Kenner & Sammler |
Karl-Heinz Walinski und seine Kreidler-Freunde
"Frisch frisiert"
Es ist fast wie früher. So wie
damals, in den 1960er Jahren.
Als die Jungs noch als Halbstarke und Rocker verschrien waren.
Sie treffen sich mit ihren frisierten 50ern bei Karl-Heinz vor der
Garage,
schmieden Pläne, düsen zum Biker-Treff und haben riesigen Spaß dabei.
Text: Winni Scheibe
Fotos: Scheibe, Archiv-Walinski

Kreidler-Fan und Zweitakt-Experte Karl-Heinz Walinski

Treffpunkt sowie Start/Ziel ist die Garage von Karl-Heinz

Moped-Ausfahrt "diszipliniert und in geordneter Reihenfolge" |
Doppelgaragen sind praktisch. Besonders dann, wenn
sie ausschließlich für den Kreidler-Fuhrpark genutzt werden. Ordentlich
aufgereiht lassen sich über ein Dutzend Maschinen unterbringen. Dicht
zusammengestellt passen noch ein paar mehr dazu. Der Mercedes parkt
neben der Einfahrt, die BMW K100RS steht in einem Verschlag hinter dem
Haus und im Keller an der Wand hängen die Fahrräder. Für Karl-Heinz Walinski ist die Rangordnung genau festgelegt: "Ein Teil meiner 30
Kreidler genießen Logenplatz. Zehn Kleinkrafträder und fünf Mokicks sind
jederzeit startklar, sie stehen hier oben. Zwölf nicht so tolle
Exemplare sind in anderen Garagen verteilt und in meiner Kellerwerkstatt
restauriere ich zur Zeit gerade drei Kleinkrafträder. In einem
Abstellraum habe ich meinen Ersatzteilfundus eingelagert, aus dem sich
bestimmt aber auch noch mal vier oder fünf Flitzer auf die Räder stellen
ließen." Die Aufzählung klingt fast so, als ob "vom
Brötchen holen" die Rede wäre... |

Die schönsten Exemplare genießen Logenplatz
|
Kreidler-Fan Karl-Heinz ist ein
Organisationstalent. Die Verabredungen erfolgt zeitgemäß. Übers Handy
wird seine Moped-Clique für die nächste Ausfahrt zusammengetrommelt. Es
ist Samstagmittag, alle sind gekommen: André, Andreas, Theo, Dirk,
Steffen, Werner, Sascha, Klaus-Dieter und Horst. Die Gesellschaft ist
längst ausgewachsen, einige von ihnen sind bereits Opa. Motorradfans
sind sie aber über die Jahre hinweg stets geblieben. Die meisten fahren
BMWs, es sind aber auch Suzukis, Guzzis und Triumphs dabei. |

Korbacher Moped-Clique vor
dem "Deutschen Haus" um 1964
(Foto:
Archiv-Walinski)
|
Das ist die eine Welt dieser Clique, ihre
Gegenwart. In die Vergangenheit düsen sie mit ihren pfeilschnellen 50
ccm Mopeds. Zurück in ihre Sturm- und Drangzeit, als sie noch als
Halbstarke und Rocker verschrien waren. Karl-Heinz gibt zu Protokoll:
"Früher war zwar nicht alles besser, aber einfach anders. Als
Jugendliche haben wir uns für die damals groß in Mode gekommene Beat-
und Rockmusik begeistert. Wir sind zu Live-Konzerten gepilgert, trugen
mit Selbstbewusstsein lange Haare und verwaschene Parkas. Es wurden alle
möglichen Motorradprospekte gesammelt und von schweren Maschinen
geträumt. Wenn wir mit unseren 50ern unterwegs waren, blieb meist kein
Auge trocken. Wir haben aufgemotzt, widersprochen, wir wussten alles
besser. Es war schon eine verrückte und wilde Zeit. Viele aus unserer
Generation haben davon kaum noch etwas in Erinnerung. Für mich war diese
Zeit eigentlich auch längst abgehakt. Bis ich zufällig beim Kramen in
alten Fotoalben ein Schwarz-Weiß-Bild in die Finger bekam. Es war eine
Aufnahme von einer Korbacher Moped-Clique, die für uns Jugendliche
damals Vorbilder waren. Plötzlich waren alle Erlebnisse von einst bei
mir wieder hellwach und es brachte mich auf die Idee, mir eine Kreidler
Florett zu besorgen." |
Die über 30 Jahre alte Kreidler muss komplett überholt werden

