Kenner & Sammler
DKW ZSW500 von 1928
Jens Weißleder |
Das kleine Wunder ganz groß in Rot
Nach Dampfkraftwagen begann Anfang der 1920er Jahre bei
DKW in
Zschopau die Motorenproduktion für Zweiräder.
"DKW: Das kleine Wunder, fährt Berge rauf wie andere runter", ging als
Werbeslogan in die Geschichte ein. Schon wenige Jahre später kam ein
Luxusmotorrad mit 500er Zweizylinder-Zweitaktmotor auf den Markt.
Der
über 80 Jahre alte wassergekühlte Twin von Jens Weißleder befindet
sich nicht nur technisch und optisch im tadellosen Zustand, mit ihm
lässt sich
auch noch ganz prächtig durch die Landschaft chauffieren.
Text: Winni Scheibe
Fotos: Winni Scheibe,
Archiv-Weißleder, Werk
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Jens Weißleder mit seiner DKW ZSW 500 von
1927 |
Die Gegend ist ziemlich flach, landwirtschaftliche Betriebe soweit das
Auge reicht. Blankenhain liegt zwischen Gera und Zwickau, zum
Sachsenring oder ins Erzgebirge ist es nur einen Katzensprung. Jens
Weißleder zeigt auf einen kleinen Hügel und verrät: "Da hinten beginnt
bereits Thüringen, unser Grundstück liegt gerade noch in Sachsen. Wir
sind anders als die da drüben, das war schon immer so und daran wird
sich hoffentlich auch nichts ändern. Sachsen ist das Land der Tüftler,
Erfinder, Techniker und Ingenieure. Zwischen den beiden Weltkriegen
gab es bei uns über 80 Motorradfirmen und DKW in Zschopau war über
Jahre hinweg sogar weltgrößter Zweiradhersteller. In den 1930er Jahren
kamen zu den Rennen auf dem Sachsenring zwischen 200.000 und 300.000
Schlachtenbummler, heute sind es beim MotoGP-Wochenende wieder über
200.000 Zuschauer. Wir Sachsen sind einfach motorradverrückt."
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Jens Weißleder im Garten "noch auf
sächsischem Boden"
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Jens Weißleder, Jahrgang 1973,
ist sichtlich stolz auf seine Heimat. Unumwunden gibt er auch zu,
genau wie seine Landsleute vom Motorradbazillus befallen zu sein.
Abgesehen von der BMW R1100GS und der Aprilia RSV mille, die er mal
besessen hat, gehört seine Leidenschaft inzwischen voll und ganz den
Oldtimern aus den 1920er und 1930er Jahren.
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Jens Weißleders Sammeleidenschaft gehörten den
Maschinen
aus den 1920er und 1930er Jahren |
Meine erste Maschine, die ich
als 18jähriger restauriert habe, war 1991 eine IFA 125RT. Sie besitze
ich noch heute, die 125er von 1963 hat ihren Ehrenplatz in meiner
Sammlung. Anfang 1996 bin ich beim Stöbern in Oldtimer-Magazinen auf
einen Bericht über die seltene DKW ZSW500 gestoßen. Die ganz in Rot
lackierte Maschine war sofort meine Traummaschine. In der Folgezeit
habe ich alle möglichen Verkaufsanzeigen durchforstet, bin zu
Oldtimer-Veranstaltungen gefahren und habe Oldtimer-Rallyes besucht.
Bei der Ibbenbürener Motorrad-Veteranen-Rallye 2001 habe ich dann den
Schweizer Teilnehmer Urs Spuhler mit seiner wassergekühlten
Zweizylinder DKW ZSW500 kennen gelernt. An einen Verkauf war bei ihm
aber nicht zu denken, trotzdem haben wir unsere Adressen ausgetauscht
und blieben in Verbindung. Meine Geduld sollte sich lohnen, aus
Altersgründen wollte er die Maschine abgeben und Mitte 2005 stand der
500er Twin endlich bei mir zu Hause", gibt Jens Weißleder zu
Protokoll.
