"American Graffiti
Faible"
Grant Ecker
Classic-Cars auf
amerikanischen Highways anzutreffen, gleicht einem Lottogewinn. Die Relikte vergangener Jahre sind inzwischen so selten
geworden, dass
sich selbst Einheimische nach ihnen umdrehen.
In Waterford bei Modesto
in Kalifornien entdeckte ich 1992 die
außergewöhnliche Fin-Car-Collection von Mandelfarmer Grant Ecker.
Text & Fotos: Winni
Scheibe
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Dass in
Amerika alles gleich paar Mal größer und weiter als bei uns ist, ist
hinreichend bekannt. Wer mit seinem Wagen von A nach B möchte, rechnet
die Entfernungen nicht in Meilen, sondern man spricht schlicht von
Fahrstunden. Von Los Angeles nach Las Vegas fährt man gut fünf Stunden,
und von "LA" nach San Francisco dauert die Reise, wenn kein Stau
dazwischenkommt, deren sechs bis acht. Aber auch das Wetter ist anders als
bei uns. Besonders da, wo eigentlich immer die Sonne scheint, nämlich in
Kalifornien. Seit eh und je gilt der Staat an der Westküste durch sein
mildes Klima besonders in der Winterzeit als das Urlaubsziel schlechthin.
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Grant Ecker und sein Sohn Grant
"Bo" Ecker junior

In Reihe und Glied:
kleine Kostprobe aus der Sammlung von Grant Ecker
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Doch
ebenso wie die Zeit der Petticoats, Schmalzlocke und der ellenlangen
Straßenkreuzer längst der Vergangenheit angehört, hält das Wetter
auch nicht mehr, was es verspricht. Grund für die Klage sind die letzten Winter. Mit sintflutartigen Regengüssen, Frost, Schnee und
tagelangem Nebel zeigte sich das kalifornische Wetter inzwischen
ausgesprochen "europäisch". Dass dieses
"Hundewetter" nicht nur den Bewohnern sondern auch den
Besuchern das Lebensglück vermieste, ist leicht zu verstehen. Besonders
aber dann, wenn man im Januar im Land der "Fin-Cars" auf
Motivsuche geht. Denn wo anders als im Ursprungsland aller
Highway-Gleiter sind die Kostbarkeiten an "jeder Straßenecke"
zu finden, zumal das Wetter ja auch immer gut sein soll... |

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Dass
das eine wie auch das andere nicht so ist, stellt der emsige
Oldtimer-Fan sehr schnell fest. Wer auf amerikanischen Straßen nach
Zeugnissen der Vergangenheit sucht, wird bitterlich enttäuscht. Die
Zeichen der Zeit haben vor den gewaltigen Cars mit den spritschluckenden
V-8 Triebwerken auch nicht Halt gemacht. Heute sind quer durch alle
Altersgruppen sparsame Fahrzeuge in. Kutschierten in den fünfziger und
sechziger Jahren die Teenies mit Daddys abgelegtem Straßenkreuzer durch
die Gegend, steht die heutige Generation auf Pick-Ups. Man könnte fast
denken, der Automarkt sei fest in japanischer Hand. Einen `57 Chevy zu
erspähen gleicht schon fast einem Lottogewinn. |

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Doch
wo stecken alle die Relikte vergangener Tage? Dass es sie noch gibt,
beweisen quer durchs Land die gut besuchten Oldtimer-Meetings - doch
diese sind überwiegend im Sommer. Wer im Januar klassische Fahrzeuge
aufstöbern will, startet sicherlich ein schwieriges Unterfangen. Wie so
oft im Leben sind es aber meist Zufälle oder vielversprechende Tipps,
die auf eine heiße Spur führen. Von Jürgen Rott erfuhr ich,
dass in der Nähe von Modesto ein Farmer eine außergewöhnliche
Autosammlung besitzt. |