Karl-Heinz Walinski mit seiner Kreidler von 1968
|
Es sollte allerdings nicht irgendeine Kreidler
sein, sondern genau das Modell, das seinen Vater zuverlässig zur Arbeit
ins Conti-Reifenwerk nach Korbach chauffiert hat. Anfang 2000 endlich
fand der Kundendienst-Techniker aus Berndorf in Nordhessen die gesuchte
Ausführung. Eine über 30 Jahre alte, aber ziemlich vergammelte Kreidler
Florett K54. "Die Maschine musste komplett überholt werden. Bei der
Beschaffung der benötigen Ersatzteile wurde mir zum ersten Mal richtig
bewusst, wie rührig die Kreidler-Szene überhaupt ist. Es gibt engagierte
Händler und Spezialisten, die sich bestens mit der Materie auskennen.
Beim Teilenachschub gibt es kaum Probleme und um die Belange der
Besitzer kümmern sich die Kreidler-Freunde in Norden/Ostfriesland. Falls
es doch mal wo klemmt, hilft man sich gegenseitig, es wird fest
zusammengehalten." |

Karl-Heinz ist stolz auf seine Sammlung,
inzwischen sind es über 30 Kreidler Mopeds
|
Schon bald stand die Florett wie aus dem Ei
gepellt in der Garage. Dabei sollte es aber nicht bleiben. Um auf Nummer
sicher zu gehen, es könnte ja mal etwas kaputt gehen, hatte sich
inzwischen ein beachtlicher Warenbestand angehäuft. Und so dauerte es
auch nicht mehr lange und eine zweite und eine dritte Kreidler
bevölkerten die Garage. Der Rest ist Geschichte. Karl-Heinz ist
sichtlich stolz auf seine Kollektion, zeigt auf den Fuhrpark und lacht:
"Bei der Restaurierung nehme ich es nicht 100prozentig genau. Alles
exakt so wie früher zu machen entspricht einfach nicht der Realität. In
der Schnapsglas-Klasse wurde stetig verbessert, verändert, ergänzt oder
optisch aufgemöbelt. Mal sind es verchromte Seitendeckel oder auf
Hochglanz polierte Radnaben oder neue V2A-Speichen. Das meiste Know-how
wird jedoch in den Motor gesteckt. Wir nennen es immer noch frisieren.
Jeder hat da so seine Tricks auf Lager. Der wohl populärste
Kreidler-Experte ist Ralf Waldmann. Vom zweifachen 250er
Vize-Weltmeister lassen sich leistungssteigernde Auspuffanlagen,
modifizierte 70 ccm-Zylinder mit Membran-Einlass und vieles mehr
beziehen. Bei den großen Kreidler-Treffen ist Waldi meist als Ehrengast
dabei." |
Mit Schmackes zum Biker-Treff
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Platzhirsch: Schnellste Kreidler im Starterfeld!
Sascha, Jahrgang 1975, Kreidler
Florett RS von 1975
"Frisiert von Sascha" im Zeitgeist der 1970er Jahre
49 ccm, geschätzte
8 PS, 5 Gänge, 112,3 km/h digital gemessen, Dell`Orto-Vergaser 22VBS
ohne Luftfilter, Ralf Waldmann-Auspuff, Stummellenker, GFK-Radabdeckung
vorne,
hinten gekürztes Schutzblech, Ein-Personen-Sportsitzbank, digitaler-Tacho,
LDE-Rücklicht und noch einiges mehr ... |
Über verkehrsarme Nebenstraßen düst
die Rasselbande zum Biker-Treff am Diemelsee. Keiner lässt was
anbrennen, Vollgas ist angesagt. Diszipliniertes Gruppenfahren mit
striktem Überholverbot – Fehlanzeige. Für bessere Aerodynamik wird das
Kinn schon mal dicht auf den Tank gepresst, jeder Windschatten vom
Vordermann wird trickreich ausgenutzt. Fast könnte der Eindruck
entstehen, es gibt etwas zu gewinnen. Gibt es auch. Nämlich die neidlose
Anerkennung: "Mann, geht deine Mühle gut, die ist ja sauschnell und wie
hast du das nur wieder hingekriegt." |

Gruppenbild beim Biker-Treff am Diemelsee
André, Werner, Theo, Andreas, Dirk,
Horst, Karl-Heinz, Gudrun, Steffen, Sascha, Klaus-Dieter v.l.n.r. |