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Mitte 2005 stand die begehrte DKW ZSW500,
allerdings noch in schwarzer Lackierung,
endlich bei Jens Weißleder auf dem Hof
(Foto: Archiv-Weißleder) |
Nach gut 80 Jahren zurück in die sächsische Heimat
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Längst kannte der
Oldtimer-Experte aus Blankenhain Einzelheiten über die DKW. Die
Maschine war im März 1927 in schwarzer Lackierung noch als Z500 in
die Schweiz geliefert worden. In der vom Werk aus nachträglich
angebotenen Umrüstaktion auf Wasserkühlung erhielt die 500er einen
neuen Zylinder, Zylinderkopf und die beiden seitlich positionierten
Kühler. Damit war 1928 aus der luftgekühlten Z500 eine ZSW500, das
"Z" steht für Zweizylinder, das "S" für Sport und das "W" für
Wasserkühlung, geworden. Die ganze Zeit über war die DKW im normalen
Straßenverkehr und später bei Oldtimer-Rallyes bewegt worden. In der
Schweiz hatte die Luxusmaschine aus Zschopau zwei Besitzer, Jens
Weißleder ist nun erst der dritte Eigner. Nach Insiderschätzung sind
heute nur noch 40 Maschinen von diesem seltenen Modell bekannt.
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DKW ZSW500

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Die ZSW500 war zwar im
fahrbereiten Zustand, auch der Motor lief tadellos und die Schaltung
des Dreiganggetriebes funktionierte perfekt, doch optisch gefiel sie
mir mit ihrer schwarzen Lackierung überhaupt nicht. Und so habe ich
die DKW wie alle meine Oldtimer zuvor bis zur letzten Schraube
zerlegt. Die Restauration beschränkte sich dann lediglich aufs übliche
Putzen und Säubern einzelner Bauteile und die Umlackierung in Rot.
Weder beim Triebwerk noch bei der Fahrwerkslagerung waren Neuteile
erforderlich. Lediglich beim Organisieren der Hand-Ölpumpe auf dem
Tank sind etliche Wochen intensiven Suchens draufgegangen", lässt
Jens Weißleder wissen.
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Jens Weißleder mit seiner DKW ZSW500 im
Sommer 2009

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Über gut ein Jahr zog sich die
Restauration hin. Mitte 2006 war das Werk vollbracht, TÜV-Abnahme und
Zulassung waren dann nur noch reine Formsache. Seit dieser Zeit hat
Jens Weißleder etliche Klassiker-Ausstellungen und Oldtimer-Rallyes
mit seiner ZSW500 besucht. Hat Ehrungen erfahren und zahlreiche
Pokale mit nach Hause nehmen können. Mal für die älteste Maschine bei
der Veranstaltung, mal für das best-restaurierte Motorrad auf dem
Platz, ein anderes Mal für das beste Rallye-Ergebnis. Jens Weißleders
Traum von seiner Traummaschine hat sich erfüllt. Das Motorrad
entspricht optisch und technisch genau seinen Vorstellungen, und wenn
er mit dem wassergekühlten Twin auf Achse ist, fühlt er sich in die
Zeit von damals zurück versetzt: "fährt Berge rauf wie andere runter".
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DKW
Z500 und ZSW500

DKW Werbeanzeige von 1928 |
Die Geschichte der Firma DKW im
sächsischen Zschopau klingt aus heutiger Sicht fast wie ein
Erfolgsmärchen. Das Unternehmen wurde 1907 vom dänischen Ingenieur
Jörgen Skafte Rasmussen gegründet und nachdem bereits 1917 ein
"Dampfkraftwagen" mit der Bezeichnung "DKW" entstand, hatte Rasmussen
gleichzeitig den zukünftigen Firmennamen gefunden.
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DKW "Golem" von 1922
122 ccm, 1 PS, 40 km/h
(Foto: Werk) |
Zum Mikrokosmos im Maschinenbau
wurde ab 1920 ein 1 PS starker 118 ccm Zweitakt-Hilfsmotor, der sich
an Fahrräder montieren ließ. Bekannt wurde das winzige DKW-Kraftwerk
als "Das Kleine Wunder". Keine drei Jahre später verließen die ersten
richtigen Motorräder das DKW-Werk im Erzgebirge. Es waren durch die
Bank weg robuste und zuverlässige Einzylinder-Zweitaktmaschinen mit
bis zu 300 Kubik Hubraum. Die Fabrik wuchs von Jahr zu Jahr in
atemberaubender Geschwindigkeit. Inspiriert von der englischen Scott
mit 600er Zweizylinder-Zweitaktmotor beschloss Firmenchef Rasmussen
ebenfalls eine Zweizylinder-Zweitaktmaschine auf den Markt zu bringen.
