch, schließlich ist die Technik ja modern.
Back to the Roots!

 

Eigentlich kann man es keinem recht machen! Als Motorräder noch ohne Verkleidungen waren, bastelten die Spezis Verschalung und Stummellenker an. Dann gab es plötzlich ab Werk serienmäßig Sportverkleidungen. Doch nicht lange. Das Plastik verdeckte nämlich die Technik, also schraubte die Speedfraktion das Gelump wieder ab. "Nackt" wirkten die Wetzhobel sowieso viel geiler.
Die Industrie war allerdings auch clever. Man brachte Sportmaschinen auf den Markt, die absichtlich keine Verkleidungen hatten. Den richtigen Namen lieferten sie gleich mit: Naked-Bike.
Des Kaisers neue Kleider!

Naked-Bike


Muscle-Bike



H
ubraum ist durch nichts zu ersetzen und Power kannst du nie genug haben. Der Tunerguru hat gesprochen. How! Yamaha hat es mit der V-Max vorgemacht, Honda, Suzuki, Kawasaki und Ducati haben nachgezogen. Technik pur, gemixt mit maximaler Leistung.
Für den Sprint von Ampel zu Ampel!

 

 


S
olomaschinen haben einen erheblichen Nachteil: Sie sind familien- und tierfeindlich. Wohin mit Kind oder Hund? Da hilft nur eins, ein Beiwagen muss her und die Welt stimmt wieder.
Doch die Zeiten, einfach einen Seitenwagen an die Solomaschine hängen, sind längst vorbei. Gespanne sind heute fast immer zu einer unzertrennlichen Einheit verschweißt. Wie im richtigen Leben, gemeinsam durch Dick und Dünn und im Gespann zum Nordkap.
Im Team unschlagbar.

 

Gespann


"Captain America"

 

Chopper

Ihre Idole waren die Westernhelden Wyatt Earp und Billy the Kid. Und darum nannten sie sich auch "Wyatt" und "Billy". Beide fuhren Harleys. Keine Stangenware, sondern gnadenlos beinharte Chopper. Wyatt nannte sein Bike "Captain America" und das ganze spielte in "Easy Rider". Er wurde zum Kultfilm, und zum Vorbild eine ganzen Biker-Generation. Der Chopper-Kult war geboren.
Born to by wild.

 

Mitmachen, ja! Aber auch leiden, nein! Echte Chopperfreaks werden es nie verstehen. Wer dagegen nur gemütlich durch die Gegend kutschieren will, dem ist es nur recht, das "soft choppern".
Angefangen hat der Spaß Anfang der 80er Jahre in Japan. Serien-Heizerkisten wurden mit Hochlenker, Tropfentank, Stufensitzbank, dickem Hinterrad und kurzen Auspufftüten ausgestattet und fertig war der "Soft-Chopper".
Go easy...
Softchopper

Cruiser


C
ruisin´ ist amerikanisch. Was so viel bedeutet wie "bummeln", "dahingleiten", "promenieren", aber auch "angeben" und "sehen und gesehen werden". Entstanden ist dieser Kult in den 50er Jahren. Als Rock'n'Roll, Pettycoats, Hula-Hoop und Lollipops modern waren. Cruisin´ ist Weltanschauung, die dicken Straßenkreuzer, in denen sich die Kids austobten, wurden Cruiser genannt. Mit Motorrädern hatte das Ganze aber nichts zu tun.
Boss Hoss ist amerikanisch. Schließlich stammt der 5,7 Liter V8-Motor von Chevrolet. Genau das Richtige zum Cruisin`. Und weil eine keiner ist, gibt es inzwischen Cruiser von Harley-Davidson, Honda, Yamaha, Suzuki, Kawasaki und von BMW.
Let´s go to the Party.

Frage: was haben Showbikes mit "Easy Rider" und Rock´n´Roll gemeinsam? Antwort: Das technische Vorbild liefert "Captain America", nur bei Showbikes wird der Perfektionismus perfektioniert. Und wenn sie bei einer Custom-Show ihren Auftritt haben, geht genau wie beim Rock´n´Roll richtig die Post ab. Zum Fahren taugen sich nicht viel. Zu was auch. Ein Kunstwerk auf zwei Rädern stellt man sich ja auch viel lieber ins Wohnzimmer.
I like my bike.

Showbike


"Extra-Wurst"

Streetfighter



Die Streetfighter-Manie ist topp aktuell. Bei uns jedenfalls. In England, wo sie herkommt, ein alter Hut. Hier juckt das aber keinen. Es wird geschraubt, bis die Heide wackelt und getunt, bis der Asphalt glüht. Erlaubt ist alles. Vorschriften oder Normen gibt es keine. Nur beim TÜV muss man irgendwie durchkommen. Was danach ist, interessiert keinen.
Aufs Legale pfeifen, 
Hauptsache es macht Spaß...

 

 

Motorradfahren kann gefährlich werden. Wer nicht aufpasst, kippt um. Bei Dreirädern ist das Risiko dagegen wesentlich geringer. Und weil ein Gespann nicht jedermanns Ding ist, hat man eben die Trikes erfunden. Sie sind allerdings weder Fisch noch Fleisch,  hinten Auto und vorne Motorrad. Und da man sich nicht einig wurde, was es nun von beiden ist, darf ein Trike mit dem Autoführerschein gefahren werden.
Fährt der alte Lord Ford...

Trike


"Fürs Herz"

 

Caféracer


N
icht der Weg, sondern das Ziel war wichtig. Jedenfalls für die Caféracer-Clique. Doch bevor man zum Ziel, einem Straßencafé, düste, wurde geschraubt. Die biedere Straßenmaschine verwandelte sich zur rassigen Rennmaschine. Und damit es nicht ganz und gar illegal war, kam ein Scheinwerfer und ein Rücklicht ran. Das war jedenfalls in den Sechzigern und Siebzigern so, abgespielt hat sich das Ganze in England. Caféracer sind heute wertvolle Klassiker, manchmal aber auch schon Oldtimer.
I like my Road-Racer

 

Im Prinzip kennt sie fast noch jeder. Maschinen, die vor fünfzehn oder zwanzig Jahren mal die Oberknaller waren. Traumbikes ihrer Zeit. Klassenbeste oder die stärksten oder schnellsten überhaupt. Was damals das Besondere war, ist heute Mythos, Legende. Und weil Klassiker auch was mit Klasse zu tun hat, ist es absolut wichtig, dass sie wie einst dastehen. Picobello gepflegt im Original- Zustand.
Nur das Originale zählt!

Klassiker

Oldtimer

Kids haben gut lachen. Jeder über 25 Jahre, ist für sie ein Oldie. Recht haben sie. Bei Fahrzeugen ist das ja schließlich auch so. Im erlauchten Kreis der Fahrzeughistoriker sieht man das auch so. Vehikel, die 25 Lenze und mehr auf dem Buckel haben, dürfen das Prädikat Oldtimer tragen. Väterchen Staat hat dagegen eine ganz andere Auffassung. Für die Bürokraten muss das Gefährt mindestens über 30 Jahre alt sein, um in den Genuss der Oldtimerzulassung mit allen Vorzügen zu kommen.
Oldies but Goldies.


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