Dirk, Jahrgang 1966
Kreidler Florett RS von 1972
luftgekühlter, schlitzgesteuerter Einzylinder-Zweitaktmotor
49 ccm, 6,8 PS, fünf Gänge, 85 km/h
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Horst, Jahrgang 1953
Kreidler Florett RS Elektronik Typ K54 von 1979
luftgekühlter, schlitzgesteuerter Einzylinder-Zweitaktmotor
49 ccm, 6,8 PS, fünf Gänge, 90 km/h
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Karl-Heinz, Jahrgang 1952
Kreidler Florett Typ K54/32d von 1968
gebläsegekühlter, schlitzgesteuerter Einzylinder-Zweitaktmotor
49 ccm, 5,8 PS, 5 Gänge, 95 km/h
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Klaus-Dieter, Jahrgang 1947
Kreidler Florett Typ K54/53 von 1968
luftgekühlter, schlitzgesteuerter Einzylinder-Zweitaktmotor
49 ccm, 6,25 PS, fünf Gänge, 86 km/h
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Sascha, Jahrgang 1975
Kreidler Florett RS von 1975
luftgekühlter, schlitzgesteuerter Einzylinder-Zweitaktmotor
49 ccm, 8 PS (geschätzt), fünf Gänge, 112,3 km/h
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Steffen, Jahrgang 1986
Kreidler Florett RS Typ K54/53 von 1972
luftgekühlter, schlitzgesteuerter Einzylinder-Zweitaktmotor
49 ccm, 6,25 PS, fünf Gänge, 90 km/h
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Theo, Jahrgang 1946
Kreidler Florett Typ K54/OM von 1966
gebläsegekühlter, schlitzgesteuerter Einzylinder-Zweitaktmotor
49 ccm, 4,8 PS, vier Gänge, 75 km/h
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Auch "Außenseiter" sind bei den
Kreidler-Freunden herzlich willkommen!
André, Jahrgang 1978, 50er-Fan
Maico MD50 von 1975, original noch mit dem ersten Lack
luftgekühlter, drehschiebergesteuerter Einzylinder-Zweitaktmotor
49 ccm, 6,3 PS, sechs Gänge, 91 km/h
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... Zündapp K80, fast schon ein Motorrad
...
Werner, Jahrgang 1947
Zündapp K80 von 1984
luftgekühlter, schlitzgesteuerter Einzylinder-Zweitaktmotor
80 ccm, 9,6 PS, fünf Gänge, 95 km/h
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Andreas, Jahrgang 1985
Kreidler Florett RS, Typ K54/503 RS von 1980
luftgekühlter, schlitzgesteuerter Einzylinder-Zweitaktmotor
49 ccm, 6,8 PS, fünf Gänge, 85 km/h
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Beim Treff am Diemelsee gucken die anderen Biker ganz schön. Eine Horde
wilder Moped-Fahrer sieht man schließlich nicht jeden Tag. Doch so
richtig lässt sich die Aufmerksamkeit nicht einordnen. Ist es
Bewunderung oder Verwunderung. Ganz gleich. Die Kreidler-Truppe macht
auf jeden Fall mehr Show als die drei Harley-Fahrer, die gerade auf den
Platz cruisen. Da guckt nämlich keiner.
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Tolle Ausfahrt und gleich gibt es von Gudrun Kaffee und selbst
gebackenen Kuchen
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Nach gut drei Stunden sind die Kreidler-Freunde am frühen Nachmittag zurück. Akkurat parken sie ihre
Maschinen vor der Garage. Die Stimmung ist ausgelassen, so als ob sie
Bäume ausgerissen hätten. Ehefrau Gudrun, als Sozius bei Karl-Heinz bei
jedem Ausflug dabei, lacht verschmitzt: "Manchmal denke ich, die Kerle
werden nie erwachsen. Wenn die Bäuche, Falten im Gesicht und grauen
Haare nicht wären, fast könnte man annehmen eine Horde Halbstarker macht
die Gegend unsicher."
Dann gibt es erst einmal Kaffee und selbst
gebackenen Kuchen. Karl-Heinz und seine Freunde sind wieder zu Hause.
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Gudrun und Karl-Heinz Walinski
... und Tschüss bis zum nächsten Mal ...
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Kontakt:
Karl-Heinz Walinski
Ringstraße 31
34477 Twistetal/Berndorf
Kreidler-Freunde Norden e.V.
www.kreidler-verein.de
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