Berühmteste Brücke der Welt: Golden
Gate
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Ohne eine genaue Vorstellung, was sich
hinter diesem Tipp wirklich verbirgt, ging die Erkundungsreise über den
berühmten Highway Nr. 1 von "LA" nach San Francisco. Nach
einem kurzem Stop in San Francisco offenbarte sich 90 Meilen östlich
von der "Golden-Gate" Brücke der Ort Modesto als
ausgesprochen trist. Abgesehen von den üblichen Motels und Restaurants,
gab es nichts Aufregendes zu entdecken. Was die fast 180.000 Einwohner von
Modesto in ihrer Freizeit machen, mag wissen wer will. Vom einst
ruhmreichen "Wilden Westen" ist hier auch nicht viel übrig
geblieben. Wenige Meilen außerhalb von Modesto in Waterford
schlägt die Provinz vollends zu. Weitläufige Mandelbaum-Felder prägen
das Landschaftsbild. Grant Ecker ist Boss einer solchen Mandelfarm. Über
Langeweile kann er sich aber nicht beschweren. Was sich dieser Farmer
außerhalb der Erntezeit an Arbeit einbrockt, hat er sich selbst
zuzuschreiben. Auf dieser Farm eine der größten privaten
Autosammlungen von Kalifornien zu finden, erscheint im ersten Moment als
unwahrscheinlich. Aber ein Blick in die Lagerhallen belehrt eines
besseren. Grant Ecker ist nämlich Autonarr durch und durch. Seine
Leidenschaft gilt den amerikanischen Fabrikaten aus den fünfziger und
sechziger Jahren. Was Grant in den letzten zwei Jahrzehnten hier
angesammelt hat, lässt selbst Insider erstaunen.
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Wer
den Film American Graffity gesehen hat, kennt mein Faible",
beschreibt der sympathische Autofan sein Hobby. "Mit sechzehn habe
ich den Führerschein gemacht und 1957 meinen ersten Wagen, einen 41er
Chevy Pick-Up, bekommen. Schon sehr früh haben mich Autos fasziniert,
aber von einer Sammlerleidenschaft war damals noch keine Rede." |

