Fahrberichte


BMW R 850 C Cruiser
Modelljahr 1999

"Bayern-Madel"

Mit der R 1200 C Cruiser ist BMW der große Wurf gelungen.
Was jetzt nur noch fehlte, war eine kleine Schwester.
Einen passenden Namen hatte man schnell gefunden: R 850 C.

Text&Fotos: Winni Scheibe




Kaum zwei Jahre ist die BMW R 1200 C auf dem Markt und schon kann sich der bayrische Cruiser vor Lob und Lorbeeren kaum noch retten. Gleich in sieben europäischen Ländern wählten die Leser von den jeweiligen Motorradmagazinen das Bike zum "Cruiser des Jahres" 1999. Und sogar eine Goldmedaille hat der extravagante Boxer gewonnen. Die "Industrial Designers Society of America" vergab den Preis: "The Best Product Designs of the Year 1999". Herzlichen Glückwunsch BMW! Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.




Nun ist der Cruiser mit seinen 1200 Kubikzentimeter Hubraum allerdings ein gewaltiges Big Bike. Für Einsteiger oder Wiedereinsteiger abschreckend groß, etwas weniger Hubraum wäre für manche Cruiser-Fans mehr. Kein Problem für BMW. Dank ausgeklügeltem Baukastensystem ist es dem bayerischen Motorradhersteller gelungen, den Motor eine "Nummer kleiner" ausfallen zu lassen.




Anstatt der 1170 ccm verfügt die kleine Schwester lediglich über nur 848 ccm. Gegenüber der großen mit 61 PS, fällt natürlich die Motorleistung mit 50 PS entsprechend geringer aus. Wahlweise gibt es für Einsteiger den 850er Cruiser auch in einer 34 PS-Version.




In Abmessung und Gewicht liegt sie jedoch auf dem Level der großen Schwester. Auch optisch lässt sie sich vom dicken Highway-Gleiter kaum unterscheiden. Lediglich das "R 850 C"-Label seitlich am Tank verrät, um welches der beiden Modelle es sich überhaupt handelt. Und weil die eine eben die Hubraum- und PS-schwächere ist, kostet sie mit 23.880 Mark auch genau 1000 Mark weniger als die andere. Nicht gespart wird an der Ausstattung, Einspritzanlage und G-Kat sind serienmäßig, das ABS kann als Zubehör geordert werden. 




Mit den Cruiser-Modellen ist BMW nun in einen Motorradmarkt vorgestoßen, was man den Bayern eigentlich nicht zugetraut hätte. BMWs stehen schließlich für ausgereifte Tourer, schnelle Sportler und unverwüstliche Enduros. Mit der sogenannten "Langgabelfraktion", der Chopper- oder auch Cruiser-Szene, hatte man bis vor kurzem nicht das Geringste am Hut. Doch die Zeiten ändern sich und so, wie man mit der F 650 eine Einzylinder-Maschine wieder mit ins Programm aufgenommen hat, war der Schritt zur Gemütlichkeit nicht weit. Denn darum geht es im Cruiser-Leben hauptsächlich. Und genau für diese Vorgabe wurde erst die R 1200 C und später dann die R 850 C entwickelt und gebaut. Cruising ist nämlich noch einmal etwas ganz anderes als Chopperfahren und mit den beinharten Bikern auf ihren skurrilen Maschinen im Easy Rider-Look haben Cruiser auch nichts zu tun.  
Cruiser stehen über den Dingen, sie fahren auch nicht, sondern sie gleiten. Und weil weder Geschwindigkeit noch Kurvenkratzen im Mittelpunkt stehen, lässt es die Cruiser-Fraktion behutsam angehen.
Und deswegen ist es auch überhaupt nicht traurig, dass die R 850 C "nur" 50 PS hat. Für zügiges Vorwärtskommen reicht die Leistung allemal. Zwar kommt das Bike auf rund 175 Sachen, doch bei diesem Tempo ist man erbarmungslos dem Fahrtwind ausgesetzt. 

Mit Vollgas über die Autobahn heizen, macht mit dieser Maschine einfach keinen Spaß. Da sind gut ausgebaute Bundesstraßen oder abgelegene Landstraßen etwas ganz anderes. Besonders dann, wenn auch noch schöne, langgezogene Kurven geboten werden. Das Handling der R 850 C ist ausgezeichnet, der breite Lenker liegt gut in den Händen, nie hat man das Gefühl, von der Maschine überfordert zu sein. Als Fahrspaß pur möchte man dieses Erlebnis bezeichnen.


Und hier trifft sich nun doch wieder die Chopper- und Cruiser-Philosophie: nicht das Ziel, sondern der Weg ist das Wichtige. Mit einem Cruiser durchfährt man die Natur, riecht die Blumen am Wegesrand und das frisch gemähte Gras auf den Wiesen, spürt die Frische bei einer Walddurchfahrt, sieht rechtzeitig das Hinweisschild zum nächsten Eiscafé oder Biergarten.

Cruising hat nämlich auch was mit Pausen machen zu tun. Verstecken braucht man die BMW dabei nirgendwo. Das Bike, ganz gleich wo man anhält, fällt auf. Die Leute bleiben stehen, interessieren sich, fragen einem Löcher in den Bauch. Und dann steht man da und muss die technischen Daten runterleiern, wie schwer, wieviel PS, wieviel Kubik und wie teuer und manche wollen sogar wissen, wie schnell.


Dass Motorräder heute verdammt teuer sind, wissen inzwischen die meisten, doch dass BMW Cruiser baut, ist neu. Es wird wohl noch eine lang Zeit dauern, bis es sich herumgesprochen hat. Aber was Honda, Yamaha, Suzuki, Kawasaki und Harley-Davidson können, kann BMW schon längst. Zwar nicht besser, aber anders.
Die R 850 C ist ein außergewöhnliches Motorrad, das Out-fit vollkommen eigenständig, allerdings auch gewöhnungsbedürftig. Und das macht sie wiederum so auffällig. Aber auch das gehört zum Cruising, man stelle sich nur vor, keiner guckt hin.


Technische Daten
BMW R 850 C
Modelljahr 1999

Motor:
luft-/ölgekühlter Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor, je eine obenliegende Nockenwelle, vier Ventile pro Zylinder, Einspritzanlage, Hubraum 848 ccm, Bohrung x Hub 87,5 x 70,5 mm, Verdichtung: 10,3 : 1, Leistung: 37 kW (50 PS) bei 5250 U/min, max. Drehmoment: 71 Nm bei 4750 U/min, E.-Starter 

Kraftübertragung:
Einscheiben-Trockenkupplung, Fünfganggetriebe, Kardan   

Fahrwerk: Leichtmetallgussrahmen mit angeschraubtem Stahlrohrheck, Triebwerk mittragendes Teil, Telelever-Gabel, Federweg 144 mm, hinten Einarmschwinge mit Mono-Federbein, Federweg 100 mm, Nachlauf 86 mm, Radstand 1650 mm, Bremsen vorne Doppelscheibenbremse, Ø 305 mm, hinten Scheibenbremse, Ø 285 mm, Räder/Bereifung vorne und hinten Drahtspeichen-Räder, Bereifung vorne 100/90 ZR 18, hinten 170/80 ZR 15, Sitzhöhe 740 mm, Gewicht 260 kg, Tankinhalt 17,5 Liter

Verbrauch: 6 Liter/ 100 km 

Preis: 23.880 Mark 

Höchstgeschwindigkeit: 175 km/h


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