Fahrberichte


Honda CBR600F/ CBR600F Sport
Modelljahr 2001

 

"Nimm Zwei"

Mit den neuen Einspritz-600ern zieht Honda gleich mehrere Asse aus
dem Ärmel. Die eine ist die logische Weiterentwicklung der bekannten
CBR600F, die andere, die man CBR600F Sport nennt, dient als
Basis-Maschine für die heißumkämpfte Supersport-Meisterschaft.
Die Sport ist ein echter Rennhobel mit G-Kat und Straßenzulassung.

Text&Fotos: Winni Scheibe

Den Experten braucht man nichts vorzumachen. Für sie ist die Honda CBR600F eine alte Bekannte. Auch kein Wunder. Die beliebte Sportmaschine gibt es ja auch schon seit 1987. Honda hat von diesem Modell über 320.000 Maschinen gebaut, hat das Bike ständig weiterentwickelt, hat mit dem agilen Flitzer unendlich viele Sport- und Rennerfolge erzielt, hat reihenweise Vergleichstests gewonnen und hat mit dem Allroundgenie in der 600er-Klasse immer wieder das Maß der Dinge bestimmt. Soweit die Historie.


Erste CBR600F von 1987

CBR600F von 2001 mit Drei-Wege-Katalysator

Für das Modelljahr 2001 möchte der weltgrößte Motorradhersteller diesen Erfolgstrend fortsetzten. Und die Aktien stehen sogar gut. Neben neuer Optik, tadelloser Fahrbarkeit, spielerischem Handling, granatenmäßigen Bremsen und ausgewogener Leistungsentfaltung, darf sich Honda in der beinhart umworbenen 600er Supersport-Klasse als erster Hersteller das Prädikat Umweltverträglichkeit ans Brevier heften. Beide, die CBR600F und die CBR600F Sport, sind nämlich mit ausgeklügeltem Motormanagement, computergesteuerter Einspritzanlage und Drei-Wege-Katalysator ausgestattet.
Durch diese Maßnahmen ließ sich der Benzinverbrauch reduzieren und die Auspuffgase liegen schon heute deutlich unter denen der geplanten europäischen EURO-2-Abgasnorm, die erst ab 2003 gültig werden soll. Mit dieser Technologie straft Honda jeden Lügen, der da behauptet, bei Supersportlern würde sich der G-Kat nur nachteilig auswirken und sowieso nicht funktionieren. Alles Quatsch und außerdem wird’s der Fahrer kaum merken. Man sieht und hört den G-Kat nicht und langsamer fährt der Wetzhobel dadurch auch nicht.


Präsentation Ende 2000 der neuen CBR in Almeria in Südspanien


Für die Pressevorstellung der beiden brandneuen 600er hatte Honda Ende Oktober 2000  Almeria in Südspanien gewählt. Eine gute Wahl. Strahlendblauer Himmel und gut 25 Grad verschafften optimales Biker-Feeling. Man hatte die Testfahrten auf zwei Tage verteilt. Zuerst war mit der CBR600F ein ausgiebiger Ausflug rund um Almeria angesagt, am nächsten Tag stand die Sport zum Rennstreckentest bereit.



CBR600F


CBR600F Sport


Die 600er Honda ist für ihre Sportlichkeit bekannt. Und das zeigt sie jetzt auch. Gemeint ist damit die neue Frontverkleidung mit dem Multireflektor-Doppelscheinwerfer.
Das sieht zwar unheimlich aggressiv aus, erinnert jedoch etwas an die pfeilschnelle Yamaha R1. Doch über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten und hier mag jeder für sich selbst entscheiden, ob es gefällt oder nicht.

Begeistern kann dagegen die Sitzposition, sie ist sportlich aber nicht verkrampft. Alles stimmt, Sitzhöhe, Position der Fußrasten, die Stummellenker liegen griffgenau in den Händen, Hebel und Schalter lassen sich tadellos bedienen.

Wer die CBR bereits kennt, möchte diese Annehmlichkeiten nicht mehr missen; wer sich demnächst für die CBR entscheidet, wird es bald zu schätzen wissen. Brandneu dagegen ist die Einspritzanlage. Ohne Choke springt das Triebwerk spontan an, schnurrt im Leerlauf wie ein Kätzchen, hängt sauber am Gas. Zum Anfahren sind zum Glück keine Drehzahlorgien nötig, erster Gang rein, Kupplung kommen lassen und ab geht die Post. Das ist längst nicht selbstverständlich, Triumph zum Beispiel hat mit der Einspritzanlage bei der neuen TT600 da noch erhebliche Probleme.



Winni Scheibe bei Testpause

Auf den gut ausgebauten Landstraßen rund um Almeria zeigt sich die Honda voll in ihrem Element. Das aber wirklich Positive ist die Motorencharakteristik: sie fährt sich nämlich überhaupt nicht aggressiv. 

Problemlos lässt sich im großen Gang bei rund 6000 Touren mit guten 100 Stundenkilometern über den Asphalt rollen. Wem dies auf Dauer jedoch zu langweilig ist, braucht den Gasgriff bloß ein wenig weiter auf zu drehen. Wie eine Turbine dreht der Motor blitzartig hoch und schiebt die CBR gnadenlos vorwärts. Wer ganz heiß auf Landstraßen-Surfen ist, lässt in den unteren Gängen die Drehzahlmessernadel bis zum roten Bereich tanzen. Doch Gnade jedem, der dabei von der Polizei erwischt wird. Man ist dann nicht nur schnell, sondern meist sogar viel zu schnell unterwegs.