Grant Ecker und Ehefrau Patty mit einem
56er Chevrolet Bel Air
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Erst
einige Jahre später, Mitte der sechziger Jahre, begann er, seine Wagen
zu horten. Er stellte sie einfach in eine der Scheunen, denn Platz war
ja genug vorhanden. Richtig los mit der Sammlerlust ging's 1980.
"Damals konnte ich einige meiner Traumwagen für wenige Dollar
kaufen. Viele Besitzer waren regelrecht froh, ihre Schlitten
loszuwerden." |
Blick in die "geheiligten Hallen"
viele Wagen warten noch auf ihre Restauration
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Wer seine Sammlung betrachtet, kann zum
Eindruck kommen, die Zeit sei für ihn damals stehen geblieben. Was
seinen Autogeschmack betrifft, mag die Beobachtung sicherlich zutreffen,
doch im Farmergeschäft hat der Boss, wie er von seinen Leuten genannt
wird, die Nase vorn. Gut 90 Prozent seiner Mandeln exportiert der
clevere Geschäftsmann nach Deutschland. Etwa vier Monate, von September
bis Ende Dezember, dauert die Ernte, in dieser Zeit muss Grant auf sein
Hobby verzichten. Sind nach Weihnachten die letzten Mandelsäcke vom Hof
verschwunden, werden erst einmal einige Tage Urlaub eingelegt. Danach
kann sich der Boss wieder voll seinem Restaurierungseifer widmen. Die
Collection reicht vom 59er Chevy Impala, 57er GMC Pick-Up, 57er Chevy
Panel Truck, 60er Oldsmobile Super 88, 64er Corvette Roadster, 57er
Pontiac Convertible, 78er Corvette Peas Car bis zu einem
"modernen" 74er Mercedes 450 SLC, etwas Deutsches braucht
Grant Ecker ja schließlich auch in seiner Sammlung. Darüber hinaus
wartet noch eine Reihe unrestaurierter Fahrzeuge in den Hallen.
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Über 30 Klassiker stehen mittlerweile fein
säuberlich aufpoliert oder top-restauriert in drei geräumigen
Lagerhallen. "In erster Linie müssen die Wagen 100 prozentig
original sein," verrät Ecker seine Philosophie. Einige besitzen
sogar noch ihren ersten Lack. Gebrauchsspuren, wie zum Beispiel oberhalb
der Fahrertür vom "Armrauslegen" abgescheuerter Lack, stören
ihn aber wenig, diese "Verschleißerscheinungen" gehören
genau wie die original Nummernschilder von damals zum Wagen.
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Aber nicht jeder Straßenkreuzer ist beim
Kauf im Originalzustand. Wenn`s ans Restaurieren geht, ist der
hauptberufliche Farmer in seinem Lieblingselement. Alle Arbeitsgänge
vom Aufarbeiten der Innenausstattung bis zum Aufpolieren der Außenhaut
werden in der gut eingerichteten Werkstatt durchgeführt. Unterstützt
wird er hierbei von seinem Filius "Bo". Beschädigte
Chromteile werden neu verchromt, und ist der Lack ramponiert, erhält
die Karosse eine neue Lackschicht. Hierbei achtet der Perfektionist
peinlich darauf, dass der gleiche Farbton wie früher aufgespritzt wird.
Für Überholungsarbeiten an Motor, Getriebe oder Fahrwerk baut er die
Teile aus und lässt sie in den entsprechenden Fachwerkstätten
reparieren. Den Einbau und alle erforderlichen Einstellarbeiten erledigt
er dann wieder selbst. Um für die Fotoaufnahmen einige Fahrzeuge ins
rechte Licht zu rücken, erklärte sich Grant Ecker sofort bereit,
einige Autos ins Freie zu fahren.
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Pontiac Chieftain von 1957, Originallack
"Coral", V 8 Motor, 5,7 Liter, 255 HP,
Viergang-Automatik, Trommelbremsen, insgesamt 19 Sonderausstattungen |
Der 57er Pontiac Chieftain spiegelt mit
seiner pinkfarbenen Lackierung haargenau das Feeling der "American
Graffiti" Generation wieder. Diesen zweitürigen "Hard-Top"
konnte Grant Ecker vor einigen Jahren im Originalzustand kaufen. Solche
Schnippchen gelingen aber nicht immer. Das bereits 34 Jahre alte
Fahrzeug hatte nämlich nur etwas über 66.000 Meilen auf dem Buckel.
Nachdem er den Wagen zwei Monate lang gründlich aufpoliert hatte,
konnte der Pontiac ohne weitere mechanische Überholung in die Sammlung
aufgenommen werden. Der Wagen ist technisch in bester Verfassung und
steht jederzeit zu einer Ausfahrt bereit.
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Pontiac Star Chief/Safari von 1957,
Originallack "Kenia-Ivory",
V 8 Motor, zwei Doppelvergaser, 5,7 Liter, 290 HP, Viergang-Automatik
"Hydro-Matic",
Trommelbremsen, Ausstattung: Radio, aufklappbares Heckfenster
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Mit
dem 57er Pontiac Star Chief/Safari erledigt Ehefrau Patty hin und wieder
Einkaufsfahrten ins nahe gelegene Modesto. Der zweitürige Kombi ist
für diese Fahrten ausgesprochen praktisch und wurde daher auch regulär
zugelassen. Ebenfalls zugelassen ist der knallrote 67er Ford Mustang
Convertible. |