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DKW Reichsfahrtmodell von
1922
143 ccm, 2,5 PS, 65 km/h
(Foto: Werk) |
Anfang 1927 konnte DKW das neue
100 km/h schnelle Topmodell Z500 präsentieren. Der 12 PS starke
luftgekühlte Twin war zur besseren Kühlung an der rechten Motorseite
mit einem Gebläse ausgestattet. Gut durchdacht war diese konstruktive
Maßnahme jedoch nicht. Die heiße Luft vom rechten Zylinder bekam der
linke Zylinder deutlich zu spüren und als Folge kam es immer wieder zu
Überhitzungen und zwangsläufigen, kapitalen Motorschäden. Bereits Ende
des Jahres verzichteten die DKW-Techniker auf die Gebläsekühlung und
spendierten der Z500 Beinschilder, die gleichzeitig so ausgeführt
waren, dass sie den Fahrtwind nun gleichmäßig auf die Zylinder
leiteten.
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DKW ZSW500 von 1928
500 ccm, 14 PS, 100 km/h
(Foto: Werk) |
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DKW RT100 von 1938
100 ccm, 3 PS, 60 km/h
(Foto: Werk)
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DKW ORS
Spezialgeländemotorrad von 1939
250 ccm, 12,5 PS, 120 km/h
(Foto: Werk) |
Vollkommen ausgereift war die
neue Zweizylinder-Sportmaschine dadurch allerdings immer noch nicht,
weiterhin kam es durch thermische Probleme zu Motorschäden. Nach rund
1000 produzierten Einheiten brachte DKW 1928 als Nachfolge-Modell der
Z500 die ZSW500 auf den Markt. Clou der neuen Maschine war die
Wasserkühlung mit jeweils links und rechts am vorderen Rahmenzug
befestigten Kühlern. Das System war so ausgelegt, dass die
Thermosiphonkühlung eine Wasserpumpe überflüssig machte. Das
modifizierte und standfeste Triebwerk leistete nun 14 PS und bot sich
somit auch als ideale Gespannmaschine an.
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DKW ZSW500 |
Nur ein Jahr blieb die ZSW500,
die 1928 insgesamt gut 1000 mal gebaut wurde, im Angebot. Mit der
vollkommen neu entwickelten wassergekühlten Super Sport 500 schlug DKW
ab 1929 ein neues Kapitel in der Kategorie Luxusmotorrad auf. Den
größten Umsatz erzielte DKW jedoch mit den Einzylinder-Maschinen. 1929
verließ alle 87 Sekunden ein Motorrad das Werk in Zschopau und längst
war DKW zum weltgrößten Motorradhersteller aufgestiegen.
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Die Sammlung von Jens
Weißleder
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In der Regel stehen im Keller
ausrangierte Sachen, Gartengeräte, ein paar Bierkisten und
Eingekochtes. Bei Weißleders ist das nicht viel anders. Nur sind es
hier noch dazu alte Motorräder, eine Werkbank, gut sortiertes
Werkzeug, ein Montagebock, einige Werkzeugmaschinen, eine Glasvitrine
mit gut 250 Pokalen und Medaillen sowie wunderschöne Zeitzeugnisse aus
längst vergangenen Epochen.
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Auf der Montagebank: Wanderer Typ 616 von
1921 |
Der Fuhrpark umfasst inzwischen
acht Maschinen: eine Einzylinder-Zweitakt IFA RT125 von 1963, eine
Einzylinder-Zweitakt Ardie RBZ-Sport 200 von 1936, eine
Einzylinder-Viertakt Standard BT500 von 1929, eine
Zweizylinder-Zweitakt DKW ZSW500 von 1927, eine Zweizylinder-Viertakt
NSU 502T von 1926, eine Einzylinder-Viertakt Ardie TM504 von 1934,
eine V2-Viertakt Motosacoche "Kaffeemühle 600" von 1919 und eine
V2-Viertakt Wanderer Typ 616 von 1921, die mittlerweile zu gut 90%
restauriert ist.
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Buch-Tipp:
DKW
Motorräder aus Zschopau 1921-1945
Jörg Sprengelmeyer
ISBN 978-3-935517-31-7
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