Aufgeräumt: Stabiles Alu-Fahrwerk

Fahrbahnunebenheiten und Bodenwellen steckt das Fahrwerk mit links weg, die CBR liegt einfach satt auf der Straße. Und eine Wucht ist die Bremsanlage. Der Vorderrad-Stopper erscheint dem kritischen Tester allerdings fast schon zu scharf. Um das Gummi auch bei hohem Tempo zum Wimmern zu bringen, genügen zwei Finger Handkraft. Wer allerdings in einer Schrecksekunde den Bremshebel allzu fest zieht, überbremst unwillkürlich das Vorderrad und es blockiert sofort. Vielleicht sollte man sich bei Honda endlich auch mal über ein ABS Gedanken machen. Schließlich ist nicht jeder CBR-Fahrer ein Stoppi-Künstler wie zum Beispiel GP-Pilot und 500er-Vize-Weltmeister Valentino Rossi. Um im Alltag den Bremsanker sinnvoll zu nutzen, sollte man tüchtig trainieren, damit sich bald ein gutes Gefühl im rechten Handgelenk einstellt. Übung macht bekanntlich den Meister, und die fallen eben nicht vom Himmel.
Doch wem braucht man das schon zu sagen. Wer sich für die CBR600F entscheidet, will schließlich kein Mauerblümchen sondern einen Straßenfeger. Und das ist das Bike mit Sicherheit. Aber noch viel mehr. Eigentlich kann man mit der CBR ziemlich viel anstellen: gemütlich bummeln, zu zweit fahren, voll bepackt auf Urlaubstour gehen, es flott gehen lassen oder auch Sonntagsmorgens richtig rum rasen. Hat man sich auf dem nur 170 kg schweren Leichtgewicht eingeschossen, können sich Super- und Bike-Bike-Heizer warm anziehen. Dreht nach Lust und Laune Kreise um sie, verledert die Dickmänner nach Strich und Faden.

Bei allem Spektakel bleibt die CBR600F aber ein ganz normales Sportmotorrad, das man seiner besten Freundin oder Freund geben und beruhigt sagen kann: "probier sie doch einfach mal aus". Und das ist ein verdammt gutes Gefühl.

"Ready to go"

Für Sportfreunde und Rennprofis:
CBR600F Sport

 

Eigentlich müsste die CBR600F Sport "Racing" heissen. Sie ist nämlich das Basis-Bike für die populäre Supersport-Meisterschaft. Das ist eine Serienmaschinen-Rennklasse, in der nur wenige technische Änderungen erlaubt sind. In diesem Jahr ging der WM-Titel erstmalig an den Deutschen Jörg Teuchert auf Yamaha R6. Für die nächste Saison werden die Karten jedoch neu gemischt und Honda möchte mit der "Sport" ein Wörtchen mitreden.
Auf den ersten Blick gleichen sich "F" und "Sport" wie ein Ei dem anderen. Die optischen Unterschiede sind auch schnell aufgezählt. Beim Renner sind Gabel, Rahmen und Schwinge Temple Schwarzmetallic lackiert, die Lackteile leuchten in Winning-Rot und die Sitzbank ist als "Einmann-Rennhöcker" mit "Beifahrer-Notsitz" ausgelegt. Zum Serien-Tuning gehören verstärkte Ventilfedern und Kupplung sowie verkürzte Endübersetzung.

 


Honda CBR600F Sport

Als ein ganz anderes Motorrad zeigt sich die Sport auf der neuen Rennstrecke bei Almeria. Sie wirkt gegenüber der "F" wesentlich direkter und straffer. Verantwortlich hierfür ist die härtere Fahrwerksabstimmung und die dünne Sitzpolsterung. Sofort outet sich der Brenner als messerscharfe Rennmaschine. Zielgenau lässt sich der Flitzer um den Rennkurs dirigieren, giert nach Schräglage, will ständig auf der letzten Rille verzögert werden und schreit gleich hinter der Kurve nach Drehzahl. Und vor der braucht sich weder Mensch noch Maschine zu fürchten, der Rote Bereich beginnt auf dem Drehzahlmesser nämlich erst nach bei der 14.000-Marke. Wer das Hochschalten vergisst, kann nichts kaputt machen. Der Drehzahlbegrenzer regelt automatisch ab, ein Überdrehen ist nicht möglich.
Noch vor Jahren haben Speedfreaks von solch einer Rennmaschine mit Straßenzulassung geträumt. Heute gibt es sie für rund 18.500 Mark bei jedem Honda-Händler zu kaufen. Jetzt fehlt eigentlich nur noch die Rennstrecke hinterm Haus.

Fazit:

Bereits seit 1987 gibt es die CBR600F und sie gehört zweifellos zu den ausgereiftesten Hondas überhaupt. Fast möchte man sogar behaupten, sie ist nun mit Einspritzanlage und G-Kat perfekt. Das darf man aber nicht, sonst gäbe es in Zukunft ja nichts mehr zu verbessern.

Eine gute Idee war es, neben die "F" die nur 500 Mark teurere "Sport" zu stellen. Für die Heizerfraktion unter den Sportfahrern genau das Richtige, an zu zweit Fahren denken hier sowieso nur die Wenigsten und für die WM-Aspiranten könnte die Basis kaum besser sein.


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