Buick Century von 1957, Originallack
"Pool-Weiß", V 8 Motor, 6 Liter, 300 HP,
Dreigang-Automatik, Trommelbremsen, Ausstattung: elektrische
Fensterheber,
elektrisch verstellbare Sitze, elektrische Antenne, De Luxe Radio,
Aircondition
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Den Buick Century, ohne irgendwelche
Rostspuren, konnte Grant Ecker in Texas kaufen. Abgesehen von einer
gründlichen Lackpolitur, steht der 57er Buick heute noch genau so da,
wie Ecker das Fahrzeug damals aus dem Mittleren Westen geholt hat.
Qualitätswerte, von denen europäische Oldtimerfans sicherlich nur
träumen. Dagegen musste der 56er Chevrolet Bel Air total restauriert
werden. Dieses Fahrzeug wurde von dem emsigen Bastler bis in die letzte
Schraube zerlegt und von grundauf neu aufgebaut.
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Chevrolet Bel Air von 1956, neu lackiert
"türkis/beige", V 8 Motor, 4,4 Liter, 225 HP,
Dreigang-Automatik mit Overdrive, Trommelbremsen,
das Fahrzeug wurde vollständig restauriert
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So
umfangreich diese Sammlung auch ist, für Publikumsverkehr ist sie nicht zu gängig. Auch beabsichtigt der Farmer
keineswegs, irgendwann einmal ein Museum zu eröffnen. "Diese Autos
stellen ein Stück meiner Lebensgeschichte dar. Wenn ich Lust habe,
möchte ich mich einfach in einen dieser Wagen setzen und wegfahren. Im
Sommer ist es hier viel schöner als jetzt im Winter, da solltest du
noch mal vorbeikommen, und wir machen einen Ausflug in den Yosemite
National Park oder nach San Francisco. "Eine Einladung, die man
sich nicht zwei Mal überlegen sollte... |

Ford Mustang Convertible von 1967, neuer
Lack und neues Dach, aber sonst original,
V 8 Motor, 4,8 Liter, 225 HP, Dreigang-Automatik, Trommelbremsen
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Dass
seine Wagen aber nicht nur in den Hallen herumstehen, zeigt die
Tatsache, dass seine jüngste Tochter Coree jeden Tag mit dem 67er Ford
Mustang in die Schule fahren darf. Wer möchte da nicht noch einmal die
Schulbank drücken und nach dem Unterricht die jungen Dame zum Eisessen
begleiten. Aber auch der Boss steigt gerne in einen seiner
"Oldies". Dass bei diesen Ausfahrten die Nummernschilder der
damaligen Zeit angeschraubt bleiben, stört kaum jemand. In Amerika ist
eben doch einiges anders als bei uns. Auch wenn das Klima der letzten
beiden Jahren unserem Winter zum Verwechseln ähnlich geworden ist. |
Ein altes Sprichwort sagt:
"Man trifft sich im Leben immer zweimal" |

Harley-Tour
2003
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Bei
unserer Harley-Davidson Tour 2003 hatte uns Grant Ecker Sonntag Mittag zum Barbecue eingeladen. Die
eigentliche Überraschung für die Tourteilnehmer sollten aber seine Oldtimer
werden. Jetzt waren wir "richtig in
Amerika" angekommen. Unsere Harleys parkten im Hof, im Garten
brutzelten auf einem Schwenkgrill riesige T-Bone-Steaks und die
picobello restaurierten Oldies ließen uns in die Welt der Petticoats,
Lollipops und Hula-Hoop mit der Musik von Little Richard, Bill Harley,
Chuck Berry und Elvis eintauchen. Die Überraschung war gelungen, ein
großes Dankeschön an Grant.
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Dr. Peter Struck ließ sich die Sitzprobe im Hot Rod nicht nehmen
und machte aus
seinen Emotionen keinen Hehl: "Als bekennender Blues
Brother-Fan könnte
ich mir zu Hause neben meiner BMW so einen Schlitten
gut vorstellen."
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Grant "Bo" Ecker junior, Dr. Peter
Struck, Grant Ecker, Ute Vogt,
Bernd Lange
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